Richard Henkes
Pater Richard Henkes SAC *26.05.1900 in Ruppach/Westerwald verhaftet am 08.04.1943 wegen einer Predigt ab 10.07.1943 KZ Dachau
meldete sich freiwillig zur Pflege typhuskranker Häftlinge Ende 1944
+22.02.1945 im KZ Dachau
Seligsprechung am 15.09.2019
Gedenktag 21.02.
Kurzbiografie (Übernahme mit freundlicher Genehmigung von https://pater-richardhenkes. de/portrait.php) Der im Jahre 1900 in Ruppach-Goldhausen/Ww. geborene Pallottinerpater Richard Henkes strebte schon als Schüler im Studienheim Schönstatt (1912-1919) nach Wahrheit und Freiheit. Im Jahr 1925 wurde er zum Priester geweiht und ab 1926 ein begeisternder Lehrer; seit 1931 wirkte er in Katscher, Frankenstein und in Branitz im östlichen Teil des damaligen Deutschen Reiches. Nach einer Predigt am 7.3.1937 in Ruppach gegen die Nazis wurde er bei der Gestapo angezeigt und eine Untersuchung eingeleitet. Sie endete mit einer Verwarnung. Ebenfalls 1937 wurde er wegen einer Äußerung gegen Adolf Hitler in Katscher/Oberschlesien angezeigt. Der drohenden Verurteilung vor einem Sondergericht in Breslau entging er wegen der Amnestie beim Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Am 8. April 1943 wurde er wegen einer Predigt in Branitz/Oberschlesien verhaftet, in Ratibor gefangen gehalten und am 10. Juli 1943 ins KZ Dachau eingeliefert. Dort ließ er sich Ende November/Anfang Dezember 1944 freiwillig in der Zugangsbaracke 17 zur Pflege und Seelsorge Typhuskranker einschließen, steckte sich dabei an und starb am 22. Februar 1945 im KZ Dachau. Die Dachauer KZ-Priester und der Richard-Henkes-Kreis haben sich seit 1982 für seine Seligsprechung eingesetzt.
Ausführliche Biografie (teilweise Übernahme mit freundlicher Genehmigung von https://pater-richardhenkes. de/chronik.php) Kindheit und Ausbildung Richard Henkes wurde am 26. Mai 1900 in dem Dorf Ruppach nahe bei Montabaur geboren. Die Familie hatte acht Kinder, die früh im Haushalt und im Feld mitarbeiten mussten. Sein Vater arbeitete als Steinmetz. Richard besuchte die Volksschule in Ruppach sieben Jahre lang. Kirchlich gehörte Ruppach damals zur Pfarrei Meudt. Pallottinerpatres aus dem nahegelegenen Limburg hielten sonntags die hl. Messe in Ruppach. Unter den Patres waren auch Missionare aus Kamerun, die gerne aus der Mission erzählten. Richard wollte auch gern Missionar werden. So trat er 1912 in das neu erbaute Studienheim der Pallottiner in Vallendar ein. Pater Kentenich, der spätere Begründer der Schönstattbewegung, wurde zur gleichen Zeit dort als Spiritual berufen. Richard Henkes trat auch der Marianischen Kongregation bei. Bevor er 1918 zum Kriegsdienst nach Griesheim und Darmstadt einberufen wurde, legte er am Gymnasium in Montabaur das einjährige Examen ab. Ende 1918 konnte er nach Vallendar zurückkehren, machte 1919 das Abitur und trat danach bei den Pallottinern in Limburg ein. 1921 legte er die erste Profeß ab und wurde 1925 in Limburg zum Priester geweiht. Während seiner Studienzeit durchlitt er innerliche Kämpfe und Zweifel, doch es siegte sein Vertrauen auf seine Berufung durch Gott.
Wirken als Ordenspriester bis zur Verhaftung Nach Abschluss des Studiums 1926 wurde er Lehrer im Studienheim Schönstatt. Knapp ein Jahr nach Beginn der Lehrtätigkeit stellten sich bei P. Henkes Zeichen der Erschöpfung ein. Schließlich wird eine schwere Lungentuberkulose diagnostiziert. P. Henkes lässt in seinen Briefen erkennen, dass ihm der Aufenthalt in den Sanatorien nicht leicht fiel. Zu den Erschwernissen gehörte auch die Überlegung seines Provinzials, ihn eventuell in die Mission nach Südafrika zu schicken, weil dort ein günstiges Klima für Lungenkranke sei. Der behandelnde Arzt riet jedoch von einer solchen Versetzung ab. Im April 1928 wurde er mit vielen neuen Lebenserfahrungen in die Pallottinerschule in Drüpt bei Alpen am Niederrhein als Lehrer versetzt und im September 1929 wieder nach Schönstatt. 1931 wurde er nach Katscher in Oberschlesien versetzt (heute Kietrz in der polnischen Woiwodschaft Oppeln). Dort war eine Zubringerschule mit den drei unteren Klassen für die Schule in Frankenstein (Ząbkowice Śląskie). Während die Pallottiner in Katscher ein erstes Schönstattkapellchen bauten, errichteten die Nationalsozialisten in Deutschland ihr „tausendjähriges Reich“. So wurde neben seinem Lehrerberuf für P. Richard Henkes die religiöse Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus seine zweite große Berufung. Dieser vertrat eine unchristliche Weltanschauung, bekämpfte die christlichen Kirchen, tötete behinderte Menschen und verfolgte vor allen Dingen in zunehmendem Maß die Juden und versuchte schließlich, sie in seinem ganzen Herrschaftsbereich brutal auszurotten. In dieser Zeit vertrat P. Henkes mutig und öffentlich die Werte des Christentums in der Schule, in zahlreichen Exerzitienkursen für die Jugend und in seinen Predigten auf vielen Kanzeln Schlesiens, Oberschlesiens und des Sudetengebietes. Bereits 1937 wurde er nach einer Predigt in seiner Heimat Ruppach bei der Gestapo angezeigt; wegen einer angeblichen Verunglimpfung des Führers in Katscher wurde 1937/38 gegen ihn ein Prozess am Sondergericht in Breslau durchgeführt, welcher aufgrund des Amnestiegesetzes nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich ohne Urteil eingestellt wurde. Immer enger wurde seine Zusammenarbeit mit Prälat Nathan in Branitz (Bránice). (Joseph Martin Nathan gründete die Branitzer Heil- und Pflegeanstalten, eine psychiatrische Klinik in der zeitweise bis zu 2000 Patienten untergebracht waren. P. Nathan versuchte viele Patienten vor der Ermordung durch das Euthanasieprogramm der Nazis zu bewahren, indem er sie nach Hause entließ. https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Martin_Nathan https://de.wikipedia.org/wiki/Branitzer_Heil-_und_Pflegeanstalten) Seit 1935 hielten Pallottiner aus Katscher jedes Jahr Exerzitien für die Naturstände in Branitz St. Josef; P. Henkes war dort für die jungen Frauen zuständig. Bekannt wurde P. Henkes auch durch seine Fastenpredigten, die damals sehr beliebt und in Oberschlesien gut besucht waren. 1937 wurde P. Henkes in die größere Schule nach Frankenstein versetzt. Die Oberen nahmen den gefährdeten Mitbruder 1938 ganz aus dem Schuldienst. Danach arbeitete er als Jugendseelsorger, Exerzitienmeister – vor allen Dingen in Branitz, wo er 1940/41 seinen Wohnsitz hatte – und als bekannter Prediger in Oberschlesien. Durch diese Tätigkeiten und seine offene Sprache wurde er den staatlichen Machthabern immer mehr ein Dorn im Auge. Mehrfach wurde er von der Gestapo vorgeladen und verwarnt. Als P. Henkes gemustert wurde und trotz seiner früheren TB kv (= kriegsdienstverwendungsfähig) geschrieben wurde, übertrug ihm Prälat Nathan die Seelsorge in dem nahegelegenen Strandorf (Strahovice, heute Tschechien), so dass er nicht zum Militär eingezogen wurde. Dessen tschechischer Pfarrer war von den Nazis in das sogenannte Protektorat Böhmen und Mähren ausgewiesen worden. P. Henkes entfaltete in Strandorf neben den üblichen Tätigkeiten eines Pfarrers wie taufen, zur Beichte und Erstkommunion führen und beerdigen, ein reiches pastorales Programm. So besuchte er anlässlich der Colenda alle Häuser und Familien seiner Pfarrei, führte die Kinder mit viel Geschick in die Feier der hl. Messe ein, schrieb wie einst als Sodale in Schönstatt den Soldaten bei der Wehrmacht Briefe, um ihre Verbindung mit der Heimatgemeinde aufrecht zu erhalten, er kümmerte sich um Urlauber, er schrieb zu den Festtagen den jungen Frauen, die auswärts arbeitsverpflichtet worden waren, meist Postkarten, er beeinflusste die Mütter, ihre Töchter einen Beruf lernen zu lassen, er machte Ministrantenarbeit, er förderte das Spielen von Instrumenten, hielt den heranwachsenden Jugendlichen, aber auch den Erwachsenen Vorträge in der von ihm eingerichteten Schönstattkapelle, er machte Beileidsbesuche bei den Familien, wo der Mann oder ein Sohn im Krieg gefallen war. In den zwei Jahren seiner Tätigkeit in Strandorf wuchs ein so enges Band zwischen Pfarrer und Gemeinde, dass diese nach seiner Verhaftung ihren Pfarrer laufend mit Lebensmittelpaketen im KZ Dachau versorgte, wobei seine Haushälterin und Wirtschafterin Paula Miketta wohl eine koordinierende Rolle wahrnahm.
Haft und Tod „Man braucht heute keine intelligenten Menschen mehr, sondern den Herdenmenschen, den Hammel. Am liebsten hätte man für ihn eine Uniform. Im dritten Jahrhundert haben die Leute für ihren christlichen Glauben gekämpft, haben alles hergegeben, haben ihre Existenz aufs Spiel gesetzt, ihre Kinder, ihre Familie, sogar ihr Leben. So wird das auch wieder werden. Wir haben heute bei der Erziehung unserer Kinder in den Schulen nichts mehr zu sagen. Wir haben draußen nichts mehr zu sagen, und wir haben bald auch hier nichts mehr zu sagen. Wenn ich in meiner Heimat am Rhein hinausziehe, sieht man Kirchen, die nach römischen Legionsführern benannt sind. Die Männer waren so treu, dass man die Kirche nach ihrem Namen benannte. Ich möchte heute den katholischen Offizier sehen, der so treu ist, dass man auf seinen Namen eine Kirche bauen könnte.“ predigte Pater Henkes am 12.März 1943 in Branitz. Deshalb wurde er am 8. April 1943 schließlich von der Gestapo in Ratibor/Oberschlesien verhaftet und einige Wochen in Einzelhaft gehalten. Dann wurde er wegen Missbrauchs der Kanzel in das KZ Dachau gebracht, wo er am 10. Juli 1943 eintraf. Seine Häftlingsnummer war 49642. Dort musste er wie alle anderen unter menschenunwürdigen Bedingungen Zwangsarbeit leisten, zunächst auf der Plantage der SS. Später arbeitete er im Postkommando, wahrscheinlich auch im Transportkommando und schließlich ab dem zweiten Halbjahr 1944 als Kantinenwirt auf der Zugangsbaracke 17. Dabei blieb er im Glauben stark, teilte seine Lebensmittelpakete mit vielen anderen und ermutigte seine Mitgefangenen. Im KZ lernte er den späteren Prager Erzbischof und Kardinal Beran kennen und schätzen. Trotz seiner geringen Sprachbegabung setzte er bei ihm seine tschechischen Sprachstudien fort, weil er nach dem Krieg als Seelsorger im Osten bleiben wollte. Begonnen hatte er damit schon in der Strandorfer Zeit bei einem tschechischen Frisör in Chuchelna. Als das Ende des Krieges absehbar wurde, brach im KZ Dachau die zweite große Typhusepidemie aus. Noch ehe am 11. Februar 1945 Freiwillige unter den deutschen Priestern für die Pflege gesucht wurden, hatte sich P. Richard Henkes im Wissen um die eigene tödliche Bedrohung bei den Typhuskranken von Block 17 einschließen lassen. Dieser war bis dahin seine Arbeitsstelle, während er weiterhin auf dem Priesterblock 26 seine Unterkunft hatte. Nach wenigen Wochen der Seelsorge und der Pflege infizierte er sich und innerhalb von fünf Tagen raffte ihn der Tod am 22. Februar 1945 dahin. Richard Henkes war seinem Meister Jesus Christus gefolgt, der gesagt hat: Es gibt keine größere Liebe als wenn einer sein Leben hingibt für seine Freunde (vgl. Joh 15,13). Es konnte erreicht werden, dass sein Leichnam einzeln verbrannt und die Asche geborgen wurde. Sie wurde nach dem Ende des Krieges am 7. Juni 1945 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Pallottinerfriedhof in Limburg beigesetzt. 1990 wurde sie feierlich in die Bischofsgruft des Limburger Pallottinerfriedhofs übertragen. Seligsprechungsverfahren Bereits 1947 befürwortete das Generalkapitel der Pallotiner in Rom Seligsprechungsprozesse für die polnischen und deutschen Märtyrer der Naziperiode, zu denen auch P. Henkes namentlich gezählt wurde. Doch dieser erste Impuls versandete völlig, weil die Seligsprechung Vinzenz Pallottis und dreizehn Jahre später seine Heiligsprechung bald alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein neuer starker Impuls, P. Henkes selig zu sprechen, kam aus den Reihen der ehemaligen Priester-Häftlinge von Dachau nach ihrer Begegnung im Jahr 1980 mit Papst Johannes Paul II. in Fulda. Im Jahr 1985 richtete diese Priestergruppe ein Gesuch an den Limburger Bischof, einen Seligsprechungsprozess für P. Henkes einzuleiten. Doch die Pallottiner konnten sich noch nicht entscheiden, da sie fünf Tote durch die Gewalt der Nazis zu beklagen hatten. Doch einige bildeten zusammen mit Freunden und Verwandten den Richard-Henkes–Freundeskreis. Den Durchbruch bei den Pallottinern brachten zwei Initiativen aus Tschechien. Die erste war die Teilnahme des Bischofs von Plzen, František Radkovský, an der Gedenkfeier zum fünfzigsten Todestag von P. Richard Henkes in der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Pallottiner in Vallendar im Jahr 1995. Seine klare Aussage: P. Henkes sollte selig gesprochen werden. Am 17.1.2001 schrieb er im Namen der Tschechischen Bischofskonferenz einen Brief an den Provinzial der Limburger Pallottinerprovinz, in dem diese eine Seligsprechung von P. Richard Henkes befürwortete und ihre Unterstützung dafür versprach. Die Provinzversammlung 2001 nahm mit großer Mehrheit einen entsprechenden Antrag der Hochschule an. Am 06.04.2001 beauftragte Bischof Dr. Franz Kamphaus Rechtsdirektor Dr. Schüller und Herrn Joachim Rotberg mit der Voruntersuchung. Zum Postulator ernannte man am 03.12.2001 P. Dr. Manfred Probst SAC. Am 25.05. 2003 wurde das Bischöfliche Erhebungsverfahren mit Bischof Dr. Franz Kamphaus in Anwesenheit von Bischof F. Lobkowicz von Ostrava-Opava und Prälat Dr. W. Grocholl (Visitator Branitz) und sehr vielen Gläubigen, auch aus Strahovice, eröffnet. Schließlich fand am 23.01.2007 ein Pontifikalamt mit Bischof Dr. Franz Kamphaus zum Abschluss des Bischöfl. Erhebungsverfahrens mit Versiegelung der Aktenkiste statt. Am 22.12.2018 vermeldete der Vatikan die Anerkennung von Pater Richard Henkes als Märtyrer. Die Seligsprechung wird in Limburg, vermutlich in der 2. Jahreshälfte 2019 stattfinden.
Weblinks https://pater-richard-henkes.de/ https://bistum-augsburg.de/Heilige-des-Tages/Heilige/RICHARD-HENKES https://glaube-hat-zukunft.de/pater-richard-henkes/biographie-p-henkes/ https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Henkes https://de-de.facebook.com/PaterRichardHenkes/
Literatur Manfred Probst SAC: „Der Herrgott hat das letzte Wort“. Das Leben des Pallottinerpaters Richard Henkes (1900-1945) und sein Sterben im KZ Dachau, St. Ottilien 2003 Reitor, Georg: Glaubenszeuge im KZ. Pater Richard Henkes, Martyrer der Nächstenliebe, Leutesdorf 1988, 49 S. Alexander Holzbach SAC: P. Richard Henkes SAC. Ein Lebensbild, Friedberg b. Augsburg 2005, 63 S. Wilhelm Schützeichel SAC (Hrsg.): Zeugen für Christus. Pallottiner-Opfer unter der Nazi- Diktatur: ka + das zeichen 107 (2000) Helmut Moll (Hg.)Zeugen für Christus Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts ISBN: 3-506-73778-4 Bd.2 (2.durchges.Auflage 2000) Seiten 829-831
P. Engelmar Unzeitig
Seliger P. Engelmar Unzeitig
Mitglied der Kongregation der Missionare von Mariannhill
*01.03.1911 als Hubert Unzeitig in Greifendorf bei Zwittau, Sudetendeutschland
21.04.1941 verhaftet
03.06. 1941 KZ Dachau, 30 Jahre alt
Meldete sich freiwillig zur Pflege typhuskranker Kameraden Februar 1945 und infizierte sich
+ 02.03.1945 im KZ Dachau
21.01. 2016 Unterzeichnung des Märtyrerdekretes durch Papst Franziskus
Seligsprechung am 24.09. 2016 in Würzburg
Seliger P. Engelmar Unzeitig, bitte für uns!
Biografie auf der Seite der Marianhiller Missionare
Zitate:
„Beten und opfern wir weiter für einander und für die Rettung der Menschheit für Christus.“[1]
„..dass Gott wunderbar alles lenkt, merken wir hier täglich an uns.“[2]
„Gott ist wirklich gut und verlässt keinen…“ Briefe aus der schlimmsten Hungerzeit auf Plantage
„Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, sie macht innerlich frei und froh. Es ist wirklich in keines Menschen Herz gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben…“ Brief vom 7.7.1944 an Schwester Adelhilde
„Zur Rettung von Seelen würde ich weiter gerne Verbannung und alles andere ertragen!“[3]
„ Wenn die Menschen wenigstens innerlich den Weg zum Frieden finden möchten, wenn sie schon äußerlich dieses Glückes noch immer entbehren müssen. Dafür wollen wir gern im Neuen Jahr alles aufopfern und Gott darum anflehen. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass alles, was Gott schickt oder zuläßt, alles zu unserem Besten gereichen soll. Es liegt nur an uns, dass wir alles zur Ehre Gottes tun- und um anderen Freude zu machen. Dann haben wir den größten Nutzen davon, und das Leben wird erträglicher.“[4]
„ Ach, könnte man nur allen Notleidenden und schwer Heimgesuchten zu Hilfe kommen! Könnte ich nur diese Gnade von Gott erflehen, wie gerne möchte ich mit seiner Hilfe jedes Opfer auf mich nehmen.“ [5]
„Wir mögen leben oder sterben, wir sind des Herrn! All unser Tun, unser Wollen und Können, was ist es anderes als Gnade, die uns trägt und leitet. Seine allmächtige Gnade hilft uns über die Schwierigkeiten hinweg… So können wir seine Ehre mehren, wenn wir seiner Gnadenschaft kein Hinderniss entgegensetzen und uns restlos an seinen Willen hingeben. Liebe verdoppelt die Kräfte, sie macht erfinderisch, macht innerlich frei und froh. Es ist wirklich in keines Menschen Herzen gedrungen, was Gott für die bereithält, die ihn lieben.“[6] Aus dem letzten Brief, schon infiziert an Thyphus
Links:
Seite der Marianhiller Missionare für P. Engelmar Unzeitig http://www.engelmarunzeitig.de
Biografie auf der Seite der Marianhiller Missionare
[1] S. 142
[2] S. 174
[3] Zitat Lenz, S. 275
[4] S. 192
[5] S. 239
[6] Scheipers S. 316
P. Giuseppe Girotti
Dominikanerpater Giuseppe Girotti (OP)
Dr. theol, Professor
geb.: 19.07.1905 in Alba, Italien
verhaftet am 28.08.1944 oder 29.08.1944 in Rom, wegen der Unterstützung von Juden [2]
gefangen in Turin, Mailand, Bozen und ab 09.10.1944 im KZ Dachau
+ getötet am 01.04.1945 im KZ Dachau [3]
Das Seligsprechungsdekret wurde am 27. März 2013 von Papst Franziskus unterzeichnet.
Die Feier der Seligsprechung fand am 26.04.2014 in Alba, Italien statt.
Gedenktag: 01.04.
Seliger P. Giuseppe Girotti, bitte für uns!
Inhaltsübersicht:
Biografie
Zitate
Links
Biografie:
Giuseppe Girotti wurde am 19.07.1905 in Alba im Piemont, Italien, in einer bescheidenen, aber angesehenen Familie geboren. Mit dreizehn Jahren begann sein Berufungsweg am kleinen Seminar der Dominikaner in Chieri.
1923 trat er in den Orden der Dominikaner ein, wo er durch sehr gute Leistungen im Studium und Lebensfreude auffiel. Am 03.08.1930 wurde er in Chieri zum Priester geweiht, nachdem er in Turin sein Theologiestudium beendet hatte. Danach studierte er weiter an der berühmten Bibelschule in Jerusalem.
Er lehrte in Turin am theologischen Seminar der Dominikaner, Santa Maria delle Rose und später an der Hochschule der Consolata Missionare, als Professor der Theologie, Exegese, Hebräisch und Latein[4]. Sein Fachgebiet war das Alte Testament, besonders das Buch der Weisheit, worüber einen Kommentar verfasste, und die Propheten. Er veröffentlichte 1937 einen 6-bändigen Kommentar zum Alten Testament und arbeitete an anderen Kommentaren mit. Im Jahr 1942 veröffentlichte er einen Kommentar über das Buch des Propheten Jesaja. In dieser doppel-bändigen Veröffentlichung zeigte sich deutlich die ganz Tiefe seines enormen Wissens. [5] Er erhielt sogar Auszeichnungen des Heiligen Stuhls.
Schon damals nannte er Mitmenschen des jüdischen Volkes seine älteren Brüder[6], wie später der heilige Papst Johannes Paul II.
Zusätzlich arbeitete er mit großer Liebe als Seelsorger für Alte und Kranke in einem Hospiz in der Nähe seines Klosters in Turin. Auch sammelte er Geld für die Armen. Er war voller Erbarmen und großer Liebe für die Schwachen und Benachteiligten; er hatte ein gutes Herz und liebevolle Worte für die Leidenden.
Oft verspätete er sich bei der Rückkehr ins Kloster, entschuldigte sich aber mit den Worten: „Alles, was ich tue, ist für die Liebe“ und seine Augen leuchteten dabei vor Freude.[7]
Nach der deutschen Besatzung Norditaliens 1943, weitete P. Girotti sein Engagement auch auf verfolgten Juden aus. Er half auf vielfältige Weise, organisierte sichere Verstecke und half vielen mit gefälschten Ausweispapieren zur Flucht. P. Girotti pflegte auch guten Kontakt zu Partisanen. Er besuchte Gefangene oder verletzte Partisanen und setzte sich für ihre Freilassung ein.[9] Er vertraute bei seinen gefährlichen Aktivitäten ganz auf Jesus Christus und seinen Schutz und riskierte für sich persönlich und für sein Kloster viel.
Am 29. August 1944 wurde er, offiziell wegen „Hochverrats und Unterstützung des Feindes“ verhaftet. Seine Aktivitäten für verfolgte Juden waren von einem Spion verraten worden. Weitere Stationen seiner Gefangenschaft waren: Turin, Mailand und Bozen.
Beim Abtransport nach Deutschland stieß ihn ein deutscher Bewacher, so dass er zu Boden stürzte. Angelo Dalmasso, ein Mitgefangener Geistlicher half ihm auf. P. Girotti bedankte sich bei diesem mit einem Lächeln, das dieser nie mehr vergaß.[10]
Schließlich erreichte er am 09.10.1944 das KZ Dachau. Als sich die neuen Gefangen zur Desinfektion vollständig entkleiden mussten, sprach P. Girotti traurig: “Wir sind auf der zehnten Station des Kreuzweges: Jesus wird seiner Kleider beraubt.”[11]
Nach einem Aufenthalt im Zugangsblock, wohnte er schließlich im Priesterblock Nr. 26, wo zu dieser Zeit rund 1000 Geistliche aus vielen Nationen gefangenen waren, zusammen beteten und in der Kapelle die heilige Messe feierten. Tagsüber musste er körperlich sehr anstrengende Zwangsarbeit auf der Plantage des KZ Dachau leisten.
P. Girotti war großzügig und wegen seiner Offenheit sehr beliebt. Er hatte die Gabe, trotz Schmerzen zu lächeln und auch große Demütigungen mit Demut, Geduld und Sanftmut zu ertragen. Seine Kraftquelle waren die Eucharistie, das Gebet und das Studium des Wortes Gottes.[12] Morgens und abends pflegte er das gemeinsame Gebet mit einem belgischen Jesuitenpater.[13]
Von den mitgefangenen Geistlichen wurde er geachtet und geehrt wegen seiner Demut, Einfachheit, seinem Gebetseifer, seiner Hilfsbereitschaft, Selbstaufopferung und großer Selbstlosigkeit. All diese Tugenden waren Frucht seiner großen Liebe.
P. Girotti zögerte nicht, bei Konflikten unter den Geistlichen beschwichtigend einzugreifen, z.B. bei der Essensverteilung.
Seine Liebe zum Wort Gottes drückte er auch in Predigten im Lager aus. Abends, nach der Arbeit, hielt er Vorträge für die mitgefangenen italienischen Geistlichen. Noch am 21.01.1945 hielt er eine beeindruckende Predigt in der Lagerkapelle.[14]
Zur Priesterweihe des selig gesprochenen Karl Leisner am 18.12.1944 verfasste P. Girotti ein langes Glückwunsch- Gedicht in lateinischer Sprache. [15] (Den Text dieses Gedichtes finden Sie hier)
Am 21.01.1945 hielt P. Girotti eine viel beachtete Predigt in der Lagerkapelle zur Gebetswoche der Einheit der Christen. Link (auf S. 7 des Textes)
In der Hölle des Lagers war seine Hilfsbereitschaft gegenüber den Mitgefangenen sehr groß. Dies berichtete Angelo Dalmasso[16], ein anderer Priester aus Italien, der mit ihm zusammen litt. P. Girotti teilte seine wenige Nahrung mit Kameraden, die jünger und gesünder waren als er und für deren Überleben er sich so einzusetzen versuchte. Er verschenkte sogar Brot und Käse, die er einmal von P. Leonhard Roth (deutscher Dominikaner und Mitgefangener im KZ Dachau) geschenkt bekommen hatte, an den jüngeren Angelo Damasso mit den Worten: ” Nehmen sie es, sie sind jünger als ich, sie brauchen es mehr.”[17]
Sein körperlicher Zustand verschlechterte sich Ende 1944 immer mehr. Der vom Hunger geschwächte Körper litt an Arthritis und einer Nierenentzündung. Ein Mithäftling besorgte ihm einen leichteren Arbeitsplatz. Doch es kamen große Schmerzen und eitrige Beine hinzu. P. Girotti musste sich auf die Krankenstation des Lagers begeben, wo man zusätzlich Leberkrebs feststellte[18]. Im Krankenrevier vollendete P. Giuseppe Girotti am Ostersonntag, den 01.04.1945 sein Lebensopfer. Durch eine Injektion mit einer Benzinspritze wurde er ermordet. Er starb als Märtyrer.[19]
Sein Leichnam wurde in einem Massengrab[20] auf dem Leitenberg in Dachau Etzenhausen bestattet.
Die Predigt zu seinem Requiem in der Lagerkapelle am 03.04.1945 hielt der Mitgefangene P. Leonhard Roth. Er schilderte P. Girotti als „von allen geliebt für seine Demut und Bescheidenheit“. [21]
Andere Mitgefangene Geistliche erinnerten sich an seine Sanftmut, Geduld, Demut und Gelassenheit. Aber auch seine besondere Intelligenz und sein demütiges und gütiges Lächeln blieben in Erinnerung.[22]
Seine Heiligkeit erkannten seine Mithäftlinge schon damals. Ein Kamerad schrieb am Todesort auf das Brett über seiner Schlafstelle:„Hier schlief der heilige Giuseppe Girotti.“ [23]
Die israelische Gedenkstätte Yad Vashem verlieh ihm am 14.02.1995, im Jahr seines 50. Todestages, in Jerusalem den Ehrentitel: „Gerechter unter den Völkern” für sein selbstloses Engagement für verfolgten Juden. Zu seinen Ehren wurde in Yad Vashem, in der Allee der Gerechten, ein Baum gepflanzt.
Der Seligsprechungsprozess wurde 1988 eröffnet und am 27. März 2013 beendet mit der Unterzeichnung des Dekretes der Seligsprechung durch Papst Franziskus. Gleichzeitig wurde sein Martyrium anerkannt.
Die Seligsprechung fand am Samstag, 26.04.2014 in seiner Geburtsstadt Alba statt.
„Die Kirche war, ist und wird immer die einzige Zuflucht der Menschlichkeit, Liebe und Barmherzigkeit sein.“ aus der Predikt Girottis, KZ Dachau, Kapelle Block 26, 21.01.1945LINKS
- italienische Seite des Vereins Vater Girotti
- italienische Seite des Dominikanerordens mit Biografie des Seligen
- Artikel Zenit
- Film mit Originalbildern seiner Lebensstationen und Interviews (italienische Sprache)
- Kurzfilm mit Interview mit P. Vito Gomez OP, Postulator des Seligsprechungsverfahrens (Italienische Sprache)
- Film mit Bericht über die Seligsprechung am 26.04.2014 in Alba
- Bildband über den seligen P. Giuseppe Girotti
- Ausstellung zu Ehren des seligen P. Giuseppe Girotti 26.09.-16.10.14 in Turin
- Eröffnung eines Gartens in Turin zu Ehren P. Girottis am 70. Todestag
[6] Elena Ascoli op (von “Tuesday” von Bologna, http://domenicanecrsd.wordpress.com/figure/santioggi/padre-giuseppe-girotti/
[10] http://gaetanovallini.blogspot.de/2013/03/riconosciuto-il-martirio-di-padre.html
[12] Antonio Borelli , http://www.santiebeati.it/dettaglio/91403
Georg Häfner
seliger Georg Häfner
Geb 19.10.1900 Würzburg
Verhaftet wegen Spendung von Sterbesakramenten an ein sterbendes Mitglied der NSDAP und dessen Wiederaufnahme in die Kirche
KZ Dachau ab 12.12.1941
+ 20.08.1942 KZ Dachau
Seliggesprochen 15.05.2011
Gedenktag: 20.08.
Seliger Georg Häfner, bitte für uns!
Inhaltsübersicht
- Biografie
- Links
Kurzbiografie
Der selige Georg Häfner wurde am 19. Oktober 1900 in Würzburg als Arbeiterkind geboren. Seine Eltern waren einfache und tieffromme Menschen. Als Bub war er Ministrant in der Kirche des Klosters der Karmeliterinnen Himmelspforten, Würzburg, und verspürte dort seine Berufung zum Priester. Seine Eltern ermöglichten ihm unter Opfern den Besuch des Gymnasiums und später das Theologiestudium. 1918 legte er das Kriegsabitur ab und wurde zum Heer einberufen. Sein Theologiestudium begann er 1919. Schon im Jahr 1920 trat er dem Dritten Orden vom Berge Karmel bei. Er erhielt den Namen Aloysius vom Heiligsten Sakrament. Am 13. April 1924 wurde er zum Priester geweiht. Seine Kaplansjahre verbrachte er von 1924 bis 1928 in Motten, Goldbach, Mürsbach und Altglashütten. Am 12. November 1934 übernahm er die Pfarrstelle von Oberschwarzach. Pfarrer Häfner war ein eher stiller Mann. Er lebte bescheiden und zurückgezogen. Wichtig waren ihm Gebet und Opfer. Er wurde als eifriger Seelsorger und unpolitischer Mensch beschrieben.
Als engagierter Seelsorger geriet er schon bald in Konflikte mit dem NS-Staat. Er verweigerte den Hitlergruß und bezeichnete die Nationalsozialisten in einer Predigt als „braune Mistkäfer“. So wurde ihm die Genehmigung zum Religionsunterricht entzogen. Er hielt daraufhin den Kommunions– und Firmunterricht heimlich ab. Pfarrer Häfner wurde mehrfach bei der Gestapo angezeigt und verhört.
Zur Verhaftung im Oktober 1941 führte schließlich sein seelsorgerlicher Einsatz für ein sterbendes Parteimitglied, das um die Sterbesakramente gebeten hatte. Dazu war der Wiedereintritt in die Kirche notwendig. Deshalb ließ Häfner ihn auf dem Sterbebett eine Erklärung unterschreiben, in der dieser seine zweite, standesamtlich geschlossene Ehe, vor Gott und seinem Gewissen als ungültig erklärte und in die Kirche zurückkehrte. Pfarrer Häfner verkündete dies mit einer kurzen Begründung am nächsten Sonntag in der Kirche, um diesen Widereintritt und das kirchliche Begräbnis rechtfertigen zu können. Er wurde von einem anderen Parteimitglied denunziert und schließlich verhaftet. Die offizielle Begründung war: Georg Häfner hätte die Bevölkerung aufgehetzt, das priesterliche Amt missbraucht und damit die „innere Front“ geschwächt. Nach sechs Wochen Haft in Würzburg wurde Georg Häfner am 12. Dezember 1941, ohne richterlichen Beschluss, in das KZ Dachau gebracht. Er wohnte mit den anderen Geistlichen im Priesterblock. (Häftlingsnummer 28876)
Schon bei seiner Ankunft wurde Georg Häfner blutig geschlagen. Doch der sensible und fromme Mann klagte nie. Das Gebet stand im Mittelpunkt seiner letzten Monate. Mitgefangene Geistliche beschrieben ihn als sehr stillen, frommen, bescheidenen Priester, der ergeben sein Kreuz getragen habe. „Nie hat man ein ungutes Wort von ihm gehört. Er betete sehr viel und war in sich gekehrt. Er war von uns Priestern geachtet und wurde allen zum Vorbild“.
„Nur in der Schule des Heilands ist die Liebe zu lernen, die auch vor dem Feind nicht halt macht“, schrieb Georg Häfner in einem Brief aus dem KZ Dachau.“ „Trost, Kraft und alles finden wir im Gebet und in der Hingabe an Gott“. Diese Worte schrieb er einige Monate vor seinem Tod ebenfalls aus dem KZ Dachau.
Im August 1942 waren bei Pfarrer Häfner die grausamen Folgen des Hungers nicht mehr zu übersehen. Füße, Hände, Kopf schwollen an, Phlegmone entstanden. Zusätzlich infizierte sich eine Wunde am Fuß und es kam vermutlich zu einer Blutvergiftung.
Georg Häfner starb unter großen Schmerzen am 20.August 1942 um 7.20 Uhr .
Die Priestergemeinschaft aus dem KZ Dachau und der Priesterverein der Diözese Würzburg drängten nach dem Krieg auf einen Seligsprechungsprozess. 2009 konnte Bischof Hofmann verkünden, dass Papst Benedikt XVI. Pfarrer Häfner offiziell als Märtyrer anerkannt hat.
Die Seligsprechung fand am 15. Mai 2011 in Würzburg statt.
Monika Neudert
Hinweis: auf youtube ist ein Kurzfilm über den seligen Georg Häfner zu sehen
Seliger Georg Häfner, bitte für uns!
Zitate
„Es waren schon schwere Tage, die ich bis jetzt habe mitmachen müssen, und wünsche sie nicht meinem größten Feind. Der liebe Gott hat mir immer wieder Kraft gegeben.“
„Nur in der Schule des Heilands ist die Liebe zu lernen, die auch vor dem Feind nicht halt macht.“ Brief aus dem KZ Dachau.
„Trost, Kraft und alles finden wir im Gebet und in der Hingabe an Gott.“ Brief aus dem KZ Dachau.
„Keinem Menschen wollen wir fluchen, keinem etwas nachsagen, mit allen wollen wir gut sein.“ Brief aus dem KZ Dachau
„Der liebe Gott macht es schon recht… nichts ist umsonst- tragen wir alles Leid in Gottes Namen…. Was hat der Heiland gelitten.“ Brief aus dem KZ Dachau
„Macht Euch deswegen keine allzu großen Sorgen. Ohne den Willen Gottes geschieht nichts…..Verzeiht mir da alles, wodurch ich Euch gekränkt und Sorgen gemacht habe.“ Brief aus dem KZ Dachau
„Ja, in Geduld will ich aushalten, der Herr möge mir dazu die Kraft geben.“ Brief aus dem KZ Dachau
„Meine Leidenstage opfere ich auf für meine Pfarrei und für die, die mir lieb und teuer sind.“ Brief aus dem KZ Dachau
„Seid recht gut auch mit allen Leuten, ob Freund oder Feind.“ Brief aus dem KZ Dachau
„Macht eure Sachen auch weiterhin recht schön, erleichtert einander das Leben.“ ( Brief aus dem KZ Dachau vom 05.04.1942)
„Es freut mich, dass so schön Betrieb und Eintracht herrscht.“ (Brief aus dem KZ Dachau vom 12.07.42)
„Wir wollen für einander beten und besonders das Vertrauen auf Gottes Vorsehung nicht verlieren.“
„Ich bete und opfere alle Tage für Euch.“
„Mit Gottes Hilfe hoffe ich durchzuhalten, gestützt auf das Gebet meiner Lieben und meiner Gemeinde. „(Brief aus dem KZ Dachau vom 12.07.42)
Die wörtlichen Zitate wurden entnommen: (weitere Quellen unter Literatur)
Paul- Werner Scheele, Klaus Wittstadt, Georg Häfner, Priester und Opfer, Briefe aus der Haft, Gestapodokumente, Echter Verlag, Würzburg 1983
Günter Putz, Daheim im Ewigen, Pfarrer Georg Häfner (1900-1942), Ein Märtyrerpriester, Echter Verlag, Würzburg 2010
Günter Putz, Gott ist der Grund, Das Lebenszeugnis von Georg Häfner, Einsichten in das Priesteramt, Echter Verlag, Würzburg, 2004
Günter Putz, Auffallend normal, Das priesterliche Zeugnis von Georg Häfner (1900-1942)
Günter Putz, Ein Kirchenjahr im KZ Dachau, Zum Lebensstil von Pfarrer Georg Häfner (1900-1942), Ein Plädoyer für Gottes Anwesenheit in der Welt, Zeugnis über Georg Häfner, Würzburg
Fides Amberg-Hartmann, Märtyrer Georg Häfner- Priester und Opferlamm, Würzburg 2010
Ulrich Boom, Bernhard Schweßinger (Hg), Zeuge für die vielen, Die Seligsprechung des Märtyrerpriesters Georg Häfner in Würzburg, Würzburg 2011, Echter Verlag
Lebensbild
Sicherheit, die von „oben“ kommt
Von Domdekan Prälat Günter Putz, (zum Ökumenischer Stationen-Gottesdienst,23. September 2012,in der KZ-Gedenkstätte Dachau) Wir bedanken uns für die freundliche Erlaubnis diesen Text wiederzugeben.
„Ihr werdet meine Zeugen sein.“ (Lk 24,48 / Apg 1,8)
Spirituelle Erschließung
Am 13. April 1924 wurde der am 15. Mai 2012 selig gesprochene Pfarrer von Oberschwarzach, Georg Häfner, in der Michaelskirche in Würzburg durch den Erzbischof von Bamberg Johannes Jacobus von Hauck zum Priester geweiht.
Georg Häfner wählte als Primizspruch: „Mache meinen Wandel standhaft auf deinen Wegen, o Herr, daß meine Tritte nicht wanken (PS 16,5).“ Mit der Wahl des Primizspruches wählt ein Neupriester ein Leitmotiv, das ihn zeitlebens bis zur Weihe begleitet hat und weiterhin seinen priesterlichen Dienst deuten soll.
Die Trittfestigkeit im Glauben, die Georg Häfner von Kindesbeinen an gelernt hat, hat seinen ganzen Lebensweg bis in die Lebenshingabe in Dachau am 20. August 1942 geprägt. Die Taufe empfängt Georg Häfner am 28. Oktober 1900 in der elterlichen Wohnung. Die tieffrommen Eltern Valentin und Barbara Häfner haben in ärmlichen Verhältnissen tiefes Gottvertrauen vorgelebt, so dass der Geist des Gebets die Kindheit und Jugend Georg Häfners formte. Die Verwurzelung im Glauben wurde durch das Lebenszeugnis der Karmelitinnen im Würzburger Kloster Himmelspforten zusätzlich vertieft, bei denen der neue Selige als Ministrant vom Geist karmelitischer Spiritualität beeinflusst wurde.
Georg Häfner war ein Priester, der ganz von „oben“ her seine Lebensdeutung ausgestaltete. Wenn Hans Urs von Balthasar den Priester, den er sucht, als einen bezeichnet, der von „oben“ sein soll, dann wird das Leben Georg Häfners diesem vollends gerecht. Mit dieser Grundausstattung war er durch und durch gegen die Nazidiktatur gefeit.
Bereits als Kaplan und dann als Pfarrer von Oberschwarzach wird der vom Wesen her eher introvertierte, ruhige Priester zu einer markanten Widerstandsfigur. Zu einer ersten Vernehmung führten nazifeindliche Äußerungen in der Christenlehre. Dem folgte das Verbot zur Erteilung des Religionsunterrichts am 22. August 1941 und schließlich die Anordnung der Schutzhaft wegen staatsabträglichen Verhaltens am 03. Oktober 1941.
Anlass für das Vorgehen der Gestapo zur Inhaftierung war die Wiederaufnahme des Parteigenossen Forstwart Michael Wünsch in die Kirche auf dem Sterbebett und die damit verbundene schriftlich verfasste Erklärung des Betroffenen, die Häfner veranlasste und im Rahmen der Beisetzungsfeierlichkeiten zweimal verlauten ließ, um die Rechtmäßigkeit seines pastoralen Tuns in der Gemeinde plausibel zu machen. Nach einer neunmonatigen Leidenszeit in Schutzhaft und Konzentrationslager stirbt Georg Häfner am 20. August 1942 in Dachau. Es ist der Gefangene Nr. 28876.
In der Zeit seiner Gefangenschaft hinterlässt er aus der Schutzhaft und aus dem Konzentrationslager Briefe, die deutlich machen, dass für ihn diese Zeit spirituell eine Fortsetzung seiner Christusnachfolge ist, die durch Taufe und Firmung begonnen hat und in der Priesterweihe vertieft worden ist.
Tiefes Gottvertrauen, ständiges Beten sind die Kraftquelle, aus denen er seine Leidenszeit gestaltet. Gleichzeitig bleibt er als Pfarrer mit seinen pastoralen Anweisungen an die Verantwortlichen in der Gemeinde seelsorglich tätig und verbindet seine Leidenszeit mit seiner Hirtensorge für die ihm Anvertrauten.
Durchgängig pflegt er in seinen Briefen den Geist der Versöhnung und des Erbarmens. Er praktiziert Nächstenliebe gegenüber denen, die mit ihm verbunden sind, und Feindesliebe gegenüber denen, die ihm Leid zugefügt haben. Ebenso ist in ihnen wie ein roter Faden die Haltung der Dankbarkeit in Häfners Leben zu erkennen. Sie ist Frucht der täglich gefeierten Feier der Eucharistie. Noch sein letzter Brief vom 09. August 1942 lässt die Gesamtspiritualität dieses Blutzeugen aus Dachau erkennen, der in der Kraft des Glaubens niemals außer Tritt geraten ist.
Brief aus dem KZ Dachau vom 09. August 1942
„Liebe Eltern! Vergelt’s Gott für Eure lieben Zeilen vom 21.7. Es freut mich wirklich, daß Ihr den Urlaub so gut ausnützt. Könnte ich doch dabei sein! Richtet überall viele Grüße von mir aus! Hoffentlich seid ihr gesund was ich Gott sei Dank auch von mir berichten kann. Um eines bitte ich Euch ganz besonders: Gebt mir jeden Tag morgens und abends Euren Segen mit Weihwasser. Es ist etwas Herrliches darum und bereue es Euch nicht schon früher immer darum gebeten zu haben. Ja ich habe so manchen Fehler gegen Euch begangen zu haben und sehne mich danach, es gut zu machen. Wünsche Euch recht viel Freude für Eure nächste Tour. Im Geiste bin ich bei Euch. Herzlichen Grüße, auf baldiges Wiedersehen, Euer Georg.
Ehrwürdige Schwester Oberin! Vergelt’s Gott für Ihre wirklich tröstlichen Zeilen. Wünsche dem Convent beständigen Frieden, Eintracht und Gesundheit. Empfehle mich weiter dem Gebet und Ihren Opfern Ihr dankbarer Pfarrer.
Lieber Herr Kaplan! Ihre Zeilen haben mich sehr gefreut. Bitte überall viele Grüße, besonders in den Familien, wo Leid und Freud eingekehrt sind. Vielleicht wäre es möglich, ein rotes gotisches Meßgewand anzuschaffen. Herzliche Grüße Ihr Pfarrer Häfner.
Liebe Kuni, Amalie! Eure Zeilen haben mich wieder sehr getröstet, besonders das schöne Verhältnis mit meinen lieben Eltern. Sorgt nur schön weiter. Viele Grüße an Dobler, Fick, Maier, überhaupt überall herzliche Grüße, für mich gibt es keine Feinde in der Pfarrei. Zum Geburtstage meine herzlichsten Glück- und Segenswünsche mit Gebet- und Kommunionversicherung. Herzliche Grüße, auch Euren lieben Angehörigen, Euer dankbarer Pfarrer.
Lieber Freund! Herzlichen Dank für Deine interessanten Nachrichten, wenn nur einmal die Freiheitsnachricht käme. Herzlichen Gruß Dir und dem Hause, dankbarer Häfner.“
Gebet
„Auf dem Weg deiner Gebote gehn meine Schritte,
meine Füße wanken nicht auf deinen Pfaden.
Ich rufe dich an, denn du Gott erhörst mich.
Wende dein Ohr mir zu, vernimm meine Rede.
Wunderbar erweise deine Huld!
Du rettest alle, die sich an deiner Rechten vor den Feinden bergen.
Behüte mich wie den Augapfel den Stern des Auges,
birg mich im Schatten deiner Flügel
vor den Frevlern, die mich hart bedrängen,
vor den Feinden, die mich wütend umringen.
Sie haben ihr hartes Herz verschlossen,
sie führen stolze Worte im Mund,
sie lauern mir auf, jetzt kreisen sie mich ein,
sie trachten danach, mich zu Boden zu strecken,
so wie der Löwe voll Gier ist zu zerreißen,
wie der junge Löwe, der im Hinterhalt lauert.
Erheb dich Herr, tritt dem Frevler entgegen!
Wirf ihn zu Boden, mit deinem Schwert entreiß mich ihm!
Rette mich, Herr, mit deiner Hand vor diesen Leuten,
vor denen, die im Leben schon alles haben.
Du füllst ihren Leib mit Gütern,
auch ihre Söhne werden noch satt,
und hinterlassen den Enkeln, was übrig bleibt.
Ich aber will in Gerechtigkeit dein Angesicht schauen,
mich satt sehen an deiner Gestalt, wenn ich erwache.“ Ps 17, 5-15
(Domdekan Prälat Günter Putz , Ökumenischer Stationen-Gottesdienst,23. September 2012,in der KZ-Gedenkstätte Dachau) Wir bedanken uns für die freundliche Erlaubnis diesen Text wiederzugeben.
Literaturhinweise von Domdekan Prälat Günter Putz mehr Literaturhinweise
Georg Häfner, Briefe aus dem Konzentrationslager, in: P.-W.. Scheele, K. Wittstadt, Georg Häfner, Priester und Opfer, Würzburg 1983.
Günter Putz, Gott ist der Grund, Das Lebenszeugnis von Georg Häfner, Einsichten ins Priesteramt, Würzburg 2004.
Ders., Daheim im Ewigen, Pfarrer Georg Häfner – ein Märtyrerpriester, Würzburg 2011.
Links:
- Georg Häfner
- Bistum Würzburg
- Würzburgwiki über Georg Häfner Würzburgwiki
- Ökumenisches Heiligenlexikon
- Film „“Gott ist der Grund“ – Pfarrer Georg Häfner in Dachau“
- Film: „Georg Häfner – Priestertag in Oberschwarzach“
Stefan Wincenty Frelichowski
Seliger Stefan Wincenty Frelichowski
(im deutschsprachigen Raum auch Stefan Vincenz Frelichowski)
Geb. 22.01. 1913 in Chelmza, (Culmsee), Polen
KZ Dachau ab 14.12.1940
+ 23.02.1945 KZ Dachau[1]
Selig gesprochen am 07.06.1999
Gedenktag: 23.02.
Kurzbiographie:
Der selige Stefan Wincenty Frelichowski wurde am 22.01.1913 in Chelmza, einer kleinen Stadt in Polen, geboren.[1] In der Kindheit war er Ministrant und Pfadfinder. Nach der Grundschule besuchte er das humanistische Gymnasium und legte sein Abitur 1931 ab.[2] Schon während der Schulzeit engagierte er sich als Mitglied der Pfadfinder. Pfadfinder blieb er sein Leben lang. Das Pfadfindertum prägte ihn für sein Leben. Nach dem Abitur 1931 trat er ins Priesterseminar ein. Der frühe Tod seines Bruders Czeslaw war für ihn zum Wendepunkt geworden.
Im Priesterseminar strahlte er eine natürliche Fröhlichkeit aus. Im Tagebuch vom 3.10.1936 notierte er: „Und ich will mich Gott angleichen. Deswegen muss ich immer und für jeden fröhlich sein.“
Er empfing die heilige Priesterweihe am 14.03.1937. Schon als Diakon war er zum persönlichen Sekretär des Bischofs St. W. Okoniewski berufen worden. Diesen Dienst führte er nach der Weihe zunächst fort. Am 01.01.1938 wurde er auf eigenen Wunsch als Aushilfe in der kleinen Pfarrei Wejherowo und am 01.07.1938 als Vikar in der Pfarrei in Torun eingesetzt.
Gleichzeitig betreute er auch als Kaplan die Pfadfinder in ganz Pommern seelsorglich. Er lebte sein Priestertum mit Hingabe und innerer Überzeugung. Mit Hingabe arbeitete er auch als Seelsorger. Er feierte die heiligeMesse mit einer überraschenden Inbrunst. Sein persönliches Leben war von Einfachheit geprägt.[3]
Lediglich 2 Jahre und 7 Monate wirkte er als Priester in Freiheit, jedoch 5 Jahre und 4 Monate in Gefangenschaft.
Nach dem Überfall auf Polen am 01.09.1939 wurde er schon am 11.09.1939 zusammen mit anderen Priestern in Thorn/Torun verhaftet und im Stadtgefängnis festgehalten, einige Tage später jedoch entlassen. Am 18.10.1939 wurde er erneut verhaftet und verlor seine Freiheit diesmal endgültig. Sein Einfluss auf die Jugend schien der Gestapo zu gefährlich. Zunächst wurde er in einem Gefängnis in der Nähe von Torun festgehalten, das Fort VII genannt wurde.[4] In Gefangenschaft engagierte er sich in der Seelsorge für Mitgefangene. Er stärkte ihre moralische Widerstandskraft indem er ihren Glauben stärkte und festigte. Dazu organisierte er Gebete und gab als Seelsorger Trost und Kraft aus dem Glauben. Besonders Kranken galt seine Fürsorge. Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Gefängnis in der Gegend von Nowy Port, wurde er am 10.01.1940 ins KZ Stutthof eingeliefert.
Bei schwerer körperlicher Arbeiten war die Priestergruppe dort die am meisten unterdrückte Gruppe im Lager. Frelichowski trug alles erstaunlich geduldig und ruhig, mit einem Lächeln im Gesicht. Still und innerlich ausgeglichen wurde er von Kameraden beschrieben. Er wollte den Willen Gottes für sein Leben erfüllen. Er organisierte geheime Messen. Es war ihm gelungen, heimlich Wein und Hostien zu besorgen. Es gelang ihm außerdem, Momente des gemeinsamen Gebets zu organisieren, Morgen- und Abendgebete. Unter bescheidensten Bedingungen schaffte er es sogar, am Gründonnerstag 1940 die Feier einer heiligen Messe für seine Kameraden zu organisieren. am Ostersonntag morgen zelebrierte er, gedrängt von Kameraden, selber die heilige Messe.
Am 09.04.1940 wurde die ganze Priestergruppe ins KZ Sachsenhausen-Oranienburg, in der Nähe von Berlin, gebracht, wo er am 10.04.1940 ankam.[5] Dort war ebenfalls eine Gruppe Geistlicher aus ganz Europa versammelt. Zu Beginn war er in der Quarantänebaracke 20 untergebracht, die unter der grausamen Leitung des berüchtigten Kriminellen Hugo Krey stand.[6] Auch hier engagierte er sich weiterhin mit brennendem Eifer in seinem apostolischen Dienst und half Kranken, Alten und jungen Menschen mit Worten des Trostes und der Hoffnung. Seine Liebe galt den Schwachen, die besonders unter dem grausamen Blockältesten litten.
In das KZ Dachau wurde er zusammen mit anderen Priestern am 14.12.1940[7] gebracht. Wieder engagierte er sich caritativ und seelsorgerlich, getragen von einem großen Vertrauen in Gott. Er brachte den mitgefangenen Kameraden menschlichen und priesterlichen Trost, organisierte gemeinsames Gebet, heimliche Messen, hörte Beichten und teilte den Eucharistischen Herrn heimlich im Lager an die Kameraden aus. Er teilte sogar seine spärlichen Mahlzeiten. Eine Zeit lang konnte er als Pfleger auf der Krankenstation arbeiten[8], Kranke und Sterbende pflegen und seelsorgerlich begleiten. Er erkannte in bedürftigen Mitgefangenen den leidenden Christus.Er gründete heimlich eine polnische Caritasorganisation im Lager.
Unter den zahlreichen polnischen Geistlichen gründete er eine spirituelle Vereinigung. Die Grundsätze dieser Gruppe waren:
„1. Aus Liebe zu Gott jeden Augenblick und alles, jedes Erlebnis und jede Tat, so intensiv wie möglich leben. (Positives und Negatives)
2. Sich jeden Abend um 21.00 Uhr geistig mit der ganzen Gemeinschaft zum Gebet vor der Gottesmutter vereinen,“ um ihr das Erlebte anzuvertrauen.[9]
Als bei der Flecktyphus- Epidemie zur Jahreswende 1944/1945 kaum Hilfe für die Kranken von Seiten der Lagerleitung organisiert wurde, besuchte er heimlich 4 Monate lang die Kranken. Später meldeten sich rund 32 andere Priestern aus Deutschland, Polen und anderen Ländern [10] freiwillig zur Pflege der Kranken in den Quarantäneblocks, wissend, dass die Ansteckungsgefahr groß und sein eigenes Leben in Gefahr war. Frelichowski pflegte die Kranken, wusch sie (viele waren nicht mehr in der Lage die WC´s aufzusuchen) und brachte die Sterbesakramente, Worte des Trosts und des Glaubens und Brot. Schließlich steckte er sich an und bekam dazu noch eine Lungenentzündung. Stefan Wincenty Frelichowski starb am 23.02.1945, 32-jährig nach 6 Jahren Gefangenschaft, davon mehr als 4 Jahre im KZ Dachau.
Erstaunlicherweise wurde ihm vor der Verbrennung im Krematorium heimlich eine Totenmaske abgenommen und Reliquien von seinem Leichnam entfernt und so vor der Verbrennung bewahrt. Später wurden diese nach Polen gebracht. So ist Frelichowsky der einzige im KZ ermordete Selige, von dem es Reliquien gibt.[11]
Die Seligsprechung fand am 07.06.1999 in Torun durch Papst Johannes Paul II statt.
Stefan Wincenty Frelichowski wurde zum Patron der polnischen Pfadfinder ernannt.
Monika Neudert
Seliger Stefan Wincenty Frelichowski, bitte für uns!
[1] http://theblackcordelias.wordpress.com/2009/02/23/blessed-wincenty-stefan-frelichowski-february-23/#comments
[2] http://theblackcordelias.wordpress.com/?s=February+23
[3] http://theblackcordelias.wordpress.com/2009/02/23/blessed-wincenty-stefan-frelichowski-february-23/#comments
[4] http://theblackcordelias.wordpress.com/2009/02/23/blessed-wincenty-stefan-frelichowski-february-23/#comments
[5] WEILER, Eugen, Die Geistlichen in Dachau, Mödling 1971, S 237
[6]http://theblackcordelias.wordpress.com/2009/02/23/blessed-wincenty-stefan-frelichowski-february-23/#comments
[7] Ankunft nach Weiler am 14.12.1940
[8]http://theblackcordelias.wordpress.com/2009/02/23/blessed-wincenty-stefan-frelichowski-february-23/#comments
[9] MAJDANSKI, Kazimierz, Ihr werdet meine Zeugen sein…, 1995 Mittelbiberach S 113
[10] ZÁMECNIK, Stanislav, Das war Dachau, S. 367
[11]www.sciaga.pl
Stefan Wincenty Frelichowski wurde am 22.01.1913 in Chelmza (auf Deutsch Kulmsee), einem kleinen Städtchen in der Nähe von Torun im Norden Polens, geboren.
Kindheit und Jugend
Er kam in eine kinderreiche, christlich geprägte Familie. Es gab 2 ältere Brüder und 3 jüngere Schwestern. Getauft wurde er am 29.01.1913 in der Pfarrkirche auf den Namen Stefan Wincenty. Sein Ruf- und Spitzname in der Familie und bei Freunden war jedoch Wicek. In der Familie herrschte Frohsinn und gegenseitiges Wohlwollen. Christliche Werte wurden hoch gehalten. „Die Frelichowskis haben ihren Kindern sehr viel mit auf den Lebensweg gegeben. Sie brachten ihnen uneigennützige Liebe und Opferbereitschaft sowie Achtung für die Arbeit bei. Sie verstanden es, ihren Kindern die Werte zu übertragen, denen sie selbst treu geblieben sind.“[1]
„Wunderbare Eltern“[2], hatten sie, das berichtete die Schwester später. Vater Ludwik (1883-1957) war Bäckermeister und Konditor mit eigenem Geschäft. Er hatte immer ein offenes Ohr und war hilfsbereit. Die Mutter Marta (1886-1965), geb. Olszewska, war eine bescheidene und gastfreundliche Frau. Sie arbeitete neben der Erziehung der Kinder im Bäckerladen und half bei der Arbeit des Vaters.[3] Sie hatte wenig Schulbildung, aber viel Weisheit. Sie hielt das ganze Haus in Ordnung.
Viel Zeit verbrachte die Familie auch bei den Großeltern in deren Haus mit Garten am See. Es gab fröhliche Familientreffen und Feste im Leben dieser Großfamilie. Wicek liebte seine Großmutter besonders[4]. Abends saß man zusammen bei Musik und Gesang, aber auch Gebet.
Vor dem Herz-Jesu-Bild der Familie brannte immer eine kleine Öllampe.[5] Im Oktober wurde zusammen Rosenkranz gebetet. Auch die Lehrlinge des Vaters beteten mit. In der großen Familie waren sich alle sehr nahe.
Der kleine Wicek war ein sehr lebhaftes Kind, viel unruhiger als seine beiden älteren Brüder. Jede freie Minute nutzte er zum Spielen. Er war ein neugieriges Kind.
Chelmza liegt an einem See, die Familie besaß dort 3 Ruderboote. Selbstverständlich war Wicek, wie seine Brüder, Mitglieder im örtlichen Ruderverein. Im Winter „… verbrachte er wohl viel Zeit auf dem zugefrorenen See in Chelmza. Er war nämlich ein sehr lebendiger und aktiver Knabe. Er war es eben, der seine älteren Geschwister zu verschiedenen Kinderstreichen und – spielen animierte. Er kam oft verschmutzt, mit zerrissenen Hosen und wunden Knien nach Hause.“[6] Seine Mutter erzählte, dass sie die größten Erziehungsprobleme mit ihm hatte. Seine Schwestern erinnerten sich später „ wie er, noch nicht sechs Jahre alt, auf dem breiten Fenstersims im ersten Stock herumgeturnt ist und die Eltern alle Ängste ausstanden“[7], dass er stürzen könnte. Wicek fiel herab und wurde bewusstlos. Der gerufene Arzt stellte erstaunt fest, dass ihm nichts passiert war, außer einer leichten Wunde am Kopf. Die mit dem Arzt gekommene Krankenschwester behandelte die Wunde und sagte zu ihm: „Du Rotznase! Immer hast du Glück!“(Nach Erinnerungen seiner Schwester Marcjanna).
Schon mit 9 Jahren[8] wurde Wicek Ministrant. Fast täglich diente er treu und eifrig am Altar[9]. Die Mutter erzählte, er fehlte nie bei der hl. Messe.
In den Jahren 1919 bis 1923 besuchte der kleine Frelichowski die Grundschule in Chelmza. In diese Zeit fällt auch seine Erstkommunion 1922. Wicek war ein pflichtbewusstes Kind. Er betete gerne, auch den Rosenkranz, oft auch in der stillen Kirche. Einmal ist er dabei eingeschlafen und wurde versehentlich eingesperrt. Erst nach langem Klopfen wurde er gefunden und befreit.[10]
Von 1923 bis zum Abitur 1931 besuchte er das humanistische Knabengymnasium in Chelmza.
Diese Schulzeit prägte ihn fürs Leben. In dieser Schule arbeiteten mehrere Jugendorganisationen, darunter die Marianische Kongregation, in die er am 26.05.1927 aufgenommen wurde. Er war sehr aktiv und wurde schließlich zum Vorsitzenden der Sodalen in seiner Schule gewählt. Er konnte der Gruppe ein Zusammengehörigkeitsgefühl geben[11]. In seinem Tagebuch erfahren wir auch, warum er sich entschlossen hatte, der Marianischen Kongregation beizutreten. Er hatte beschlossen sich zu ändern und seine Schwächen zu bekämpfen.[12] Welch reife Entscheidung für einen 14-Jährigen.
Auch dem päpstlichen Missionswerk vom Kinde Jesu trat er im Alter von 12 Jahren bei. Die Liebe zur Mission wuchs von da an in ihm und prägte sein weiteres Leben.
Am 21.03.1927 wurde er im Alter von 14 Jahren Pfadfinder[13]. Sein Pfadfinderversprechen als Mitglied des 2. Pommerischen Pfadfinderstammes legte er am 26.06.1927 ab. Das sollte sein Leben verändern. Unter diesem Einfluss begann er, hart an sich und seinem Charakter zu arbeiten und veränderte sich stark. Er lernte dort, für andere da zu sein und ihnen zu dienen.[14] Pfadfindertum und Religion waren die beiden Säulen seiner Jugend. Entsprechend den Idealen der Pfadfinder stellte Wicek hohe Ansprüche an sich selbst: er wollte gegenüber Gott und dem Vaterland seine Pflichten erfüllen, pflichtbewusst und rechtschaffen leben.Entsprechend einem geschulten Gewissen wollte er uneigennützig anderen dienen.[15] Im Tagebuch erkennen wir seine Sorge und sein Verantwortungsgefühl für andere Jugendliche. Verantwortungsbewusst und gerecht, so wollte er sein.
Pfadfinderkameraden kamen auch oft zu seiner Familie nach Hause.
Schnell erklomm er die Stufen der Pfadfinder. Frelichowski ließ sich gerne zum Engagement begeistern und übernahm auch Leitungsfunktionen. Er leitete Gruppentreffen mit Musik und hielt dort selbst Vorträge, erzählte Sagen und leitete den Gesang bei den Pfadfinderabenden. Auch im Priesterseminar später endete sein Engagement nicht. Er war dort Mitglied des Kreises der alten Pfadfinder (1933-1936) und führte auch diese Gruppe.[16] Im Sommer 1935 organisierte Frelichowski eine Fahrt in das Sommerlager der Pfadfinder in Spale für seine Mitseminaristen, alte Pfadfinder.[17] Im Jahr 1935 wurde er sogar zum Pfadfinder der Nation ernannt.
Zu Weihnachten 1929 schenkte die Mutter dem 16-Jährigen ein Tagebuch. Fortan schrieb er viel darin. Wir können einiges dort erfahren über die Ereignisse, Gefühle und Kämpfe des jungen Mannes. Am 28.12.1929 schrieb er: „Endlich ist mein Wunsch erfüllt, am Christabend habe ich von meinen lieben Eltern dieses Tagebuch bekommen. Wie war ich von diesem Geschenk beeindruckt. Ich konnte überhaupt nicht meine Rührung begreifen. … Obwohl der Weihnachtsmann nicht reich war, weil die Geschäfte nicht so gut gehen, war trotzdem zwischen uns eine sehr nette brüderliche Atmosphäre.“[18]
Im Tagebuch vom 16.01.1930 lesen wir folgenden Eintrag, der uns tiefer in seine Gedanken hinein sehen lässt: „Meine Tage sind jetzt ganz mit Arbeit überlastetund dazu noch diese Ämter! In der Marianischen Kongregation bin ich als Kandidat für den Posten des Präses aufgestellt, und in der Pfadfinderschaft soll ich Gruppenführer sein. Was tun? Ich werde auf die Ergebnisse warten. Ich fühle, dass ich die Kongregation gut führen kann, aber bei der Pfadfindergruppe hier habe ich etwas Bedenken.
Ich fühle, dass das Pfadfindertum sehr ideale Gesetzte und Ideen hat. Um sie zu führen und zu erfüllen, muss man diese erst gut beherrschen, … aber ich weiß nicht wann ich sie besitzen werde. … Die gegenwärtige Arbeit in der Gruppe ist das erste Jahr. Wenn es so weitergeht, besteht Hoffnung, dass die Mannschaft eine wirkliche wahre Pfadfinderschaft wird, die ihre Aufgabe in jeder Hinsicht im Pfadfindertum und Vaterland erfüllt. … Ich selbst glaube sehr stark, dass der Staat, indem alle Bürger Pfadfinder wären, der mächtigste Staat von allen wird. Denn das Pfadfindertum und besonders das Polnische, hat die Mittel und die Hilfe, sodass jemand der durch diese Schule gegangen ist, der Typ Mensch ist, den wir heute brauchen. Aber das Erstaunlichste und die beste Idee des Pfadfindertums ist: die Erziehung der Jugend durch die Jugend. Und ich will, solange ich es nur kann – Gott gebe, dass es immer so wäre – ein Pfadfinder sein und immer dafür arbeiten.“[19],[20], [21]
Am 04.03.1930, Wicek war 17 Jahre alt, starb unerwartet sein 20 jähriger Bruder Czeslaw, Jurastudent in Poznan. Er war begeisterter Ruderer. Beim Tragen eines Bootes zog er sich eine schmerzhafte Bauchfellentzündung zu. Eine Operation am Blinddarm misslang. Aus Wiceks Tagebucheintragungen können wir erahnen, wie die ganze Familie in Sorge war. „Ich bin an diesem Tag zu den heiligen Sakramenten gegangen und habe Jesus ein Gelübde gemacht, dass ich, wenn Czech gesund würde, auf nichts Rücksicht nehmen würde, sondern Priester werden würde. Gott hat anscheinend unsere Gebete erhört. Am Freitag wurde das Herz stark, und er hat nur wenig Fieber. …“[22] Jedoch nur vorrübergehend. Wenige Tage später verschlechterte sich der Zustand des Bruders. Er verabschiedete sich von den Familienangehörigen mit den Worten „Bleibt mit Gott!“[23]
Stefan Wincenty Frelichowski trauerte sehr. Dieses Ereignis wurde zum Wendepunkt in seinem kurzen Leben. Der Gedanke Priester zu werden ließ ihn nicht mehr los, obwohl sein Bruder gestorben war und er nicht an das Gelübde gebunden war. Als er seine Gedanken mit der Mutter besprach, ermutigte sie ihn, diese wichtige Lebensentscheidung nicht unter dem Einfluss der Emotionen zu treffen, sondern über seinen weiteren Lebensweg nach reiflicher persönlicher Überlegung und tiefem Gebet zu entscheiden. „Man sieht daran, wie klug Marta Frelichowski war, und welch großen Einfluss sie auf Wicek hatte.“[24]
Einige Monate nach dem Tod des Bruders schrieb Wicek am 16.10.1930 in sein Tagebuch: „Ob ich weiß, wie mein Leben sein wird? Mein Gott, das ist schon fast ein Leben von 18 Jahren. Wie das sein wird? So, das hängt von Gott und von meinem Willen ab, vom Charakter. Ich muss in mir einen starken Charakter bauen, einen unbeugsamen Willen. Ich werde hartnäckig sein, so hartnäckig, wie es die Heiligen waren. Ich muss nach einem Stückchen Heiligkeit streben, ein guter Christ sein.“[25]
Kurz vor dem Abitur wusste er schon etwas mehr, am 15.02.31 notierte er: „Die Zeit des Abiturs kommt bald. Ich will es ablegen… Aber was dann? Was soll ich dann machen, was soll ich werden?… Meine inneren Überzeugungen, Wünsche und die Wünsche meiner Eltern und Verwandten wie ich glaube, alles das spricht dafür, dass ich Priester werde. Und ich selbst fühle es in mir. In diesem Beruf werde ich glücklich. Ich will Führer meines Volkes sein. Ich will ihm die göttliche Wahrheit verkünden und es die göttliche Liebe lehren.[26] … Ich möchte als Priester in der Lage sein zu beten, Gott nahe zu sein. Von einem Priester werden viele Opfer gefordert um das Besondere zu erhalten: das Heilige Opfer darzubringen, Jesus in den Händen halten zu dürfen…. Diesen Dienst für Gott zu erfüllen, ist mein größter Wunsch, ein Traum seit meiner Kindheit! Und jetzt stehe ich an der Schwelle der Schulzeit… und frage mich,ob ich in der Lage bin, diesen Ruf Gottes, diese Stimme Gottes die meine Seele ruft, zu beantworten. Oder soll ich einen anderen Beruf wählen? Vielleicht wäre ich in einem anderen Beruf nützlicher, könnte ihn besser erfüllen?“[27]
Nach dem Abitur hatte er endlich Klarheit gefunden und schrieb die beeindruckenden Worte: „Und wenn es um die unsterbliche Seele gehen wird, ob meine eigene oder jemandes anderen, dann soll es nie Anstrengungen und Bemühungen genug sein…Wie gerne will ich… nur Gott dienen. Ich will Gott ein reines und heiliges und großes Opfer geben. Ich will ein großer Priester werden, mit einem Herzen, das bereit ist zu Opfern. Meine Arbeit soll immer gute Frucht bringen und für alle Menschen von Nutzen sein. Jetzt werde ich so arbeiten, dass ich am Ende sagen kann: Ich habe so viel getan, wie ich nur konnte.“[28]
Seminarist: 1931 legte Wicek das Abitur mit gutem Erfolg ab[29] und trat nach kurzem Kampf im Herbst 1931 ins Priesterseminar seiner Heimatdiözese Chelmno in Pelplin ein, nachdem er in Exerzitien bei der schwarzen Madonna in Tschenstochau seine Entscheidung nochmal bestätigt fand.[30] Es war für ihn nicht leicht, alles zu verlassen. Die Entscheidung war nach tiefem Nachdenken und Gebet getroffen worden. Sein Entschluss wurde „kurzfristig, soldatisch und unwiderruflich gefasst“[31].
Diese Entscheidung bedeutete auch, auf das geliebte Mädchen, das er heiraten wollte, zu verzichten. Eigentlich hatte er geplant Arzt (Chirurg) und Vater einer kinderreichen Familie zu werden.[32] Die ganzen Jahre im Seminar hatte er noch weitere innere Kämpfe um die Berufung zum Priester. Das Tagebuch ist Zeuge von seinem Ringen und Zweifeln. Er musste sich immer wieder neu für seine Berufung entscheiden.
Im Jahr 1934 scheinen Frelichowskis Zweifel an seiner Berufung zum Priester einen Höhepunkt erreicht zu haben. Er überlegte, eine Auszeit zu nehmen und an der Universität Warschau Geschichte zu studieren. Er war fest dazu entschlossen. Am Ende des 3. Kurses im Seminar war ein Pastoralpraktikum vorgeschrieben. Er entschied sich, trotz der Zweifel das Praktikum anzutreten. Er leistete es bei einem befreundeten Priester Piotr Sosnowski in Byslaw bei Tuchola. Es wird vermutet, dass diese Zeit und der Einfluss dieses Priesters Wiceks Berufung rettete. Sosnowski hatte schon von Kinderbeinen an einen sehr großen positiven Einfluss auf Wicek. Allerdings schrieb Wicek in dieser Zeit nichts in seinem Tagebuch. So können wir seine Entwicklung nur erahnen und deshalb bleibt dies für uns nur eine Vermutung.
Für Piotr Sosnowski läuft derzeit ein Seligsprechungsverfahren. Sein Name ist unter den 112 polnischen Kandidaten im neuen Sammelverfahren von Opfern des zweiten Weltkrieges zu finden. Er wurde schon im Oktober 1939 in einem Wald in Polen erschossen.
Einen weiteren Einfluß hatte wohl auch Wiceks große Freude an der Arbeit mit Kindern, die er während dieses Praktikums erlebte.
Zurück im Priesterseminar schrieb er nach 7-monatiger Pause erstmals wieder in seinem Tagebuch: „Offensichtlich hat Gott meinen Geist aufgeklärt. Offensichtlich sind meine Lebenswege anders. Ich habe jetzt andere Gedanken. Bis zu einem gewissen Grade sind sie jetzt klarer. Ich bin nun anders. Ruhiger.“[33] Doch gegen Ende der gleichen Notiz schreibt er weiter: „Warum will ich Priester werden? …mir steht der Grund nicht klar vor Augen, warum ich Priester werden will.“
Es war offensichtlich nicht Gottes Wille, dass er aus dem Seminar austrat.
Er war ein leidenschaftlicher junger Mann und hatte die ganzen 6 Jahre des Priesterseminars sehr zu kämpfen mit Versuchungen gegen die Keuschheit. Seine Berufung war schwer erkämpft. Von seinem innerlichen Kampf erzählt sein Tagebuch, ebenso wie einige Briefe. Das Tagebuch und die Briefe sind heute ungewöhnlich interessante, intensiv inspirierende und aufschlussreiche Dokumente, die den Weg zur Heiligkeit aufzeigen.
Er fand schließlich die Lösung seiner inneren Konflikte: Er entschied sich, Gott zu lieben und aus Liebe zu ihm seinen großen Wunsch nach eigenen Kindern zurückzustellen und stattdessen ganz für die Kinder anderer da zu sein. Mit ganzer Kraft wollte er Kinder und Jugendliche zu Gott führen. Dieser Wunsch wurde Wirklichkeit. Er wurde ein außergewöhnlich charismatischer und erfolgreicher Jugendseelsorger. Die Erfahrungen seiner eigenen Jugendzeit in der Pfadfinderbewegung qualifizierten ihn dafür besonders. So wurde er Apostel des Familienlebens und Vater sehr vieler Kinder als Seelsorger. Er lehrte gegenseitige Achtung und Liebe, Familien zu verbessern mit dem Ziel: „Die Liebe unter den Menschen ist Spiegelbild der Liebe Gottes. Ich will das vor allem jungen Menschen mit allen Mitteln verkünden, damit sie die wahre Liebe kennen.“[34]
In Erinnerung an seine erste Jugendliebe schreibt er am 1.10.1935: „Ich danke Gott dafür, heute ruht sie am Grund meines Herzens. Von ganzem Herzen will ich dich, nur dich. Ich gebe sie dir als Opfer….“
Eine weitere Ursache seiner Zweifel an seiner Berufung war das Priesterbild seiner Zeit. Er erlebte Priester oft als wenig anziehend. Damals bestand oft eine große Distanz zwischen Priestern und Laien. Die Geistlichen hatten viele Privilegien. So ein Priester wollte Frelichowski nicht werden, dann lieber gar keiner. Von diesen Zweifeln herausgefordert setzte er sich schon früh intensiv mit der Bedeutung, Priester zu sein, auseinander. Seine gewonnenen Einsichten gab er später im KZ an seine Schüler weiter und prägte sie tiefgreifend und dauerhaft.
Der Tagebucheintrag vom 19.06.1935 spricht zu uns von den Kämpfen. Frelichowski selbst benutzt das Wort Depression: „Ich bin nicht so, wie ich sein soll und sein möchte, aber ich habe keine Lust dazu. Heute schreibe ich die Worte in der schwersten Depression des Geistes. Ich will von diesem Zustand erwachen, in dem ich bin. Mich von ihm befreien. Ein Mensch werden und nützlich sein. Meine Kräfte schaffen es nicht. In tiefster Demut knie ich vor Dir, o Gott. Ich spüre all mein Nichts-sein und meine Schwäche. Ich wende mich an Dich, der Du mich leitest. Mein Gott, befreie mich von diesem Zustand, in dem ich heute bin. Ich will ein anderer Mensch sein. Ich will ein wahrer Pfadfinder sein. Mich so im Leben benehmen, wie es mir meine Gedanken und mein Gewissen sagt. Gib mir Deine Gnade. Ich werde mit ihr zusammenarbeiten und möchte mich aus diesem geistigen Verfall auf pfadfinderische Weise erheben. Gib mir das Selbstvertrauen. Aber nicht nur das suggestive Gefühl, sondern ich will in mir einen wahren Wert erarbeiten. Gott, ich gebe mich ganz in Deine Hände. Gib mir, dass ich Schritt für Schritt hinauf gehe. Der heiligen Georg, hilf mir über mich selbst siegen.“, [35], [36]
In der Zeit im Seminar schrieb Frelichowski einige Meditationen über das Lukasevangelium. Darin können wir noch heute seinen Kampf um die Priesterberufung erahnen. Hoffentlich wird es bald dem deutschen Leser zugänglich gemacht.
Nur seine Eltern beobachteten: er ist bedrückt. Sie ahnten seinen schweren Kampf um Berufung und Zölibat. Bewusst drängten die Eltern ihn nicht. Er sollte sich frei entscheiden können für die Treue zu Gott.
Niemand ahnte sonst seine Kämpfe. Trotz dieses inneren Tobens verlor er seine natürliche Fröhlichkeit , die er weiterhin in seiner Umgebung ausstrahlte, nicht. So schrieb er: „Und ich will mich Gott angleichen. Deswegen muss ich immer und für jeden freundlich sein.”(Tagebuch, den 3. Oktober 1936)[37]
Dies beobachteten die anderen Seminaristen. Er wurde als immer fröhlich beschrieben. „Wicek war ein sehr fröhlicher Seminarist. Er gewann Kameraden für sich mit seinem herzlichen Lächeln und mit seiner uneigennützigen Hilfe, mit der er allen half. Im Seminar nannte man ihn Spaßvogel.“[38]
Frelichowski studierte mit großer Sorgfalt und Erfolg. Wieder gehörte er zu den Besten des Jahrgangs. Er lernte fleißig und mit großer Sorgfalt. Er wusste: das Studium ist die Grundlage für den späteren priesterlichen Dienst. Trotzdem war er kein „Streber“. Er liebte Sport und trieb täglich Gymnastik, um sich fit zu halten.[39] Und er wollte gut vorbereitet sein. Im Seminar entdeckte er seine Liebe zu Wissenschaft und Philosophie. Auch einem Liturgiezirkel gehörte er an.
Schon als Theologiestudent engagierte er sich in der Diözesanorganisation der Caritas, in leitender Position einer Gruppe von Seminaristen in den Jahren 1933-1936[40]. Die wenigen freien Tage, an denen Seminaristen Ausgang gewährt wurde, nutzte er zum Besuch alter, einsamer und kranker Menschen, die ihm anvertraut worden waren. Ihnen brachte er Trost, Gesellschaft und Lebensmittel.
Außerdem war er ein aktives Mitglied des Missionsvereins, wie in seiner Schulzeit. Gerne wäre er in die Mission gegangen. Erträumte von einer Missionsreise.[41]
Mit seiner jugendlichen Begeisterung engagierte sich Wicek in der Abstinenzlerbewegung. Er entschied sich 1935, sein Leben lang abstinent zu bleiben, um Alkoholabhängigen damit zu helfen. Den Impuls hatte er in der Runde des katholischen Vereins Junger Männer bekommen.[42] Dieser Entschluss ist umso erstaunlicher, wenn wir erfahren, dass Frelichowski in den Jahren davor rauchte und gerne Wein trank. In seinem Tagebuch notierte er, dass er Wein sehr gerne mochte und ihn auch in großen Mengen trinken würde. Frelichowski hielt sich an den Abstinenzvorsatz ein Leben lang. Er trank nie wieder Alkohol und rauchte keine Zigarette mehr, nicht mal im KZ, wo andere Häftlinge mit Rauchen anfingen, um den Hunger nicht mehr so deutlich spüren zu müssen.[43]
Wicek vernachlässigte bei allen diesen Aktivitäten das Gebet nicht. Oft sah man ihn in der Kapelle beim stillen Gebet.[44]
Frelichowski spürte eine große innere Kraft. Was sollte er damit anfangen? Er fürchtete schon als Seminarist, er könnte sich durch sein Engagement persönlich wichtig machen und etwas gelten wollen. Dagegen wollte er ankämpfen. Deshalb war er stets bemüht, demütig zu bleiben und selber nicht im Mittelpunkt zu stehen, vielmehr bewusst im Hintergrund zu bleiben. Dies behielt er sein weiteres Leben bei.
Tagebuchaufzeichnungen aus der Zeit des Priesterseminars:
„Ich möchte den Glauben des Hl. Petrus haben, die Weisheit des Hl. Paulus, aber das Herz des Hl. Johannes. Ein reines und unschuldiges Herz. Ich muss ein Priester, nach dem Herzen Christi werden.“[45]
„Ich will ein richtiger Pfadfinder sein. Mich im Leben führen, wie es mir meine Gedanken und das Gewissen befehlen.“ 19.06.1935
“Indem ich mit ganzer Demut mein Unvermögen anerkenne, bitte ich Dich Heiliger Geist wie der junge Mann, dass mein weiteres Leben, sei es noch so kurz, ebenso ist. Gib mir keinen Reichtum, sondern nur deine Gnade. Gib mir Kreuze und Leiden, aber gib mir auch Glauben und Liebe. Bitte tu das Wunder in mir. Gib meinem Herzen und meinem Mund eine Liebe wie Feuer und einen klaren, mutigen Glauben.“[46]
Auf das Verständnis des Wortes „ich will“ verweist auch ein anderes Tagebuchfragment: „Es ist kein Platz für „ich möchte“, sondern „ich will“. Das zweite ist schwieriger zu sagen, denn es beinhaltet in sich bereits das Vollbringen dessen, was man will. Deswegen spricht man das Wort nicht in einer Menschenmenge, nicht exaltiert aus. In diesem Falle bedeutet es nur „ich möchte“. Das Wort „ich will“ muss am abgeschiedenen Ort ausgesprochen werden“ 3. 10.1932[47]
„Gott, hilf mir und lass mich in den Himmel kommen, gib mir einen guten Tod und lass mich im Sterben mit dir versöhnt sein. Mein Gott, ich wünsche so sehr dich zu lieben, ich wünsche so sehr dein zu sein, ich wünsche so sehr dein Heiliger zu sein, weil ich dir nahe sein will, dich kennen lernen will, mein Gott.“[48]
„Herr schenke mir die Gnade, deinen Willen rasch zu verstehen, um klar zu erkennen, ob ich berufen bin. Gib mir die Gnade, um die ich seit Jahren bete. Lass mich eine klare Entscheidung für mein Leben treffen. Gib mir einen klaren Verstand. … Dein Reich komme. Ehre sei dir, lass das mein lebendiges Ideal sein, das Ziel meiner Arbeit…Gib mir die Gnade, ein Priester zu werden. Rufe mich dazu. Nimm all meinen Willen und ziehe mich zu dir. Herr ich öffne mein Herz für deine Gnade. Immer und in jedem Augenblick. Ich erwarte dich, Herr, und gebe mich deinem Willen völlig hin. Ruf mich in deinen Weinberg als Arbeiter.“, [49] 17.5.1935
Er erkennt den Willen Gottes, die göttliche Vorsehung, in den Vorgesetzten: „also werde ich Vorgesetzte nicht kritisieren, oder ihre Vorschriften, weil sie dein heiliger Wille sind. Ihre gewissenhafte Einhaltung ist eine reiche Quelle der Heiligung.“[50]
Die Semesterferien gaben ihm Zeit für Pfadfinderlager. Er organisierte für ältere Pfadfinder selbst ein Treffen. Er war auch ein aktives Mitglied des Klerikerpfadfinderkreises und in den Jahren 1933 bis 1936 sogar der Vorsitzende.
Er stellte hohe Ansprüche an sich. Rechtschaffenheit der Gedanken und des Gewissens, Echtheit des Handelns, uneigennützige Einstellung im Sinn des Dienstes für Andere.[51] Er bleib das ganze Leben lang dem Pfadfindergrundsätzen treu. Pflichterfüllung und Nächstenliebe prägten ihn.
Die Zeit als Seminarist schloss mit den niederen Weihen ab. Frelichowski empfing am 05.04.1936 nach Exerzitien die Subdiakonweihe [52] und am 26.04.1936 die Diakonweihe.
Schon als Diakon wurde Wicek zum persönlichen Sekretär des Bischofs St. W. Okoniewski ernannt. Dies bedeutete für einen Seminaristen eine große Auszeichnung. Es hätte genug Priester für dieses Amt gegeben. Seminarprofessoren hatten ihn vorgeschlagen, weil er einer der besten Seminaristen war.
Die Krönung Wiceks Weges zum Priesterturm waren die Priesterweihe 14.03.1937 im Pelpliner Dom. Durch die Hände Bischofs Stanislaw Wojciech Okoniewski empfing er dieses Sakrament, das ihm so viel bedeutete. Er kannte den Bischof sehr gut durch seinen Dienst als dessen Sekretär. Stefan Wincenty Frelichowski wirkte als Priester nicht einmal 3 Jahre in Freiheit. In Gefangenschaft 5 Jahre und 4 Monate. Insgesamt war er nur knapp 8 Jahre Priester, davon 2/3 in KZ…
Das große Fest der Primiz feierte die Großfamilie und die ganze Stadt am 15.03.1937 in der Dreifaltigkeitskirche in Chelmza. Als Primizspruch wählte er geradezu prophetisch: „Durch das Kreuz des Leidens und des grauen Alltags – mit Christus zur Auferstehung.“[53]
Der Priester
Frelichowski hatte sich viele Gedanken über das Priestertum gemacht. Jetzt lebte er danach. Er wollte radikal das Evangelium verwirklichen. Ein „alter Christus“ (lat. anderer Christus) wollte er sein. Ihm ähnlich werden. „… es ist Christus selbst, den ich ersetzte. So habe ich wie Christus zu sein. Die Wahrheit sein, der Weg und das Leben sein.“
Wicek wusste, dass Priester sein, Aufopferung, Hingabe und sich selbst zur Opfergabe machen erfordert. Christus folgen bedeutete auch Jesu Leidensweg gehen. Schon der Seminarist schrieb: „Ich bin überzeugt, dass das bisherigen Mühen nichts bedeuten, dass das wahre Leiden erst kommen wird. Wenn der Meister gelitten hat, kann der Diener auch nicht leiden? Ich weiß nicht, wie mein Leiden sein wird, aber ich weiß, dass es kommt. Dir o Herr, gebe ich es jetzt als Opfer und für Dich will ich leiden, um meine Aufgabe auf Erden zu erfüllen.“[54]
„Ein Priester soll Seelen gewinnen, sie an sich heranziehen, für Christus gewinnen, er soll auf die Suche nach den Seelen gehen, sie in Winkeln der Straßen und Souterrains suchen, in den Salons und Palästen, in den Häusern der Bürgern und Bauern, er soll sie suchen und zum Herrn führen.“[55]
Eine Flucht vor dem Leben, das wollte er nie. Er liebte das Leben und die Freude. Er wollte immer froh sein und betete sogar um Freude! „Ein trauriger, niedergeschlagener Priester zeigt, dass er entweder seine Berufung nicht versteht, oder sich auf einem Irrweg befindet.“[56]
Die Quelle dieser seiner Freude war Christus, die Gnade des Priestercharismas. Er wollte allen Egoismus ablegen, um in der Vereinigung mit Gott zu leben. Dieser Freude blieb er bis an sein Lebensende treu. Selbst in Augenblicken des größten Leidens, als Häftling im Vernichtungslager Dachau schrieb er ein Gedicht unter dem kennzeichnenden Titel: „Ich bin froh, o Herr!“[57]
Nach der Priesterweihe blieb er zunächst weiterhin im Amt des persönlichen Sekretärs und Kaplans des Bischofs St. W. Okoniewski. Zu seinen Aufgaben gehörte das Organisieren von vielen Reisen und Gottesdiensten. Ihm lag diese Aufgabe nicht. Ihn zog es in eine Pfarrei, um dort seelsorglich mit den Menschen arbeiten zu können. Er wollte gerne mit Jugendlichen arbeiten.[58] Aber er ahnte schon vor der Weihe, dass er auch noch nach der Weihe beim Bischof würde bleiben müssen. In Geist des Gehorsams nahm er diese Entscheidung an und bemühte sich dem Bischof , der einen schwierigen Charakter hatte, sehr gut zu dienen. Nach einiger Zeit wurde er, auf seine Bitte hin, als Belohnung in eine Pfarrei versetzt, zuerst für ein paar Monate in eine kleine Pfarrei in Wejherowo (1.1.1938-28.4.1938), um dort als Aushilfe tätig zu sein. Im Mai 1938 fuhr dann Wicek als Sekretär mit seinem Bischof zum Eucharistischen Kongress nach Ungarn. Danach erhielt er zum 01.07.1938 die erbetene Stelle als Kaplan, diesmal in einer großen Pfarrei in Torun. Dort blieb er bis zu seine Verhaftung. Es waren nur 15 ein-halb Monate.
Kaplan der Mariengemeinde in Torun.
Hier als Kaplan wirken zu können war eine Auszeichnung. St. Marien war eine der größten Pfarreien der Diözese. Schnell gewann Frelichowski die Wertschätzung, das Vertrauen und die Herzen der Menschen, er wurde als der beste Kaplan in Torun gelobt.[59]
In der kurzen Zeit in dieser Pfarrei konnte Frelichowski beeindruckend wirken. Persönlich führte er ein Leben in Einfachheit. Sein Engagement war beachtlich. Als vorbildlicher Priester und beliebter Prediger konnte er die Menschen erreichen. Er war sehr beliebt als Seelsorger und ein charismatischer Priester. Besonders Kinder und Jugendliche, aber auch alte und kranke Menschen liebten ihn. Diese beiden Gruppen waren die Schwerpunkte seiner Seelsorgearbeit. Eine Sorge um das spirituelle Leben galt allen in der Pfarrei.[60] Er war allen ein Freund. Menschen klammerten sich einfach an Frelichowski, weil er jeden richtig behandeln konnte.
Der damalige Pfarrer schrieb über ihn: „Sein Blick hatte etwas Anderes, überdurchschnittliches. Wenn er während eines sogar völlig alltäglichen und ungezwungenen Gesprächs mich mit seinen hellen Augen anblickte, hatte ich immer den Eindruck gehabt, als ob er weit außerhalb mir schaue, trotz ganzer Konzentration auf das Thema des Gesprächs. Er besaß eine fröhliche Wesensart, in Gespräch war er aufrichtig und heiter, hatte aber eine zartfühlende und dezente Art sich auszudrücken und zu urteilen. Als ein begeisterter Pfadfinder hatte er den schönen, freundlichen Umgang mit der Umwelt, der sich in der Hilfsbereitschaft ausdrückte… Während dieser ganzen 16-monatigen Zeit unserer gemeinsamen Arbeit habe ich niemals bemerkt, dass er unbeschäftigt gewesen wäre oder irgendein träges Sich-Erholen treibe. Bei der Arbeit war er vorbildlich gewissenhaft und eifrig, aber nie ungeduldig und er rechtfertigte sich nie, wenn man ihn von einer Beschäftigung abberufen hat um was anderes tun aufzutragen. … Für jeden und zu jeder Zeit hatte Wicek ein nettes Wort.“[61]
Kinder- und Jugendseelsorger: Besonders gerne war er bei Kindern. Seine Erfahrung aus der Pfadfinderarbeit bereicherte seine Kinderpastoral und Jugendarbeit. Jugendliche schlossen Freundschaft mit ihm. Er war ein sehr guter und erfolgreicher Pädagoge. Bei der Sakramentenvorbereitung konnte er Wichtiges gut vermitteln. Er wirkte verantwortungsvoll und sympathisch.
Er führte zum Fest der Erstkommunion gleiche Kleidung für alle Kinder ein,[62] um ärmere Kinder nicht zu beschämen. Er konnte Frauen aus der Pfarrei gewinnen, die diese Kleidung für alle Kinder nähten.
Gleich nach der heiligen Messe zog der Kaplan sich um und trug Sportkleidung, um nach der Messe mit den Ministranten Fußball spielen, oder einen Fahrradausflug machen zu können. Für den Sonntagnachmittag organisierte er Ausflüge mit den Kindern: Ballspiele, Fahrradtouren, sogar einen Ausflug in den Tierpark. „Er war ein Priester in ihrer Nähe, nicht nur am Altar.“[63] Die Jugendlichen wünschten sich: „Solche Priester sollte es mehr geben.“
Er hörte oft Beichte, auch bei Kindern war er als Beichtvater sehr beliebt. Als Buße gab er, ganz ungewöhnlich, gute Taten auf.
Seelsorge bei kranken und Sterbenden: Diese Menschen konnten sich der besonderen Zuwendung ihres Kaplans sicher sein. Er hatte eine besondere Gabe, bei ihnen zu wirken. Er besuchte Kranke häufig zu Hause. Deshalb war er sehr viel in der Pfarrei unterwegs. Die Kranken verlangten ausdrücklich nach ihm, so dass er Sterbende und Kranken auch besuchte, wenn andere Kapläne zu diesem Dienst eingeteilt waren und er selber eigentlich Freizeit haben und sich erholen sollte. Frelichowski konnte ihnen auf seltsame Weise inneren Frieden bringen, vor allem denjenigen, die auf dem Sterbebett waren.[64] Bei den Beerdigungen fand er Worte des Trostes, die alle berührten.
Caritas: Nicht nur Kranke, auch bedürftige Menschen besuchte Kaplan Frelichowski. Die Pfarrei in Torun war eine reiche Pfarrei. Doch auch hier lebten Arme. Diese besuchte er häufig und gerne in ihren billigen und armen Kellerwohnungen zuhause.
Gebet: Er betete fortwährend, denn sein Dienst für Gott und sein Gebet war Dienst für die Menschen. Sein Pfarrer sah ihn sehr oft abends in geschlossener Kirche kniend mit Brevier vor dem Tabernakel beten.
Er fühlte sich immer zutiefst mit Gott verbunden, in jeder Aktivität. Trotz seines enormen Engagements drohte ihm nie ein Verfallen in leeren Aktivismus. Seine vielfältigen Aktivitäten hatten seine innerliche Fülle zur Quelle. Sein außergewöhnliches Engagement und alles, was er tat, waren verwurzelt in einem Entschluss, den wir in seinem Tagebuch am 11.08.1931 niedergeschrieben finden. Nach seinem Abitur, aber noch vor dem Eintritt ins Priesterseminar, stellte er nämlich fest, dass er zu viel Zeit im bisherigen Leben vergeudet hatte und nicht mit voller Kraft und vollem Engagement allen seinen Pflichten nachgegangen war und hat sich entschlossen „künftig in jede Arbeit, ob geistige, ob körperliche, so viel wie nur möglich Anstrengung zu investieren, ohne Rücksicht auf das Kräftesparen für was anderes.“ Und dieser Entscheidung, die er mit 18 Jahren traf, blieb er offensichtlich sein ganzes Leben treu.
Moderner Liturgie: Als junger, begeisterter Priester war er seiner Zeit voraus. Er zelebrierte die heilige Messe mit einem überraschenden Eifer. Er war nur 16 Monate Kaplan in dieser Pfarrei. Doch die kurze Zeit reichte aus, um Neuerungen in der Liturgie einzuführen. Heute noch lebende Kinder jener Zeit erinnern sich an Frelichowski. Seine größte Sorge war, dass alle die an der Liturgie teilnahmen, sie auch verstehen und tief mitfeiern konnten. Wicek gestaltete allerlei Bildchen, oft mit selbst gemalten Motiven und mit entsprechenden Texten, die er an Gläubige, besonders an Kinder verteilte, um ihnen ein besseres Verständnis der Liturgie zu ermöglichen. Schon vor dem 2. Vatikanischen Konzil, als die Liturgie noch ganz in lateinischer Sprache gefeiert wurde, übersetzte und erklärte er Kindern die Liturgie in polnischer Sprache, damit sie den Handlungen am Altar während der heiligen Messe gut folgen konnten. Von der Kanzel erklärte er den Kindern die Bedeutung jeder einzelner Handlung der lateinischen Liturgie während ein anderer Kaplan heilige Messe las. Dies war in seiner Zeit ganz neu und nahezu revolutionär.
In seinen Predigten sprach Kaplan Frelichowski über seine eigene Glaubenserfahrung. Er sprach mit einfachen Worten über selbstverständliche und alltägliche Dinge, bezog diese aber überzeugend auf Gott. Die Leute kamen aus der ganzen Stadt, um seine Predigten zu hören. Während er sprach, blieben die Beichtstühle in der Kirche leer. Keiner wollte Frelichowskis Predigt verpassen.
Die Mission war ihm wichtig[65]. Er träumte davon, nach 5 Jahren Kaplanszeit als Missionar ins Ausland zu reisen, um Aussätzigen zu dienen. Einstweilen engagierte er sich als Vorsitzender des Missionsvereins und betreute die Kindergruppe des Missionsvereins[66].
Medienarbeit: auch das gedruckte Wort war Stefan Wincenty Frelichowski wichtig. Er veröffentlichte 1939 36 Artikel in der kirchlichen Wochenzeitung. Er schrieb Beiträge für Geistliche und warb für den geistlichen und pastoralen Austausch junger Priester untereinander. Sein Pfarrer sagte über ihn, dass Kaplan Frelichowski ein Freund aller Kapläne in der Stadt sei. Auch das Pfarrblatt gehörte zu seinen Aufgaben. In den Leitartikeln konnte er seine theologische und menschliche Bildung zeigen.[67], [68]
Kaplan Frelichowski hatte vor, ab Herbst 1939 an der Universität Lwow (Lemberg) Theologiefortbildung zu machen. Doch diese Pläne durchkreuzte der Beginn des Krieges.
Auch als Kaplan blieb er seiner Entscheidung, lebenslang Pfadfinder zu bleiben, treu. AlsKaplan des pommerschen Pfadfinderverband und Redakteur einer christlichen Jugendzeitschrift für Pfadfinder „Der Ruf“[69] engagierte er sich. Er betreute in Torun auch eine Gruppe erwachsener Altpfadfinder. Er organisierte weiterhin Zeltlager und Fahrten für Pfadfinder. Glücklich war er über die Begeisterung der jungen Männer. Die viele Arbeit war nicht um sonst, sondern brachte Frucht. „Messe deine Kräfte nach deinen Vorhaben.“ [70]
In seinem letzter Eintrag vom 15.03.1939 finden wir folgende Worte: „Heute ist der zweite Jahrestag meiner Primiz. Ich danke Dir, o Herr, dafür was ich während dieser zwei Jahre erlebt habe. Selbst für Fehler und Abweichungen von Deinem Willen danke ich Dir. Ich kehre nun, o Herr um zu Dir, um Dir wirklich zu dienen. Ich habe mir vielleicht die Flügel etwas angebrannt, doch, o Herr, ich knie in tiefer Demut vor Dir und bitte Dich: lass mich mein Leben aufrichtig führen und nie zu einem Lebensschauspieler[71] werden. Gib mir den Mut zu einem Leben nach deinen Weisungen. Ich knie tiefer, als sonst. Du bist mein Herr. Und bist mir zu Vater geworden. Herr, ich gebe dir mein Leben. Ich kann nicht meine jetzige Gedanken ausdrücken. Lass die Momenten meiner Lebensunentschlossenheit und meines Weggehens von dir nun zu meiner Kraft werden. O Gott! Ich will wirklich ein Priester werden.“[72]
Da sind die letzten Worte im Tagebuch: „Ich will wirklich ein Priester werden“.[73]
Bischof Suski interpretiert das so, Frelichowski wollte wirklich ein Heiliger sein und mit dieser Haltung ging er in die Gefangenschaft.[74]
Gefangenschaft: Im Sommer 1939 ahnte und erwartete die polnische Bevölkerung den nahenden Krieg. Es wurden Vorbereitungen zum Schutz der Bevölkerung getroffen. Die Pfadfinder der Stadt halfen natürlich kräftig mit und Kaplan Frelichowski war dabei.[75]
Am 01.09.1939 marschierte die deutsche Wehrmacht in Polen ein. Wicek kam an diesem Tag nach Hause. Es war ein Herz-Jesu-Freitag, der in der Familie immer besonders begangen wurde. Alle waren morgens in der heiligen Messe und bei der Beichte gewesen. Die ganze Familie betet anschließend vor dem Herz-Jesu-Bild[76]. Es wurden schwere Jahre für Polen.
Die Stadt Torun wurde am 7.09.1939 von deutschen Truppen besetzt. Sie zögerten nicht ihre Ziele durch zu setzten. Deshalb wurden schon am 11.09.1939 alle Priester durch die Gestapo verhaftet, auch Frelichowski zusammen mit den 4 anderen Priestern seiner Pfarrei. Nach einer Nacht im Gefängnis wurden die Priester wieder entlassen. Nur Kaplan Frelichowski wurde noch festgehalten. Seine Aktivitäten bei den Pfadfindern waren der Gestapo schon bekannt. Er war „gefährlich“. Schließlich wurde auch er freigelassen. (Am folgenden[77], dem übernächsten Tag,[78] oder laut einer anderen Quelle nach ein paar Tagen[79])
Voll Sorge suchte die Familie in dieser Zeit seinen Wohnungsschlüssel und fand diesen schließlich bei Wicek, der bezeichnender Weise im Beichtstuhl saß.[80]
Nach der Entlassung aus dem Gefängnis blieb Frelichowski tapfer weiter in seiner Wohnung und erfüllte seine Pflichten als Seelsorger und Pfadfinder.[81] Gläubige hatten ihn vor weiteren Verhaftungen gewarnt und zur Flucht zu drängen versucht. Er jedoch gab nicht nach und wollte auf seinem Posten bleiben, anders als die anderen Leiter der Pfadfinder der Stadt, die alle geflohen waren. Er lebte in diesen Tagen in einem großen inneren Frieden und half den Flüchtlingen, die nach Torun gekommen waren. Am 18.10.1939 wurde Frelichowski schließlich wieder verhaftet, zusammen mit 700 anderen Bürgern aus Torun. Er sollte nicht mehr frei kommen. Frelichowski war 26 Jahre alt, 5 ½ Jahre Haft und der Tod im KZ Dachau warteten auf ihn. Er ließ sich jedoch nicht entmutigen.
Zuerst wurde Frelichowski, noch in Torun, im Gefängnis Fort VII festgehalten. Diese alte preußische Festungsanlage glich schon damals einem KZ. Dort wurden die katholischen Priester körperlich und seelisch gequält. Sie mussten anstrengende und „schwierige gymnastische Übungen machen“[82]. Damit könnte Strafexerzieren gemeint sein. Erbärmliche hygienische Bedingungen herrschten an diesem Ort. Wicek besorgte irgendwie die nötigen Utensilien und organisierte eine „Friseurwerkstatt“ für die älteren Priester. Damit half er ihnen, die persönliche Hygiene und damit Selbstwertgefühl und Selbstachtung aufrecht zu erhalten. Als Zubehör zum Rasieren fehlte, organisierte er Rasierzeug, damit sich die Kameraden weiterhin wie gepflegte Menschen fühlen konnten.
Endlose Verhöre und Misshandlungen mussten sie über sich ergehen lassen. Zusätzlich quälte die Ungewissheit über die Zukunft. Frelichowski bewahrte in dieser Zeit der Prüfung eine würdevolle Haltung. Er pflegte respektvollen Umgang mit den älteren Priesterkameraden und mit den jüngeren Freundschaft.[83]
Schon zu Beginn der Gefangenschaft entschied er sich, seine Berufung als Priester auch hier zu leben. Jetzt wollte er für die Mitgefangenen da sein. Er half ihnen die Hoffnung nicht zu verlieren. Schon in dem ersten Tag im Gefängnis, wie auch später, half er überall wo er nur konnte. Frelichowski übernahm freiwillig verschiedene Dienste im Gefängnis, um eine größere Bewegungsfreiheit zu bekommen und so den Kameraden besser beistehen zu können. Er ermutigte die Kameraden und half ihnen ein geistliches Leben zu führen.[84] Er stärkte ihren Glauben und ihr Vertrauen in Gott. Er wirkte so den Bestrebungen entgegen, die Häftlinge innerlich zu brechen. Er riskierte sein Leben, um mit den Kameraden Abendgebete und Rosenkranz zu beten. Seine religiöse Haltung war allen ein Vorbild. Jeden Sonntag organisierte er eine „trockene“ hl. Messe. Die Priester beteten die Meßtexte und luden Kameraden im Laienstand dazu ein, sich mit der Messe in ihren Heimatpfarreien geistig zu vereinen. Frelichowski organisierte heimliche Beichten und Vorträge über religiöse, soziale und historische Themen. Wie der gute Samariter kümmerte er sich um kranke, misshandelte und schwache Kameraden. Traurigen und Niedergeschlagenen begegnete er mit großer Zuneigung und suchte sie. So öffnete er auch verschlossene Herzen.[85]
Stets ermunterte er Mitgefangene zu Vertrauen in Gott und in die göttliche Vorsehung.
Ein neuer Schrecken erfasste die Gefangenen: Häftlinge wurden zu angeblichen Verhören weggebracht, in Wirklichkeit aber im Wald erschossen. Als dies bekannt wurde, konnte Kaplan Frelichowski viele durch illegale Beichte auf den Tod vorbereiten.
Den Familien wurde es erlaubt, den Gefangenen Pakete mit frischer Wäsche ins Gefängnis zu bringen. Sie durften ihre Angehörigen nicht sprechen, sahen sie aber von weitem. Wicek nutzte die Gelegenheit und rief seiner kleinen Schwester zu: „Und du, Marylka, sei Freude für die Eltern!“ Dies waren seine letzten Worte für die Familie. Danach wussten die Familienangehörigen lange seinen Aufenthaltsort nicht. Erst aus dem KZ Sachsenhausen erreichte sie wieder ein Lebenszeichen.
Im Januar 1940 wurde Frelichowski in das Durchgangslager Nowy Port, Neufahrwasser, bei Danzig gebracht. Einen Monat lang wurde er dort bei Aufräumarbeiten zur Beseitigung der Verwüstung des Krieges eingesetzt.
Auch hier betete er mit Kameraden den Rosenkranz und organisierte Abendgebete in den Zellen. Auch hier bestärkt er sie durch geheime Beichten und Seelsorgsgespräche im Festhalten an ihrem christlichen Glauben und im Vertrauen in die göttliche Vorsehung. Regelmäßig versorgte er erkrankte Kameraden.
Anfang Februar 1940 wurde Frelichowski ins KZ Stutthof gebracht. Der Transport der inhaftierten Priester bei großer Kälte war eine Qual.[86] Im Lager wurde es nicht besser. Auch in diesem Lager war die Gruppe des polnischen Klerus die am meisten unterdrückte Gruppe im Lager.[87]Hunde wurden auf die Häftlinge gehetzt und bissen sie. Die Baracken waren stark überbelegt. Häftlinge mussten auf dem Boden aufhingeworfenem Stroh schlafen. Es herrschte Hunger. Frelichowski reagierte auf diese schreckliche Situation und teilte sein Brot mit hungernden Kameraden.
Die Gefangenen mussten sehr schwer arbeiten: Bäume fällen, Reinigen der Latrinengruben, Aushubarbeiten, Schneeräumen. Brutale Kapos misshandelten sie. Wer keine Kraft mehr hatte wurde ermordet.[88]
Der Winter 1940 brachte sehr viel Schnee. Zum Schneeräumen wurden Priester gezwungen. Diese schwere Arbeit brachte die meist älteren Priester an die Grenzen ihrer Kraft. Sie konnten einfach nicht so schnell arbeiten wie gefordert. Daraufhin wurden sie als Strafe für ihre „Faulheit“ ausgepeitscht. Sie sollten sich alle in einer Reihe aufstellen. Vor Angst ließen sie den Mut sinken. Doch Stefan Wincenty Frelichowski stellte sich freiwillig an den ersten Platz der Reihe und ließ sich schlagen, um den anderen Mut zu machen. Nach einem anderen Bericht flüsterte er den Kameraden in der Schlange Worte der Zuversicht und des Mutes zu und bemühte sich ihnen in ihrer Angst zu helfen, bevor er sich schlagen ließ, wie Augenzeugen berichteten.[89]
Wicek wurde viel geschlagen und schikaniert. Er trug alles erstaunlich geduldig und ruhig. Er wollte es als Willen Gottes für sich annehmen. Er wirkte innerlich still, ausgeglichen und strahlte Gelassenheit aus. Bei jeder Arbeit sah man ein Lächeln in seinem Gesicht. Er blieb auch in dieser Situation heiter.
Jede religiöse Betätigung im Lager war unter Todesstrafe verboten. Trotzdem war Frelichowski mutig. In dieser Situation organisierte er heimliche Morgen- und Abendgebete zu Ehren Unserer Lieben Frau von den Betrübten. Er pflegte selber erkrankte Kameraden, vor allem ältere Priester. Kranke und Jugendliche waren wieder das Hauptziel seiner geheimen Aktionen.
Doch er wollte noch weiter gehen. Er hatte einen gefährlichen Plan. In großer Heimlichkeit verhandelte er mit einer Gruppe jüdischer Gefangener, die das Lager zu Rodungsarbeiten täglich verließen. Diese konnten im geheimen für Frelichowski 2 Weizenbrötchen in einem Leinentuch ins Lager schmuggeln. Den Kameraden war aufgefallen, dass Frelichowski täglich nach den heimkehrenden Juden Ausschau hielt. Sie fragten, warum er ein Glas putzte. War er verrückt geworden? Nein, er plante, heimlich eine heilige Messe zu feiern. Messwein und sogar Hostien hatte ein anderer Priester bei seiner Verhaftung bei sich getragen und hatte diesen Schatz, wie durch ein Wunder, durch alle Kontrollen retten können. Nach einer anderen Quelle konnte Wicek sogar Hostien und Wein organisieren.[90]
Am Gründonnerstag, den 21.03.1940, organisierte Frelichowski vor dem Weckruf morgens eine heimliche heilige Messe. Während die Kameraden noch auf dem Stroh lagen, wo sie geschlafen hatten, wurde das heilige Opfer hinter einer Decke verborgen dargebracht. Nur der Zelebrant und Frelichowski als Ministrant befanden sich unter der Decke. Dort war so wenig Luft, dass Frelichowski die Decke anheben musste um dem kleinen brennenden Kerzenstummel genug Luft zum Brennen zu verschaffen. Frelichowski kam immer wieder unter der Decke hervor zu den Kameraden, um ihnen zu beschreiben, wie weit die hl. Messe fortgeschritten war. Diese Messe war für die bedrängten Geistlichen die erste seit Monaten. Alle im Block konnten kommunizieren. Das Allerheiligste versteckte er in einem Regal und ermunterte seine Kameraden zur liebevollen eucharistischen Anbetung. Später an diesem Tag brachte er Kranken die heilige Kommunion.
Wir können uns die Freude der gefangenen Priester und den Trost der Gegenwart ihres Herrn kaum vorstellen. Einer der anwesenden Geistlichen berichtete, dass einige Tagen vorher alle Priester auf dem Prügelbock geschlagen wurden. Dabei weinte keiner dieser tapferen Männer. Aber während dieser Hl. Messe weinten sie alle und keiner schämte sich seiner Tränen. Diese Messe war eine große Stärkung in diesen Tagen bis Ostern. Für einige priesterliche Kameraden war es die Wegzehrung kurz vor ihrem Tod.
Der darauffolgende Karfreitag 1940 wurde für die Geistlichen ein Tag des Grauens. Die inzwischen seliggesprochenen Priester Marian Gorecki und Bronislaw Komorowski wurden erschossen. Alle anderen Priester wurden grausam gequält. Sie mussten sich auf den Boden legen und wurden mit Füßen getreten und mit Stöcken geschlagen. Frelichowski tröstete die Priester und erinnerte sie an die Leiden Christi.[91]
Am Ostersonntag konnte nochmal eine Heilige Messe gefeiert werden. Diesmal überredeten die Kameraden Frelichowski selber zu zelebrieren. Am Gründonnerstag hatte Frelichowski zunächst bewusst einem anderen Priester den Vortritt gelassen und war selber zurückgestanden. Es war stets sein Ansinnen selbst im Hintergrund zu bleiben.
Frelichowski gelang es sogar, religiöse Bücher für die Priester zu besorgen. Diese wurden unter dem Stroh versteckt gehalten und heimlich verbreitet. Keiner wusste woher sie kamen. Frelichowski erzählte nie wo seine Quellen waren, weder von den äußeren Quellen noch von seinen inneren Kraftquellen sprach er zu den Kameraden. Sie sagten über ihn: „Er ging nur ihm allein bekannte Wege.“ So blieb es in allen Lagern, in die er noch kommen sollte. Alle Kameraden schätzten und liebten Frelichowski.
Im Lager Stutthof gab es noch keine gestreifte Häftlingskleidung. Die Priester trugen hier weiterhin ihre Soutane, wie zum Zeitpunkt der Verhaftung. Darin waren sie jederzeit als Priester zu erkennen und Zielscheibe von Grausamkeiten. Eines Nachts kam einer der Priester, Jan Lesinski, sein Seligsprechungsverfahren läuft derzeit zusammen mit anderen insgesamt 112 polnischen Märtyrern,nicht zur Gruppe zurück. Sein Verschwinden versuchten besorgte Kameraden der Lagerleitung zu melden. Sie ernteten jedoch nur Spott und Hohn. Schließlich wurde die Leiche gefunden. Der Priester war nachts angegriffen und erschossen worden. Sein toter Leib war danach vergewaltigt worden. Die Gruppe der Geistlichen war unter Schock. In dieser Situation ergriff Frelichowski das Wort: „Betet nicht für die Gefolterten und Getöteten, sondern zu unseren Brüdern, den Märtyrern.“ Dadurch gelang es ihm, die Gedanken der priesterlichen Kameraden in eine neue Richtung zu lenken. Sie fanden den Mut, unter Gesang einen Leichenzug zu bilden und den ermordeten und geschändeten Mitbruder zur Leichenhalle zu tragen. Abends, vor dem Schlafgehen, beteten sie: „Jan Lesinski, bitte für uns!“
Frelichowski sagte oft zu seinen Kameraden: „Beten wir nicht für die Ermordeten, sondern zu unseren Brüder-Märtyrer.Brüder, betet! Betet in euren Zweifeln! Betet, obwohl es euch so scheint, als ob alles umsonst sei und sogar Gott selbst euch nicht mehr helfen würde. Betet füreinander, betet für eure Lagerbrüder, die bedroht sind durch Tod, betet immer und überall!“
„Die Güte siegt, der Satan wird uns nicht knechten, wir werden durchhalten!“ So ermutigte Wicek seine Kameraden.
Der März 1940 brachte die Verlegung aus dem KZ Stutthof ins Außenlager Grenzdorf. Vom 28.3.40 – 6.4.40[92] musste eine Gruppe von 100 Priestern in Außenlager Grenzdorf, 20 km von Danzig, in einem Steinbruch und in einer Kiesgrube schuften.Nur junge Häftlinge wurden nach Grenzdorf verlegt, da die Arbeit sehr anstrengend war. In der Regel gab es keine Überlebenden dieser Strapazen. Völlig unerwartet und scheinbar grundlos wurden die Priester nach kurzer Zeit, am 06.04.1940, ins Stammlager Stutthof zurückgeschickt. Nach dem Krieg erklärten Freunde dies als ein Eingreifen Gottes. Denn so konnten die Priester weiterleben und Frelichowskis Mission unter den Gefangenen konnte weitergehen.
KZ Sachsenhausen:
Wenig später, am 9.4.1940, ging ein Transport mit Stefan Wincenty Frelichowski ins KZ Sachsenhausen ab. Am 10.4.1940 erreichte die Gruppe dieses Lager.[93] Eine größere Gruppe von einigen hundert Priestern war dort inhaftiert: Geistliche aus ganz Europa, besonders aus Polen. In völligem Vertrauen in Gott, ertrug Frelichowski das Lagerleben. Trotz der schweren körperlichen Arbeit, die auch für Priester zu leisten war, verlor er nie seinen Glauben.[94] Während der schweren Zwangsarbeit tröstete er sogar seine Mithäftlinge.
Zuerst wurde Frelichowski dem Quarantäneblock Nr. 20 zugeteilt. Dieser stand unter der Leitung eines sehr grausamen und berüchtigten Blockältesten, des Berufsverbrechers Hugo Krey. Ihm wurde nachgesagt, er habe Freude daran Kameraden zu ermorden. Besonders Priester hasste er sehr. Sobald er unter den Gefangenen einen Priester entdeckte, trachtete er danach, diesen zu töten. Frelichowski wurde von ihm im KZ Sachsenhausen geschlagen und gefoltert.
Er war Hugo Krey in Sachsenhausen folgendermaßen aufgefallen: Eines Tages forderte Krey von den Gefangenen seiner ganze Baracke, auf dem Stacheldraht der Begrenzung zu kriechen. Alle befolgten den Befehl. Eine Verweigerung hätte den Tod bedeutet. Der Grenze zu nahe zu kommen, bedeutete aber ebenfalls den Tod. Unter dem Vorwand eines Fluchtversuchs wurden alle Häftlinge durch Wachen dort erschossen. Alle krochen darauf zu. Als sie schon ganz nahe am Ende der neutrale Zone und bei dem Stacheldraht angekommen waren, fragte Krey: „Wer von euch ist ein Priester?“ Frelichowski lag vorne. Er sprang sofort mutig auf und meldete sich deutlich: „Ich bin ein katholischer Priester.“ Darauf Krey: „Also, segne diese, weil sie alle auf diesem Stacheldraht gleich sterben werden.“ Ein Zeuge beschreibt die folgende Szene: „Man musste in dieser Sekunde Wicek ansehen: es existierten für ihn kein Lager, kein Blockältester, kein Maschinengewehr und kein Stacheldraht, sondern nur die Freunde und Leidensgefährten, die im Dreck da lagen und denen der Segen Gottes durch die Hände eines Priesters in diese Minute neue Kraft eingießen konnte. Als er mit dem feierlichen Segen fertig war, antwortete Krey: „Amen“ und begann, ihn so unmenschlich zu schlagen und zu treten, dass er wie ein Toter da lag. Aber Wicek war froh, dass Gott ihn als Sein Werkzeug in diese Minute benutzt hatte. Seit diesem Ereignis ließ Krey ihn nicht mehr in Ruhe. Äußeres Zeichen dafür wurde die Frisur. Alle Häftlinge hatten kahlgeschorene Köpfe. Krey ließ Frelichowski beim vorgeschriebenen Rasieren der Kopfhaare aus Spott einige Haare in der Mitte des Kopfes stehen, dort wo früher eine Tonsur herausgeschnitten wurde. Dadurch fiel er unter den anderen Kameraden sofort auf, was große Gefahr bedeutete. Frelichowski musste mit dieser entstellenden Spottfrisur lange Zeit im Lager leben. Er tat das mit solcher Würde, dass Krey schließlich aufgab und Frelichowski wieder den Kopf so rasieren ließ wie allen anderen Häftlingen.
Um ihn an seiner Seelsorge und dem guten Einfluss auf seine Kameraden zu hindern, organisierte Krey daraufhin Frelichowskis Versetzung zu den Leichenträgern. Er sollte nur noch Toten begegnen können. Doch Gottes Vorsehung hatte andere Pläne. Auch in der Totenhalle waren einige noch am Leben und die Sterbenden waren glücklich über die Begegnung mit einem Priester. Frelichowski, der schon als Kaplan eine besondere Liebe für Sterbende gehabt hatte, begleitete sie auf dem Weg in die Ewigkeit.[95]
So hielt er es immer. Immer versuchte er, aus der schlimmsten Situation, die auf den ersten Blick als Werk des Teufels erschien, etwas Gutes zu machen und Gottes Werk zu tun.
Nach einiger Zeit gewann Frelichowski sogar das Wohlwollen des grausamen Blockältesten durch seine Freundlichkeit und durch Gebet. Er war der einzige im Block 20, der nun nicht mehr misshandelt wurde. Hugo Krey wurde schließlich von der SS verhaftet und in den Bunker verschleppt, wo diese ihn schließlich erhängte. Danach wurde die Situation für alle leichter und Wicek konnte jetzt an weitere pastorale Tätigkeit denken. Er organisierte religiöse Vorträge, Gespräche und begeisternde und ermutigende Liturgien wurden organisiert.[96]
Im KZ Sachsenhausen herrschte eine deprimierende Stimmung. Frelichowski ermutigte und half, wo er nur konnte, wie immer mit einem Lächeln und Freude.[97] Er führte weiter diskret seinen apostolischer Dienst an Kranken, Schwachen, Älteren und Jugendlichen fort, sprach Worte des Trostes und der Hoffnung. Er half auch Kameraden in anderen Blocks. Sein Eifer als Seelsorger blühte auch hier. Obwohl jede religiöse Betätigung unter Todesstrafe verboten war, stärkte er seine Kameraden durch Gebet, mit dem Sakrament der Beichte und der Heiligen Kommunion. Im Geheimen leitete er Gebete um den Glauben der Kameraden zu stärken.
In Sachsenhausen lebten die Priester abgesondert in einem Quarantänelager, dem sogenanntem Kleinem Lager. Nur zum Kesseltragen kamen sie ins sog. Große Lager. Dabei mussten sie schwere Metallkübel mit den Mahlzeiten aus der Küche zu den Baracken des Kleinen Lagers tragen und anschließend leer wieder zurück. Diese Gelegenheit nutzte Frelichowski geschickt aus, um den gefangenen Kameraden des Großen Lagers den Empfang des Sakramentes der Beichte zu ermöglichen. Da jeder Kessel von zwei Personen getragen werden musste, wurde geschickt eingeteilt, dass diese von je einem Priester und einem Häftling, der beichten wollte, getragen wurden. Auf dem Weg zurück zur Küche mit den leeren Kesseln, konnten Priester den mittragenden Laien die Beichte spenden. Und so konnten viele Menschen, die kurz danach auf Transporte ins Unbekannte gingen, auf ihren Tod vorbereitet werden.
Im Herbst 1939 war auch Wiceks älterer Bruder Leszek verhaftet worden, wegen Zugehörigkeit zu einer Wehrsportgruppe. Er war in Bydgoszcz und Torun inhaftiert und dort schwer misshandelt worden. Den Eltern gelang es, seine Befreiung zu erwirken. Leszek starb jedoch am 11.5.1940, wenige Tage nach seiner Entlassung, an den Folgen der Misshandlungen und an einer Lungenentzündung.[98] Wicek selber erfuhr diese schreckliche Nachricht durch einen Brief von zuhause erst Monate später.[99] Die Familie hatte so von ihren 3 Söhnen schon zwei verloren und Wicek war in Deutschland im Konzentrationslager gefangen.
KZ Dachau, das Internierungslager für alle Geistlichen aus dem ganzen Reich einschließlich aller eroberten Länder, also nahezu aus ganz Europa.
In Verhandlungen der deutschen Bischofskonferenz und des Heiligen Stuhls, vertreten durch den Nuntius, mit Berlin, war im Jahr 1940 die Entscheidung getroffen worden, alle Geistlichen in einem Lager zusammenzuführen. Dort sollten sie von Arbeit befreit sein und täglich Messe feiern dürfen. Die Umsetzung zog sich allerdings bis Ende 1940 hin.
Als Frelichowski am 14.12.1940 mit einer größeren Gruppe polnischer Priester im KZ Dachau ankam, begann für die Geistlichen dort eine besondere Zeit. Anfang des Jahres 1941 wurden die Geistlichen von den anderen Häftlingen abgetrennt und bekamen eine Lagerkapelle und die Möglichkeit, Messe zu feiern.
Liturgie: Frelichowski bereitete es auch im Lager große Freude, die Liturgie zu gestalten. Treu und gewissenhaft erfüllte Wicek seinen Dienst. Als Ministrant oder Zeremoniar diente er am Altar. Nur der polnische Lager-Kaplan Prabucki durfte zelebrieren, weil er im ersten Weltkrieg als Artillerieoffizier der deutschen Armee sich Verdienste erworben und Auszeichnungen, Verdienstkreuze, bekommen hatte. Für Prabucki läuft derzeit auch ein Seligsprechungsverfahren. In der Gruppe der 112 polnischen Märtyrer ist er enthalten.
In dieser Zeit sollten die Geistlichen keine Zwangsarbeit leisten und besseres Essen erhalten als die anderen Häftlinge. Dies verstärkte die Kluft zwischen den Geistlichen und den neidischen anderen Gefangenen, ganz wie von der Lagerleitung beabsichtigt. In dieser Zeit wurden die Geistlichen aber zum Schneeräumen und Schleppen der Essenskessel gezwungen, verspottet, misshandelt und auf vielfältige Weise gequält.
Schon im September 1941 wurden die „Privilegien“ für die polnischen Geistlichen (ab Frühling 1942 für alle Geistlichen) abgeschafft. Alle polnischen Geistlichen wurden vor die Entscheidung gestellt, auf ihre polnische Staatsangehörigkeit zu verzichten. Dazu konnten sie sich in die sogenannte „Volksdeutsche Liste“ eintragen lassen. Es wurde ihnen dafür die Freiheit versprochen, wenigstens aber die Privilegien der deutschen Priester, wie die Möglichkeit in der Kapelle Messe zu feiern. Wie alle anderen polnischen Priester, sogar die, welche wirklich deutscher Abstammung gewesen waren, entschied sich Frelichowski dagegen und erduldete weiterhin das grausame KZ und die Wut der Lagerleitung. Diese behandelte die polnischen Priester nach dieser Weigerung wütend und wie angedroht mit grausamen Repressalien[100], „wie gewöhnliche Verbrecher“. Frelichowski wurde in Dachau von den Wachen physisch und psychisch misshandelt und verspottet.[101]
Frelichowski bekämpfte Konflikte, die zwischen einzelnen Parteien unter den polnischen Priestern entstanden waren.[102] Ein Konfliktpunkt war die Gestaltung des Abends. Todmüde lagen die Geistlichen auf den Strohsäcken, froh wieder einen Tag überlebt zu haben. Einige wollten noch reden, andere beten und schlafen. Frelichowski setzte sich dafür ein, nach dem Abendgebet das Stillschweigen (in Klöstern wird nachts geschwiegen) zu halten. Er konnte nicht alle überzeugen.
Einige Kameraden verspotteten ihn und seinen Seelsorgeeifer. Er ertrug Sticheleien und Hänseleien mit Würde und innerem Frieden. Nicht alle verstanden ihn. Er wurde als „komischer Heiliger“ ausgelacht. Aber auch diese Spötter weinten später bei seinem Tod.
Ab Herbst 1941 war den polnischen Geistlichen das Betreten der Lagerkapelle nicht mehr gestattet. Nur noch deutsche Geistliche durften dort beten und Messe feiern. Erst gegen Ende des Krieges wurde dieses Verbot gelockert und alle Nationen durften in die Kapelle kommen. Für polnische Geistliche zog schon der Besitz eines Messbuches, Rosenkranzes oder einer Medaille schwerste Strafen nach sich. Seelsorge war grundsätzlich bei Lebensgefahr verboten.
Seelsorger:
Frelichowski war auch im Lager mit ganzem Herzen Seelsorger. Er ließ sich von den strengen Verboten nicht entmutigen oder gar abhalten. Er begann heimlich wieder seine intensiven pastoralen Aktivitäten.[103] Schon zu Beginn der Gefangenschaft verstand er seine Berufung als Priester neu. Er wollte jetzt für die Mitgefangenen da sein. Trotz extremer Lebensbedingungen im Lager führte er seinen seelsorgerlichen Dienst weiter. Er gönnte sich keine Pause. Er war überall und half, wo er konnte. Ständig war er unterwegs: in den Erholungspausen, abends, nachts. Trotz strenger Verbote schlich er sich auf andere Blocks, um Kameraden zu helfen. Dies entsprach seiner Vorstellung vom Priestersein. Er half allen, die Hoffnung nicht zu verlieren. Er hörte so oft wie möglich Beichte und zelebrierte heimlich im Block der polnischen Priester, aber auch auf den Blocks polnischer Laien die hl. Messe. Besonders für Jugendliche war er ein geistlicher Lehrer.[104] Überlebende Kameraden berichteten, dass es genügte ihn zu treffen, ihm einfach in seine Augen zu blicken, um im KZ Kraft zum Überleben zu finden. Andere Häftlinge hatten mehrheitlich leere und trostlose Augen voll Verzweiflung, Tod, Schmerz und Resignation. In Wiceks Augen war Sinn und Frieden. Ein Kamerad berichtet, Frelichowski war die einzige Stütze, an der man sich festhalten und aufrichten konnte. Hunderte, tausende Menschen haben ihm das Leben zu verdanken.
Im Konzentrationslager Dachau schrieb Wicek ein Gedicht mit dem Titel „Ich bin froh, o Herr!“[105] Das zeigt: auch in der scheinbar gottlosen Hölle konnte er seine Freude und seinen Glauben bewahren und darin anderen ein Vorbild sein. Auch Menschen mit Glaubenszweifeln konnten sich seiner Liebe und Zuwendung sicher sein. Er kümmerte sich auch um Menschen, die sich weit weg von Gott fühlten und half ihnen, wieder einen neuen Zugang zum Glauben zu finden.
Er betete viel mit den Kameraden, sowohl Geistlichen als auch Laien. Abends sprach er in der Schlafstube das Abendgebet. Es wird berichtet, dass seine Worte den anderen Geistlichen viel Trost gaben. Oft waren Verzweiflung und Selbstmordgedanken danach verschwunden. Viele Gefangene spielten mit dem Gedanken, voll Verzweiflung in den elektrischen Zaun zu laufen, um ihr Leben und damit den Leidensweg zu beenden.
„Es genügt ihm einmal in die Augen zu schauen und die Todesgedanken waren dahin.“ „In seinen Augen konnten die Kameraden Ruhe, Freude und Gottes Gegenwart sehen.“ Kardinal Adam Kozlowiecki, ebenfalls im KZ Dachau interniert, erinnerte sich: „Frelichowski war immer gelassen. In seiner Ruhe spürten wir: hier ist Gott gegenwärtig, der gesagt hat: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ Diese Beobachtung ist umso erstaunlicher, als Kozlowiecki mit Frelichowski selber im Lager nie gesprochen hat. Er gehörte nicht zu dessen Freundeskreis.
Frelichowski schien den Kameraden wie eine Säule im Feld, an der man sich stützen konnte. Er wollte so viele Leben wie nur möglich retten. Dabei war er aber immer nur der Initiator seiner Aktionen. Andere standen später an der Spitze seiner Werke. Er selbst trat zurück in den Hintergrund.
Spiritualität: Woher hatte dieser Mann so viel Kraft? Frelichowski lebte aus der Kraft der Eucharistie.
In ihm war ein sehr großes Vertrauen in Gottes gute Vorsehung. Seinen Willen wollte er erfüllen. Danach wollte er streben. In der ersten Zeit der Gefangenschaft bat er die Familie, alles nur Mögliche für seine Freilassung zu unternehmen. Schließlich konnte er sogar seine Haft als Gottes Willen akzeptieren und wollte keine Bemühungen um Freilassung mehr. Er ermunterte auch andere zu Vertrauen und zum Glauben an die göttliche Vorsehung.
Eine weitere Basis seiner Spiritualität war die Liebe zur Gottesmutter Maria. Schon als Schüler war er Mitglied der Marianischen Kongregation geworden. Zusammen mit dem Pfadfindersein prägte ihn die intensive Beziehung zu Maria, die er dort gelernt hatte. Er besuchte im Lager Dachau auch Vorträge von P. Kentenich, dem Gründer der Schönstattbewegung. Auch er war marianisch geprägt, und Frelichowski hörte ihm gerne über die dreimal wunderbare Mutter sprechen.
Gebet: Im Priesterblock betete Wicek täglich den Kameraden vor und lehrte sie, dass beten nicht bedeutet, auswendig gelernte Gebete auf zu sagen, sondern eine echte Beziehung zu Gott zu führen. Oft kniete er konzentriert unter den Gefangenen und betete. Seine intensive Beziehung zu Gott wurde zum Vorbild und Zeugnis. Die Menschen folgten seinem ansteckenden Beispiel.[106] Gemeinsame Gebete waren im Lager außerhalb der Kapelle streng verboten. Deshalb konnten die Gefangenen nur leise beten. Frelichowski verstand das Gebet als Kraftquelle, um aus dem Teufelskreis des Hasses und des Bösen auszusteigen. Das lehrte er auch seine Freunde und Schüler. Auch Gebet für verstorbene Kameraden und Kranke war ihm wichtig.
Kranke: Schon recht früh verschaffte er sich Zugang zum Krankenrevier durch Vermittlung eines polnischen Arztes, der ihm erlaubte, einen TBC-Kranken zu besuchen.[107] Dort konnte er heimlich Kranke seelsorglich betreuen. Sein Engagement zum heimlichen Beichte hören, Spenden der Hl. Kommunion, Besuch der Kranken und deren Begleitung im Sterben war sehr groß und bewundernswert. Viele hat Frelichowski auf den Tod vorbereitet.
Auch konkret wollte Frelichowski helfen. Er stahl sich ins Revier, um erkrankten Kameraden helfen zu können, wusch Kranke und gab Hungernden zu essen.[108]
Zur Zwangsarbeit war Wicek zuerst, wie alle Geistlichen, in der Plantage eingeteilt. Ab 1942 konnte er ein weniger anstrengendes Kommando mit einer Arbeit unter Dach finden. Dort musste er etwas in Papiertüten verpacken. Nach seiner Erkrankung mit Aufenthalt im Revier konnte er in dieses Kommando zurückkehren. (Den Schonungsschein aus dem Revier, der ihn ähnlich wie eine Krankschreibung noch einige Zeit vor schwerer körperlicher Arbeit schützen sollte, gab er an einen anderen Geistlichen weiter, der so nicht mehr zur Arbeit in die Plantage ausrücken musste. Frelichowski hatte ihm damit das Leben gerettet.) Gegen Kriegsende war sein Arbeitsplatz im Luftschutzkeller beim Präparieren von Anzünderkohlen.
Jede Arbeitsstelle nutzte Frelichowski um dort mit den Kameraden über den Glauben zu sprechen, sie aufzubauen und zu trösten.
Wie in den bisherigen Lagern scheute er auch in Dachau kein Risiko, um seine Kameraden aufzurichten und ihren Glauben zu stärken. Als Priester tat er alles, um die Sakramente spenden zu können.
Frelichowski war die Eucharistie besonders wichtig. Aus dieser Quelle schöpfte er seine scheinbar unerschöpflichen Kräfte. Deshalb wollte er möglichst vielen Kameraden die Teilnahme an heimlichen Hl. Messen ermöglichen und die Kommunion austeilen, besonders Kranken und Sterbenden. Dafür ging er jedes Risiko ein. Er organisierte gemeinsame Gebete, heilige Messen, teilte täglich Kommunion aus (die Partikel waren so klein wie ein Weizenkorn, um für möglichst viele zu reichen) und half ein geistliches Leben zu führen. Schon 1 Monat vor Eröffnung der Kapelle hatte er sich das Allerheiligste besorgen können, um es Sterbenden im Lager zu reichen.[109]
Schon früh war es ihm gelungen illegal in die Kapelle auf Block 26 zu gelangen. Dies war ab September 1941 nur noch deutschen Geistlichen erlaubt und wurde aus Angst auch streng kontrolliert. Offensichtlich hatte er auch hier bei den deutschen Geistlichen Freunde, die ihm heimlich halfen. So hatte er auch die Möglichkeit, an Hostien zu gelangen, um diese an sterbende polnische Priesterkameraden zu verteilen. Er konnte aber auch andere polnische Priester zur Messe in die Kapelle hineinschmuggeln.
Um noch mehr Kameraden die Teilnahme an der Eucharistie zu ermöglichen, organisierte er und feierte auch selber heimlich die Hl. Messe auf den polnischen Wohnblocks der Priester und sogar auf den Wohnblocks polnischer Laien. Wenn er keine Hostien und Wein organisieren konnte, waren es „trockene“ Messen, nur bestehend aus den Meßtexten und Gebeten, um sich geistlich mit dem Herrn zu vereinen. Oft waren seine Bemühungen beim Organisieren aber auch erfolgreich. Hostien und Wein hatte er sich versteckt und getarnt in Paketen von zuhause schicken lassen[110] oder von den deutschen Geistlichen bekommen. Teilweise verwendete er auch Brotkrümel als Hostien.[111]
Hinter dem Ofen versteckt oder auf den Blocks der polnischen Laien zwischen den Betten versteckt, sitzend oder liegend, feierte er heimlich die heilige Messe. Er hatte dabei andere polnische Priester mitgebracht, um ihren Glauben und ihre Berufung zu stärken durch das Erlebnis der heimlichen Messen und die Erfahrung des großen geistlichen Hungers der Kameraden. So konnte er anderen Priester, wenn auch unter Lebensgefahr zeigen, wie sehr Priester gebraucht wurden. Nach dem Gottesdienst wagte er sogar, das Allerheiligstes in einem Schrank aufzubewahren.[112]
Er gewann Helfer für das Verteilen der Eucharistie, der unendliche Liebe Christi.[113] Beim Austeilen der Kommunion waren seine Beichtkinder und befreundete Seminaristen behilflich.
Beichte: Frelichowski stand seinen Kameraden heimlich sehr oft zur Verfügung, um ihnen das Sakrament der Beichte zu spenden. Er ging zu Kranken und traf Kameraden auf der Lagerstrasse oder in ihren Wohnblocks. Heimlich hörte er sogar auf dem Weg zur Arbeit Beichte.[114]
Um auch mit den französischen Kriegsgefangenen sprechen, ihnen helfen und Beichte hören zu können, bat er die Mutter in der Heimat, ihm eine französische Grammatik zu schicken. Er wollte sogar noch im Lager sein Französisch verbessern. Außer Polnisch und Latein sprach Frelichowski Deutsch und Französisch.
Oktober 1941: Ein Transport kam aus der Erzdiözese Poznan mit einer Gruppe älterer Priester an. Ängstlich, depressiv, eingeschüchtert und mit wenig Selbstvertrauen hatten sie Probleme, sich im Lager zurecht zu finden. Frelichowski ging in ihren Block, kniete sich abends mit ihnen auf den Boden und betete. So gestärkt konnten sie die Angst vor dem Lager überwinden. Er gab auch praktische Tips über das Lagerleben und unterstütze diese Männer auch nach Kräften konkret, z. B. beim „Bettenbau“.[115]
Das Jahr 1942 war das Jahr des Hungers für die Priester im KZ Dachau. Viele Geistliche verfielen körperlich und seelisch rasch. In der Lagersprache nannte man diese Häftlinge „Muselmänner“. Frelichowski kam nie in dieses gefährliche Stadium, obwohl auch er sehr abmagerte und schließlich nur noch 57 kg wog. Nur noch aus Haut und Knochen bestehend, hatte er trotzdem die Kraft, von seinem wenigen Essen noch an Kameraden abzugeben, die noch mehr hungerten als er. Hungernde hatten sehr gegen die Versuchung zu kämpfen, anderen Kameraden Brot zu stehlen. Dies kam sogar unter den Geistlichen vor. Brotdiebstahl wurde sofort mit dem Tode bestraft, oft schon vor einer offiziellen Meldung durch Lynchjustiz von Kameraden. Wir Satten unserer Tage sollten uns jeder Verurteilung enthalten, wenn wir solche Berichte hören. Keiner von uns kann nachvollziehen, wie es sich anfühlt zu verhungern.
Aus der Zeit im KZ Dachau wird folgende Begebenheit berichtet: Es hatte sich ein Brotdiebstahl ereignet (in Block 28 Stube 4, bei den älteren polnischen Priestern). Der Stubenälteste forderte den Dieb auf sich zu melden. Als das nicht geschah (weil es das Todesurteil desjenigen gewesen wäre), drohte der Älteste der ganzen Stube Strafexerzieren an, bis der Dieb sich melden würde. Diese „Gymnastikübungen“ hätten für viele der älteren polnischen Geistlichen aber ebenfalls den Tod bedeutet. Um das zu verhindern, meldete Frelichowski, der zufällig als Besucher anwesend war, sich an Stelle des Schuldigen. Der Stubenälteste glaubte ihm jedoch nicht. Jedem anderen hätte er diese Tat geglaubt, aber nicht Wicek. Aber tief beeindruckt von diesem Mut und dieser Selbstlosigkeit, erließ er allen das Strafexerzieren. Frelichowski hatte wieder viele Leben seiner Kameraden gerettet. Auch bei anderen Gelegenheiten nahm er die Schuld anderer auf sich und wurde an ihrer Statt zur Strafe geschlagen.
Revier: Im Frühling 1942 wurde Frelichowski selber krank. Vom März bis Juli 1942 war er im Krankenrevier, wo er vorher heimlich Kameraden geholfen hatte. Es war wie ein Wunder, dass er als polnischer Priester dort aufgenommen wurde. Ihnen war 1942 der Zugang zum Revier verwehrt. Sicher halfen Wicek seine guten Beziehungen zum Pflegepersonal im Revier, die ihm bisher den Besuch bei Kranken ermöglicht hatten. So war Frelichowski vor den Grausamkeiten des Jahres 1942, das viele Geistliche nicht überlebten, bewahrt. Besonders grausam waren die Schikanen der Karwoche 1942 für die polnischen Geistlichen, die viele sehr schwächten und das Leben kosteten. Aber sogar diese Zeit seiner Krankheit im Revier nützte er, um anderen Kranken dort zu helfen
Frelichowski musste sich einer Operation unterziehen: eine Eitergeschwulst wurde aus seiner Brust herausoperiert. Da die Wunde nur sehr langsam verheilte, musste er lange auf der Krankenstation bleiben und war dadurch geschützt. Normalerweise bedeutete ein Aufenthalt im Revier, der länger als 4 Wochen dauerte, einen Eintrag auf die Liste eines Invalidentransportes und damit den sicheren Tod. Wie ein Wunder konnten ihn die Kameraden davor bewahren.
Schließlich wurde Wicek wieder gesund und konnte noch einige Zeit im Revier als Stubendienst bleiben. Auch das war zu dieser Zeit für polnische Priester eigentlich völlig unmöglich. Er konnte sich dort nun auch offiziell frei bewegen und seelsorgerlich arbeiten. Er half allen Kranken, unabhängig von Nationalität und Glaube als Pfleger und Seelsorger. Aber auch für die anderen Pfleger, junge Gefangene, war er in besonderer Weise da.
Selber war Frelichowski oft krank und wiederholt als Patient im Revier. Es war wie ein zweites Zuhause für Ihn. Unter den Kranken erfüllte er seine hauptsächliche Mission. Er stand Sterbenden bei. Alle liebten ihn im Revier, Patienten und Pfleger. Wenn Frelichowski wieder entlassen wurde, vermissten ihn die Freunde im Revier sehr. Deshalb besuchte er sie und die Kranken dort täglich. Eintritt verschaffte er sich heimlich durch die Pforte der Totenkammer, durch die ein Freund ihn einließ. Von dort gelangte er durch die Verbindungsgänge in alle Bereiche des Reviers und konnte dort als Apostel der Kranken wirken.
Jugendseelsorger: Wie vor der Gefangennahme kümmerte sich Wicek auch im Lager besonders um Jugendliche. Im Lager waren Jugendliche besonders gefährdet und in der Unschuld ihrer Jugend bedroht und besonderer Perversion ausgeliefert. Einige waren so traumatisiert, dass sie niemandem mehr vertrauen konnten. Auch prominente Mithäftlinge nutzten ihren Hunger und ihre Schutzlosigkeit schamlos aus. Es gab niemand, der ihnen Autorität und Halt hätte geben können. Nur auf Wicek hörten sie. Die anderen Erwachsenen verachteten sie. Frelichowski gelang es mit kleinen Gesten, ihr Vertrauen zu gewinnen. Er wurde ihnen zum echten Freund. So konnte er sie ermutigen und wurde ihr geistlicher Führer. Er war immer heiter, so dass er andere nachhaltig aufmunterte. Er war ein lieber Freund für junge Menschen im Revier, schützte sie und unterstützte sie im schwierigen Lagerleben. Wicek war locker und lustig. Er unterhielt sich mit ihnen auch ganz natürlich und fröhlich über Alltägliches, so dass sie nicht abwehrten, als er das Gespräch auf geistliche Dinge und die Seele lenkte. „Viele von ihnen erinnerten sich noch nach Jahren, dass er ein wahrer Freund für sie war. Er konnte ihnen mit großer Begeisterung über Gott und Religion erzählen.“[116] Viele dieser Jugendlichen arbeiteten im Revier. Sie verschafften ihm Einlass in alle Bereiche des Reviers. Sogar auf die Quarantänestationen konnte er so gelangen, um die Sakramente Beichte und Kommunion zu spenden.
Er traf sich mit den Jugendlichen in der Pathologie, die sie für ihn heimlich öffneten, und sie hörten ihm zu.[117] Aber auch bei Spaziergängen auf der Lagerstraße oder hinter den letzten Baracken, Nr. 30, hörten sie auf seinen Rat. Dort organisierte Frelichowski für die Jugendlichen auch Mathematikunterricht durch einen Mitbruder. Dafür erbat er sich von zuhause die Mathematiklehrbücher seiner Schwester. Interessant ist, dass er mehrmals beharrlich in seinen Briefen um diese Mathematiklehrbücher bat, bis er sie endlich in einem Paket erhielt, wofür er in einem anderen Brief dankte.
Konkrete Hilfe: Frelichowski war nicht nur um das Seelenheil seiner Kameraden besorgt. Er erkannte in bedürftigen Mitgefangenen den leidenden Christus. Ihm zu dienen war er jederzeit bereit. In der größten Hungerszeit zögerte er nicht, Mithäftlingen sein weniges Brot zu schenken und selber zu hungern.
Er half auch bei konkreten Nöten, wo er nur konnte. Er half mit Lebensmitteln und Medikamenten. Vieles wusste er zu besorgen. Er konnte sogar eine neue Brille organisieren. Er half auch praktisch.
Je schwieriger die Situation war, desto aktiver war Wicek. Er half wiederholt Kameraden in gefährlichen Situationen und rettete sie.
Ihm half ab Herbst 1942 die Möglichkeit, Pakete von zuhause empfangen zu können. Wie bei den deutschen bekamen auch viele polnische Geistliche zahlreiche Pakete von Familienangehörigen, Freunden und ihren Heimatpfarreien. Deswegen verbreiteten die SS-Wachen Gerüchte, dass bei den „bösen“ Geistlichen Lebensmittel verdarben, während nebenan Kameraden verhungerten. Sie fanden aber in ihren Spinden keine Lebensmittelvorräte. Alles war verschenkt worden.
In seinen Briefen an die Familie daheim bat Frelichowski um Pakete mit Medikamenten, Lebensmitteln, Gebrauchsgegenständen… Genau zählte er das Notwendige auf, aber die empfangenen Geschenke waren alle für seine Kameraden bestimmt.
Er bat die Familie sogar, Geld an deutsche Mitgefangene zu schicken. Dafür übermittelte er ihnen Namen, Geburtsdaten und Blockadressen von Kameraden. Da das unter Todesstrafe verboten war, verwendete er unterschiedliche Chiffren, die seine Mutter zu entziffern wusste. Durch seine Post gelangten viele Namen Mitgefangener und Verstorbener aus dem Lager. Die Mutter bat er, Reisen zu unternehmen, um alle Botschaften den betroffenen Angehörigen auszurichten. Auf seine Familie konnte Wicek sich verlassen. Er vertraute sehr auf ihre Hilfe. Nach Gott war seine Familie die wichtigste Kraftquelle für ihn.
Um die Hilfe besser organisieren zu können, wurde auf Wiceks Initiative hin auf Block 28, dem Block der polnischen Geistlichen, eine Caritasorganisation gegründet. Dieses Werk war sein „Lieblingskind“. Die Leitung jedoch lag immer in den Händen eines anderen Priesters. So eine Organisation unter den Häftlingen, auch zur gegenseitigen Hilfe, war streng verboten. Den Vorsitz führten 4 Priester, aus jeder Stube des Blockes 28 einer. Sie trafen sich wöchentlich auf der Stube Frelichowskis zur Arbeitsbesprechung. Dabei wurden bewusst keine Schriftstücke oder schriftlichen Notizen gemacht, um keine Spuren zu hinterlassen. Es wurden die Namen Bedürftiger aus den polnischen Blocks 16 und 18 gesammelt. Wer bekam keine Pakete von zuhause? Auch russischen und italienischen Kameraden wurde geholfen, die keine Pakete erhielten. Er konnte dafür viele Helfer motivieren. Besonders Jugendliche begeisterte er. Niemand wusste, wie er all das tun konnte. Inhalt der Pakete, Lebensmittel und Medikamente wurden geteilt, verteilt an Kameraden, die keine Pakete bekamen. So rettete er Leben und Glauben an die Menschlichkeit und Glauben an Christus und die Kraft des Evangeliums. Auch eigene Pakete verschenkte er völlig.[118]Das für die polnischen Priester bestimmte Lageressen verschenkten sie ebenfalls, da sie vom Inhalt ihrer Pakete leben konnten. So wurden ganze Kessel mit Suppe und große Mengen Brot an andere Blöcke und an das Krankenrevier verschenkt. Dies geschah übrigens genauso im Block der deutschen Priester, Nr. 26.
Verhältnis zu Kameraden: Wicek hatte im Lager viele sehr gute Freunde, die bereit waren, ihm zu helfen und ihn zu unterstützen. Viele riskierten dafür sehr viel.
Frelichowskis Autorität wurde von allen anerkannt. Laien und Geistliche folgten seiner Führung.[119] Wie ein Bischof wurde er geachtet, obwohl er viel jünger war als die meisten anderen Geistlichen. Er hatte selber nicht einmal 3 Jahre Erfahrungen als Priester in Freiheit. Im Lager führte er viele erfahrenere Geistliche. Er wurde als geistiger Leiter der Priester und Laien anerkannt. Er tat alles, um die Hoffnung der Mithäftlinge zu nähren. Die Mithäftlinge erkannten in ihm einen Priester, der seiner Berufung treu geblieben war, das gab Hoffnung.[120] Aber nicht nur bei den Geistlichen war sein Einfluss groß. Mit den schlimmsten Mördern konnte er sprechen. Er wusste mit ihnen umzugehen.
Frelichowski war als geistliche Führungsgestalt im Lager tätig. Er war dabei der „Ideengeber“, gab den Anstoß und organisierte, zog sich danach aber zurück und übernahm selber nie den Vorstand einer Organisation. Ihm war es sehr wichtig, demütig zu bleiben und selber nicht mit Mittelpunkt zu stehen. Schon im Priesterseminar hatte er sich dafür entschieden, demütig und im Hintergrund zu bleiben. Im KZ Dachau gründete Frelichowski 3 Organisationen: die polnische Caritas, das polnische Priesterseminar und die Legion Christi.
Legion Christi, auch heiliger Bund oder Verschwörung genannt, gründete sich 1943 heimlich aus einer Gruppe von jungen Priestern und Seminaristen aus dem Kreis Frelichowskis Schüler. „Frelichowski traf sich auch mit den Seminaristen um ihnen die Kraft einzuflößen, damit sie in ihrer Berufung ausharren. Gemeinsam mit ihnen hat er den Plan der sog. Legion Christi erarbeitet.“[121]
Zu den Zielen dieser Gruppe gehörte die Arbeit an sich selber, um sogar in der schwierigen Situation des Lagers gute und heilige Priester sein zu können. Dies sahen sie als Vorbereitung auf das priesterliche Leben und auf das seelsorgliche Engagement nach dem Krieg.
1944 gab sich die Gruppe Statuten. Darin legten sie fest, was sie am lebendigen Vorbild Frelichowski ablesen konnten. Er war ihr Vorbild, ihn bewunderten diese jungen Geistlichen. Frelichowski wollte heilige Priester heranbilden. Sie sollten die christliche Idee in die Gesellschaft tragen und das Reich Gottes durch die Medien verbreiten.
Diese Statuten waren geprägt von der besonderen Situation der Geistlichen im Lager. Wie befürchtet zerstreute sich die Gruppe nach der Befreiung im April 1945. Der Ziel der Gruppe, die Charakterschulung der Seminaristen und jungen Priester im Lager, war erfüllt worden und prägte die Männer ein Leben lang.
Bischof Majdanski, damals ein junger Geistlicher in dieser Gruppe, erzählt: „Eine Gruppe junger Leute schließt einen „heiligen Bund“, eine geistige Gemeinschaft all jener, die dazu gehören wollen. Der Kern dieser Gemeinschaft ist eine Gruppe von Jesuiten-Klerikern, besonders Kazimierz Chudy und Julian Plawecki. Die Seele des Ganzen ist Pater Wincenty Frelichowski, der von Pater Boleslaw Burian, dem späteren Spiritual des polnischen Priesterseminars in Paris, unterstützt wird. Der „heilige Bund“ hat vor allem zwei Prinzipien: 1. aus Liebe zu Gott jeden Augenblick und alles, was geschieht und was man selber tut, so intensiv wie nur möglich zu leben, 2. sich jeden Abend um 21 Uhr geistig mit der ganzen Gemeinschaft zum Gebet vor der Gottesmutter zu vereinen.“[122]
Abends um 21.00 Uhr ist in Polen ein besonderer Zeitpunkt. Zum „Appell von Tschenstochau“ treffen sich alle Katholiken Polens geistig vor dem Gnadenbild in Tschenstochau zum Gebet bei der Mutter der Nation. Um 21.00 Uhr wird in diesem Wallfahrtsort das letzte Gebet der Pilger gefeiert. Daran beteiligten sich auch die Mitglieder der Legion Christi im KZ Dachau.
„In dieser „Maschine des Todes“ waren die Priester zum Opfer des Lebens gerufen, treu zu sein bis zum Tod. P. Stefan Frelichowski hat zusammen mit P. Boleslaw Burian eine Art von Gemeinschaft gegründet, deren Mitglieder sich zur Aufgabe machten, alle Demütigungen und Leiden im Lager auf eine dem Geist des Evangeliums entsprechende Weise zu ertragen, und alles jeden Abend um 21 Uhr Maria zu übergeben. …“[123]
Am 05.03.1944 weihten sich die Mitglieder der Gruppe dem heiligsten Herzen Jesu.
Frelichowski gründete auch ein geheimes polnisches Priesterseminar auf Block 28. Um die Berufung der anwesenden polnischen Seminaristen zu stärken und dafür zu sorgen, dass die Berufung im Lager nicht verloren ging. Die jungen Männer sollten die Jahre in der Lagerhaft nicht ungenützt verlieren. Unter den gefangenen Priestern befanden sich zahlreiche Professoren aus Priesterseminaren. Diese unterrichteten 53 Studenten in Theologie und später gab es auch einen Philosophiekurs für 17 Studenten. Zu den Unterrichtsstunden in diesem Priesterseminar trafen sich die Teilnehmer täglich nach dem Abendappell. Frelichowski organisierte deshalb im KZ geheime Zusammenkünfte,[124] Vorträge, religiöse Diskussionen, Gottesdienste und gemeinsames Gebet.
Ende 1944 brach im KZ Dachau Flecktyphus aus. Es war kaum Hilfe für die Kranken von Seiten der Lagerleitung zu erwarten. Sie sperrten die Kranken in abgeriegelte Quarantäne-Baracken, mit Stacheldraht umgeben, um sie dort völlig auf sich allein gestellt und unversorgt sterben zu lassen. Niemand durfte dorthin gehen und ihnen helfen und niemand wollte das. Wegen der hohen Ansteckungsgefahr bestand Lebensgefahr. Anfang 1945 starben täglich weit über 100 Häftlinge, 3000 im Monat. Allein im Februar 1945 starben laut Lagerkartei 3977 und im März 3668 Häftlinge. Vermutlich ist die wirkliche Zahl der Opfer noch höher.„Die kranken Menschen wurden in Barackenräume hineingeworfen und waren von der Welt isoliert. Sie starben auf dem nackten völlig durchgefrorenen Betonfußboden ohne jede Hilfe. In solchen Räumen herrschte eine wahre Hölle, auch weil die Kranken auch unter Darmruhr litten, und ihre Notdurft an Ort und Stelle verrichteten.“[125]
Wie schon zuvor, ging Frelichowski trotz des Verbotes und der Ansteckungsgefahr ab Oktober 1944 vier Monate lang allein und heimlich in die Quarantäneblocks. Auch der Block 30 war von Geistlichen geräumt und mit Typhuskranken belegt worden. Diese Männer lagen nackt und schmutzig dort auf den Brettern. Es herrschten unvorstellbare hygienische Verhältnisse. Keine Krankenpfleger versorgten sie. Nicht mal die Leichen wurden herausgetragen. Frelichowski kroch trotz Wachen mit Maschinen-Gewehren über oder unter dem Stacheldraht zu den Blocks und kletterte durchs Fenster.[126] Er gab Sterbenden, die völlig sich selbst überlassen waren, Brot, zu trinken, wusch Kot ab, hörte die Beichte der Sterbenden und reichte ihnen die Eucharistie. Er verteilte Medikamente. Seine Worte beruhigten die Kranken aller Nationalitäten.[127] Sterbende aller Nationen wollten beichten. Alle Kranken wollten einen katholischen Priester sprechen, sogar die evangelischen Kameraden. Er gab allen Sterbenden die heilige Kommunion, Kameraden aus allen Nationen und Konfessionen.[128]
Niemand wusste von dieser geheimen Tätigkeit als Samariter. Nur einige der engsten Freunde ahnten etwas. Wohl wunderten sich die anderen Priester, weil er spät in der Nacht erst auf seinen Block zurückkehrte und dann seine Kleidung nach Läusen, die den Typhus übertragen, absuchte, um die gesunden Kameraden und sich selbst vor Ansteckung zu bewahren.
Die Lagerleitung hatte seinen Dienst in der Zwischenzeit stillschweigend akzeptiert und Frelichowski den Auftrag erteilt, die Toten der Quarantäneblocks zu zählen. So kam er halboffiziell zu den Sterbenden und brachte Statistiken mit.
Dieses Engagement überstieg schließlich seine Kräfte. Deshalb bat er befreundete Priester um Mithilfe. Er ließ ihnen alle Freiheit, ihre Entscheidung selber zu treffen. Alle wussten, dass die Befreiung bei Kriegsende nahe war und keiner wollte jetzt noch an Typhus sterben. Aber der Einfluss des geistlichen Führers Frelichowski war so groß, dass einige der jüngeren Priester seinem Beispiel folgten und in die Typhusbaracken gingen. P. Zenon Albert Urbanski, OCarm und Wladyslaw Swoboda aus Poznan, waren unter ihnen.
Ende Januar 1945 begann Frelichowski, drei polnische Priester in die Arbeit auf den Typhusblocks einzeln einzuführen, nachdem sie sich mit seiner Hilfe die Erlaubnis dazu bei Lagerleitung besorgt hatten. Ihre Bitte wurde zunächst abgelehnt. Am nächsten Tag erhielten sie jedoch die Genehmigung für die Besuche bei den Typhuskranken. Der übergroße Gestank von Leichen und Kot verschlug ihnen den Atem. Sie konnten sich zuerst nur überwinden, in einer Ecke zu sitzen und Beichte zu hören. Wer noch gehen konnte, kam zu ihnen. Frelichowski kroch in dieser Zeit auf die Betten zu den Sterbenden. „Er legte sich neben einen Sterbenden, hielt seine Hand, tröstete ihn und nahm Beichte ab. Er widmete sich ganz den sterbenden Mithäftlingen. Er wusste, dass der Krieg schon bald zu Ende ist, dass er sein Leben riskiert, dass er vielleicht seine Nächsten nicht mehr sehen würde. Jedoch das Flehen der Leidenden um sein Beisein in ihrer Agonie war für ihn wichtiger.“[129]
Schließlich trat die Lagerleitung offiziell an die Priestergemeinschaft heran und bat um Freiwillige zur Pflege der Typhuskranken. In der Kapelle des Priesterblocks 26 rief der Lagerkaplan Schelling zu freiwilligen Meldungen auf. Mit Frelichowski meldeten sich 32[130] anderen Priester freiwillig zur Pflege der Kranken. Sogar für die Pflege russischer Gefangener, eigentlich Erzfeinde Polens, waren polnische Priester bereit.
Frelichowski konnte diesmal aber selber nicht mehr mit zu den Typhuskranken gehen. Als die Aktion am 14.02.1945 anlief, lag er selber bereits seit 3 Tagen im Revier. Er hatte alles ihm Mögliche getan, um zu helfen. Jetzt mussten andere sein Werk fortsetzen.
Freunde hatten ihn vor der großen Ansteckungsgefahr gewarnt. Er jedoch hatte sein eigenes Leben nicht geschont. Am 11.02.1945 brach Frelichowski auf seinem Wohnblock bewusstlos zusammen. Freunde trugen ihn aufs Revier. Dort, wo er so vielen geholfen hatte, lag er nun selber schwer krank. Die Pfleger unternahmen alles ihnen nur Mögliche, um sein Leben zu retten. Im Fieberwahn entwischte er jedoch seinen Pflegern und lief fiebernd und nackt auf die kalte Lagerstraße. Wollte er auch jetzt noch sterbenden Kameraden helfen? Wiedergefunden wurde er zurück gebracht und zu seiner Sicherheit ans Bett gefesselt. Doch dieser Ausflug hatte Folgen: Wicek bekam eine Lungenentzündung, zusätzlich zur Typhuserkrankung. Jedes Bemühen, ihn gesund zu pflegen, war nun vergeblich.[131] Bis auf die Knochen abgemagert, konnte sein Körper nicht mehr die nötige Kraft aufbringen, um die Lungenentzündung zu überstehen. Seine letzten Lebenstage waren Momente der Qual. Mehrmals täglich besuchten ihn Kameraden. Viele von ihnen waren zur gleichen Zeit auch als Typhuskranke im Revier. Er aber erkannte niemand mehr und fühlte sich in Fiberwahn allein und von allen verlassen. Dazu kamen die großen Schmerzen.
„Die Krankheit des Priesters Frelichowski war sehr kurz, aber schwer… Er starb in der Nacht vom 22. zum 23. Februar 1945, ein kleines Kreuzchen in den Händen haltend “[132]Er starb in vollem Bewusstsein und konnte sogar noch aussprechen, dass er seinen Tod als Gottes Willen annehmen konnte. Seine letzten Worte im Sterben waren: „Jesus, Maria, rettet mich.“
Frelichowski starb für seine Kameraden völlig unerwartet. Als Letzter besuchte ihn Stanislaw Benka, sein Freund aus der Totenkammer, am Abend des 22. Februar 1945. Er merkte nicht, dass Wicek sich kurz vor seinem Ableben befand. Beruhigt verließ er ihn an diesem Abend und war deshalb sehr überrascht, als die Pfleger Wiceks Leib am nächsten Morgen in die Totenkammer brachten. Nur 32 Jahre war Stefan Wincenty Frelichowski alt geworden. Die 6 letzten Jahre, oder 64 Monate, hatte er in Gefangenschaft verbracht. Er starb im Krankenrevier des KZ Dachau auf Block 7, Stube 2. Dort lag er in der untersten Etage eines 3-stöckigen Bettes, irgendwo dicht beim Fenster.
Er opferte sein Priesterleben um Frieden in die Herzen der in der in Einsamkeit Sterbenden zu bringen, die sich dank seines aufopferungsvollen Dienstes mit Gott versöhnt haben. Auch er hatte von der Freiheit geträumt, aber die Mission seines Lebens war schon erfüllt.
Papst Johannes Paul II würdigte ihn mit den Worten: „Er teilte diesen Frieden mit anderen, denn seine Seele schöpfte die Kraft aus dem Frieden Christi.“[133]
In diesen letzten Tagen des Krieges herrschte Chaos im KZ Dachau. Niemand wusste mehr ob seine Freunde noch lebten, wer krank war und wer noch gesund. Die Kräfte reichten oft nur noch für die Sorge um das eigene Leben und für den einzelnen Tag. Trotzdem erschütterte der Tod Frelichowskis viele Kameraden. So geschah etwas noch nie Dagewesenes:
Sein Freund, der Medizinstudent Stanislaw Benka, hatte von Frelichowski viel Hilfe empfangen. (Als Benka krank im Revier lag, hatte Frelichowski ihn seelsorglich begleitet. Da Benka in der Totenkammer arbeitete, konnte er Frelichowski und die Jugendlichen zu den geheimen Treffen dort die Türe öffnen). Durch Vermittlung der deutschen Geistlichen gelang es ihm, von der Lagerleitung die Erlaubnis für die Aufbahrung des Verstorbenen zu erhalten.
Dies war ein besonderes Ereignis im KZ Dachau. Einen Tag lang wurde der Leichnam von Stanislaw Benka vorbereitet. Abends, nach dem Appell, kamen dann ca. 100 Kameraden in den kleinen Raum, um sich zu bedanken und zu verabschieden. Der Leichnam Frelichowskis lag in einem offenen Sarg in einem Meer von weißen Blumen gebettet. Obwohl es im Februar viel zu kalt für Blumen war, hatten die Kameraden sie Blüte für Blüte unter großer Gefahr heimlich aus den Gewächshäusern der Plantage ins Lager geschmuggelt. Blumen lagen dabei. Dies waren eine Manifestation des Glaubens und ein Zeichen der Liebe und Verehrung für den Verstorbenen.
Ein Augenzeuge erinnert sich: „Schweigend und… im Gebet bewegte sich der Zug der Gefangenen in der Leichenhalle. Junge wie Alte, Polen wie Ausländer zogen am Leichnam vorbei. Alle kannten ihn. In diesem Augenblick wurden viele innige Gebete für ihn an den Schöpfer gerichtet. Unzählige Tränen rollten über die Gesichter. Ein geliebter und heiligmäßiger Priester war von ihnen gegangen. Es war ein Mensch gestorben, der sein Leben auf dem Altar der Liebe und Barmherzigkeit dem Nächsten gegenüber geopfert hatte.“ [134]
Alle wussten: hier ist ein Heiliger gestorben. Deshalb wurde alles nur Mögliche getan, um Reliquien und Spuren zu sichern. Der Medizinstudent Stanislaw Bienka, (dieser lebte bei Wiceks Seligsprechung noch und brachte beim Gottesdienst ein Reliquiar zum Papst [135]), fand zufällig Kalk in der Krankenbaracke und nahm dem Toten eine Totenmaske ab. Benka trennte auch heimlich zwei Finger der rechten Hand ab, um Reliquien zu sichern. Einen der Finger versteckte er im Gips der Totenmaske. Der andere wurde mit einer Kalkschicht bedeckt, so dass er aussah „wie ein Stück Kreide“[136]. So ist Frelichowsky der einzige im KZ Dachau ermordete Selige, von dem es Reliquien gibt.
Vor der Bestattung fertigte ein Mithäftling, (der Seminarist Wladyslaw Sarnik aus Wloclawek- er hatte malen gelernt) eine Zeichnung des Gesichtes des Verstorbenen und eine Zeichnung der Totenmaske. Dazu muss man wissen, dass die Gesichter der Typhustoten alle verzerrt waren.[137]
Am Abend des Sterbetages beteten Priester für ihn und entschlossen sich, ihre Erinnerungen aufzuschreiben. Dazu gingen sie nachts auf die dunkle Toilette, dem einzigen ruhigen Ort. Die Sammlung war mit Zeichnungen und eingeklebten Bildern ergänzt, in rotes Leder gebunden. Sie wurde zusammen mit der Totenmaske auf der Plantage vergraben und später nur mit Mühe wiedergefunden. Diese Gegenstände brachte der überlebende Mitgefangene und spätere Bischof Bernhard Czaplinski nach dem Krieg nach Polen und übergab sie der Mutter.[138]
Heute wird die Reliquie in der Marienkirche in Torun aufbewahrt.[139]
Der in der Totenmaske eingegipste Finger befindet sich noch dort. Vom zweiten Finger, der in einem Kalkstück verborgen war, wurden einige kleine Teile abgeschnitten und in Reliquiaren verbreitet. Ca. 13 solcher Reliquiare existieren und können heute die Verehrung des Seligen bezeugen. Auch ein Denkmal würdigt den Seligen Stefan Wincenty Frelichowski. Im Garten des Priesterseminars in Torun ist es aufgestellt. Die Figur Wiceks trägt einen Sterbenden, der Christus symbolisiert. Eine kleine Kopie dieses Denkmals befindet sich in dem Gedenkraum der Gedenkstätte des KZ Dachau.
Die sterblichen Überreste Frelichowskis wurden nach der Überzeugung seiner noch lebenden Familienangehörigen im Krematorium des KZ Dachau verbrannt. Dies soll heimlich organisiert worden sein, um eine würdevolle Bestattung sicher zu stellen. In diesem Fall wäre das Grab des Seligen auf dem Gebiet des Krematoriums in der Gedenkstätte des KZ Dachau.
Es bestehen jedoch Zweifel an dieser Einschätzung. Nach anderen Aussagen war das Krematorium Ende Februar 1945 aus Brennstoffmangel nicht mehr in Betrieb. In diesem Fall wäre keine Feuerbestattung möglich gewesen und Frelichowski wäre in einem Massengrab auf dem Friedhof auf dem Leitenberg in Dachau, Etzenhausen bestattet worden.
Wo finden wir Frelichowskis Spuren im KZ Dachau? In der ersten Zeit wohnte Frelichowski in Baracke Nr. 28[140], Stube 4. Als am 31.10.1941 ein Transport älterer polnischer Geistlicher im Lager ankam, wurden diese in seine Stube in Block 28 einquartiert und Frelichowski auf Block 30, Stube 4 verlegt. Später besuchte er täglich seine alte Stube im Block 28, um den alten Priestern zu helfen. Sie waren zu schwach und konnten jede Hilfe brauchen, z.B. beim „Bettenbau“. Alle diese älteren Priester wurden schließlich als arbeitsunfähig aussortiert und auf einem Invalidentransport ermordet.
In Block 30 wurde Frelichowski der geistliche Vater der 1. Stube, wohin er nach kurzer Zeit aus der 4. Stube verlegt worden war. Nach seiner Krankenzeit im Revier März bis Juli 1942 wurde er ab Herbst 1942 in Block 28, Stube 1 verlegt und auch dort zum geistlichen Vater der Priesterkameraden. Hier im Block 28, Stube 1 gründete er die Caritasorganisation unter den polnischen Geistlichen und die Legion Christi (s.o.). Hier brach er schließlich im Februar 1945 bewusstlos zusammen und wurde schwerkrank ins Revier gebracht. Block 7, Stube 2 war seine letzte Adresse, dort starb er.
Überall auf dem Gelände war er unterwegs um seinen Kameraden zu begegnen und zu helfen. Besonders oft war er auch in den polnischen Wohnblocks 16 und 18, wo er heimlich Hl. Messen feierte und Freunde besuchte. In den ersten ungeraden Blocks des Reviers und in den letzten Monaten auch in den Quarantäneblocks 21, 23, 25, 27, 29 und 30, half er kranken Kameraden und diente Ihnen als Seelsorger.
Einige Schüler aus dem Bund „Legion Christi“ überlebten das KZ Dachau und führten Frelichowskis Ideale weiter. Sie wurden, beseelt von seinen Visionen des Priestertums, besonders gute Priester. Drei katholische Bischöfe: Majdanski, Jez und Czaplinski entstammen seinem Schülerkreis. Als Czaplinski 1948 zum Bischof geweiht wurde, sagte er, an seiner Stelle sollte jetzt eigentlich Frelichowski stehen. Ein anderer enger Schüler war Pater Marian Zelazek, damals Seminarist der Steyler Missionare. Er ging nach dem Krieg nach Indien und verwirklichte Frelichowskis Ideale in seiner Arbeit mit Aussätzigen. Für sie gründete er Schulen und Werkstätten. Sogar für den Friedensnobelpreis wurde P. Marian Zelazek nominiert. Obwohl erst 2006 verstorben, wurde schon ein Seligsprechungsprozess in Indien für P. Marian Zelazek eingeleitet.
Frelichowskis Seligsprechungsprozess wurde 1964 eingeleitet. Seine Verehrung verbreitete sich in Polen. Jährlich fanden Gottesdienste mit Gebet um seine Seligsprechung statt. Sogar Straßen wurden nach ihm benannt.[141]
Im Februar 1995 konnte sein Seligsprechungsverfahren auf diözesaner Ebene abgeschlossen werden. Noch während des Verfahrens wurde auf seine Fürsprache Joanna Grodzicka durch ein Wunder geheilt. Sie trat in den Karmel ein.
Die Seligsprechung wurde am 07.06.1999 in Torun von Papst Johannes Paul II gefeiert, einige Tage vor der Seligsprechung der 108 polnischen Märtyrer, Opfer des Nationalsozialismus. Frelichowskis Schwester Marcjanna Jaczkowska durfte als letzte Überlebende der Familie dem Papst den Reliquienschrein ihres Bruders überreichen. Papst Johannes Paul nannte ihn „Zeuge einer großen Sache“.[142]
Weiter forderte der Papst die Kirche von Torun auf, sein Gedenken zu wahren, um an die großen Werke Gottes zu erinnern, die Gott im kurzen Leben dieses Priesters vollzogen hat.[143]
Aus der Predigt von Papst Johannes Paul II: „Dieser Toruner Priester, der den seelsorgerischen Dienst nur knapp 8 Jahre lang getan hat, gab ein gut lesbares Zeugnis seiner Hingabe an Gott und Menschen. Mit Gott im Herzen, ging er seit den ersten Jahren seines Priesterlebens, mit dem Reichtum seines Priestercharismas, überall dort hin, wo die Gnade der Erlösung benötigt wurde. Er lernte die Geheimnisse der menschlichen Seele kennen und passte seelsorgerische Methoden an Bedürfnisse eines jeden Menschen an, dem er begegnete. Diese Fertigkeit erlernte er während des Pfadfinderdienstes – Schule der Sensibilisierung auf Bedürfnisse der Anderen und entwickelte sie ständig im Sinne des Gleichnisses vom guten Hirten….
Das sogenannte Fort VII, Stutthof, Grenzdorf, Oranienburg-Sachsenhausen und schließlich Dachau – das sind die Stationen seines Kreuzweges, auf denen er unverändert blieb: unerschrocken bei der Erfüllung seines seelsorgerischen Dienstes. Er ging vor allem zu Menschen, die ihn am meisten brauchten – zu den massenweise an Typhus sterbenden, dessen Opfer er selbst schließlich wurde. Er hat sein Priesterleben Gott und den Menschen gewidmet, indem er den Kriegsopfern Frieden verkündete. … Wir nehmen mit großer Dankbarkeit das Lebenszeichen des seligen Priesters Stefan Wincenty Frelichowski an, eines Helden unserer Zeit, Priester und Friedensmenschen, als einen Appell an unsere Generation.“[144]
Zum Schluss seiner Homilie sagte der Heilige Vater: „Ich wende mich an die gesamte Familie der polnischen Pfadfinder mit der, der neue Selige zutiefst verbunden war. Er soll für Euch zum Patron werden, ein Lehrer des Edelmutes, Fürsprecher des Friedens und der Versöhnung.“[145]
Seitdem verbreitet sich seine Verehrung auf weitere Teile der Welt. In diesen Tagen (April 2014) pilgern seine Reliquien um die Welt: England, Frankreich, USA, Kanada, Australien. In Afrika (Sambia) war schon früh eine Frelichowskikapelle geweiht worden. Diese wird jetzt durch eine größere Frelichowskikirche ersetzt.
Am 23.03.2008 konnten entsprechend dieser Aufforderung des Papstes deutsche und polnische Pfadfinder eine gemeinsame Gedenkfeier begehen.[146]
Anlässlich des 100. Geburtstages des Seligen fand am 06.-12.08.2013 in Toruń ein internationales Pfadfindertreffen mit dem Titel „Wicek 2013“ statt.[147]
Auch zum 100. Geburtstag des Patrons der Pfadfinder fand am 14.-15.12.2013 in Dachau und München eine Wallfahrt polnischer Pfadfinder statt.[148] (auch wir berichteten darüber)
Monika Neudert
ZITATE:
„Die Guten müssen Mut fassen, um die Anderen und sich selbst zu retten!“
„Nur die Liebe macht einen Menschen stark und mutig, nur die Liebe beseitigt alle Ängste.“
„Das Böse flieht feige vor der Tapferkeit und dem stillen Mut der Güte.“
„Ein guter Mensch ist nicht unbedingt einer, der beim Anblick eines blutenden Fingers in Ohnmacht fällt! Ein guter Mensch zeigt nicht immer ein entzücktes Gesicht, als hätte er Honig im Mund! Ein guter Mensch liebt Wahrheit und Ehrlichkeit über alle vorübergehende Gewinne. In der Einfachheit des Lebens drückt er Einfachheit und Aufrichtigkeit des Herzens aus und tut Gutes dort, wo er Beleidigung und Undankbarkeit erwarten kann. Ein guter Mensch hat keine Angst vor Gemeinheit und übermächtiger Brutalität, aber er bekämpft sie überall mit demütigem Mut und wahrer Tapferkeit…
Ein guter Mensch kennt Angst und Furcht nicht, jede Befürchtung ist ihm fremd: er fürchtet nicht einmal Gott, da er ihn einfach liebt! Ein guter Mensch braucht nicht zum Opferdienst für das Vaterland angetrieben werden, man braucht ihn nicht mit der Erschießung für Fahnenflucht oder mit dem Kerker für Betrügereien bedrohen… Weil ein guter Mensch sich nicht fürchtet, sondern er liebt! Nur die Liebe macht einen Menschen stark und mutig, nur die Liebe beseitigt alle Ängste, nur die Liebe lässt keine Zusammenbrüche und unvorhergesehene Ereignisse zu! Das Böse flieht feige vor der Tapferkeit und dem stillen Mut der Güte.“
Zitate aus Briefen aus dem KZ Dachau in deutscher Sprache!:
Brief vom 28.11.1943: „Teure Eltern es ist gerade der erste Adventssonntag… Die tiefe Hoffnung auf Frieden durchschwebt (sic) alle Herzen. Ich kann nicht mehr schreiben, aber ich bin davon überzeugt. … Jedes Opfer hat seinen Sinn. Diesen Sinn kennt Gott am besten. Es sind Zeiten, in denen die Schicksale einzelner Menschen dem Schicksal ganzer Völker und größerer Ideen untergeordnet werden müssen. Und trotzdem hat auch das Schicksal jedes einzelnen Menschen Wert und Sinn. Aber nur in Gottes Händen. Er ist unser und aller Vater. Und er ist die Liebe. … Und die Liebe möchte als Abbild des Vaters in allen Herzen sein. Denn trotz allen Kriegen, Verwirrnissen, Leiden und Bösen, nur die Liebe wird siegen. Und alles vergeht, nur die Liebe bleibt. Sie ist das kostbarste, was alle Menschen unter sich binden kann.… Was nutzt es Hass oder Gleichgültigkeit für Menschen zu empfinden? Wer liebt, der hat auch Vertrauen, in Menschen und in Gott. Weihnachten ist das Fest der Familienliebe und der Liebe, die Gott den Menschen als Sich selbst schenkt. (sic)
22.01.1944 (an seinem 31. Geburtstag) : „Teure Eltern es sind jetzt wirklich schwere Schicksalsstunden. Aber die Lage ist keineswegs hoffnungslos. Wir können nur durch Opfer des täglichen Lebens und Gebete helfen, damit die Sonne leuchten möge. Aber leuchten wird sie dann bestimmt. Glaube und Kraft ist und wird in uns sein… Der Krieg nähert sich seinem Ende, das ja. Aber welche schweren Stunden können noch sein! Vertrauen auf Gott und in seine Gnade möge Euch und allen Kraft geben! Auf Wiedersehen meine innig geliebten Eltern und Geschwister und Ihr alle. Stefan“
22.10.1944: „Man muss wirklich Mut haben um richtig zu leben in solchen Zeiten. Und es freut mich, dass Du solchen Mut hast und ich bin überzeugt, dass Du es weiter finden wirst. Keine Bigotterie, aber einfache Zuversicht in Gottes Vorsehung. Die Quellen des ewigen Lebens kennst Du doch. Mehr brauche ich nicht zu schreiben. Wenn Du es wirklich tust, genügt es auch für die noch schwereren und unsichereren Zeiten, welche vor uns allen stehen und welche wir erwarten müssen durch alle, in allen Kreisen. Also liebe Stasia hab nur Mut, dessenQuelle kennst Du. Und immer, aber auch immer denen zu helfen, die es noch schlimmer haben, denen aus Deiner nächsten Umgebung. Nur helfen wollen, nur trösten wollen, und um sich wach zu schauen und die Gelegenheit zur guten Tat steht schon vor uns. Jeder hat in sich selbst ein größeren Schatz, als nur im Essen und Trinken oder sich zu Bekleiden, um das Ziel des Strebens der Tagesmühe zu sehen. Deswegen wünsche ich Dir, dass Deine Tage wertvolle seien, dass sie Dir und den anderen das gütige und dankbare Lachen bringen mögen. Und so wie das Hassen, das Grollen, das Brummen diejenige, die auf sie stoßen, zu Trägern und Anstecker der gleichen Krankheit machen, so aber auch das Gute, das sich Gebende, das brüderlich und mitleidig Liebende.Nur das kann die Tage auch jedes bescheidenen Menschen erhellen und mit Sonne erfüllen. Nicht nur das Empfangen, sondern noch mehr das Geben. Und nur das gibt einem, der nach dem Verlust eines innig geliebten Menschen wie zerstört ist – Leben wieder immer auf Neue, seinen Inhalt, seinen Wert und endlich sein Glück. … Dann braucht Ihr nicht täglich die Gelegenheit zur beglückenden guten Tat suchen. Dann, nach einem entscheidenden Beschluss ob Du schon willst oder nicht, ruft jeder Tag zur Erfüllung seinen, Dich beglückenden Pflichten.
…Mit Grüßen von ganzem Herzen für Dich, für die lieben Eltern, … sende ich Dir diese paar brüderlichen Worte zum baldigsten Wiedersehen. Euer Stefan
Gebet: Allmächtiger und barmherziger Gott, Du gibst uns Hirten nach Deinem Herzen, indem Du sie zur selbstlosen Liebe nach dem Vorbild Jesu Christi, des Guten Hirten befähigst.
Von dieser Liebe erfüllt, starb der Priester Stefan Wincenty Frelichowski, der an Christi Leiden Anteil hatte,den Märtyrertod im Dienst an den Mitmenschen, die das Übermaß an Leid, Schmerz und Verlassenheit erlitten hatten.
Im finsteren Tal fürchtete er das Böse nicht, sondern besiegte das Böse mit dem Guten.
Gewähre mir, Herr, auf Fürsprache des seligen Stefan Wincenty Frelichowski die Gnade …, um die ich bitte.
Bewirke in Deiner Güte, dass der heroische Zeuge der Hirtenliebe bald zur
Ehre der Heiligen erhoben werde, der Du lebst und herrschst in Ewigkeit. Amen.
Über jedes erhörte Gebet auf die Fürsprache des sel. Stefan Wincenty Frelichowski
informieren Sie bitte: Thorneer Diözesankurie, Ul. Łazienna 18,
PL.- 87-100 Torun, Tel. 0-56/6223530; Fax: 0-56/ 6210902.
[1 Zadura, Robert Zadura, Der selige Priester Stefan Wincenty Frelichowsky, Torun 2009, S. 28
[2] Bericht der jüngeren Schwester Flelichowskis, Marcjanna, www.brewiarz.pl
[3] Zadura, S. 26
[4] Zadura, S. 19f
[5] Zadura, S. 27
[6] Zadura, S. 36
[7] Holzapfel Helmut, Pfadfinder zu Gott, Baunach 1988, S. 12
[8] Zadura, S. 12
[9] Holzapfer, S. 14
[10] Schwester s.o.
[11] Zadura, S. 45
[12] Zadura, S. 43
[13] pl.wikipedia.org/wiki/Stefan_Wincenty_Frelichowski
[14] Zadura, S. 12
[15] Zadura, S. 12
[16] pl.wikipedia.org/wiki/Stefan_Wincenty_Frelichowski
[17] pl.wikipedia.org/wiki/Stefan_Wincenty_Frelichowski
[18] Holzapfe,l S. 16
[19] Holzapfel, S. 19f
[20] Zadura, S. 12
[21] Andere Übersetzung nach pl.wikiquote.org/wiki/Stefan_Wincenty_Frelichowsky; beide zusammen in diesem Zitat verarbeitet
[22] Holzapfel, S. 17
[23]Holzapfel, S. 17
[24] Zadura, S. 31
[25] Holzapfel, S. 21
[26] Holzapfel, S. 21
[27] P. Joseph Augustine SJ, Konferenz Nationalkongress der Berufungen, Jasna Gora, Mai 2000
[28] Holzapfel, S. 21
[29] Zadura, S. 50
[30] Schwester s.o.
[31] Zadura, S. 13
[32] Zadura, S. 51
[33] Zadura, S. 65
[34]P. Augustin, a.a.O.
[35] http://de.zhr.pl/index.php?id=4
[36] www.pfadfinder-treffpunkt.de
[37] http://de.zhr.pl/index.php?id=4
[38] Zadura, S. 63
[39] Holzapfel, S. 23
[40] http://pl.wikipedia.org/wiki/Stefan_Wincenty_Frelichowski
[41] Zadura, S.13
[42] Zadura, S. 62
[43] Holzapfel, S. 23
[44]Holzapfel, S. 23
[45] Pl.wikiquote.org/wiki/Stefan_Wincenty_Frelichowsky
[46] Zadura, S. 13
[47] Zadura, S. 12
[48] P. Augustine, a.a.O.
[49] P. Augustine, a.a.O.
[50] P. Augustine, a.a.O.
[51] Zadura, S. 13
[56] Zadura, S. 13
[57] Zadura, S. 13
[58] Zadura, S. 80
[59] www.igw-resch-verlag.at
[60] www.igw-resch-verlag.at
[61] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[62] Zadura, S. 87
[63]www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[66] Zadura, S. 89
[67] Holzapfe,l S. 25
[68] Zadura, S. 92
[69] Wikipedia
[70] P. Augustine, a.a.O
[73] Internet: www.wnmptorun.diecezja.toun.pl
[74] www.niedziela.pl
[75] Zadura, S. 91
[76] Interview mit seiner Schwester s.o.
[77] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[78]Wikipedia
[79]www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[80]Interview mit der Schwester www.kath.net/detail.php?id=7576
[81] Zadura, S. 97
[82] Zadura S. 102
[83] Resch, www.igw-resch-verlag.at/seligeheilige/index.html?http://www.igw-resch-verlag.at/seligeheilige/band4/nowowiejski.html
[84] Zadura . S. 103
[85]www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[86] Zadura, S. 106
[87] pl.wikipedia.org/wiki/Stefan_Wincenty_Frelichowski
[88] Zadura, S. 107f
[89] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[90] www.igw-resch-verlag.at/seligeheilige/index.html?http://www.igw-resch-verlag.at/seligeheilige/band4/nowowiejski.html
[91] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[92] Zadura
[93] Zadura, S. 111
[94]Zadura, S. 114
[95] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[96] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[97]www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[98] Zadura, S. 33
[99] Schwester
[100] http://theblackcordelias.wordpress.com/2009/02/23/blessed-wincenty-stefan-frelichowski-february-23/
[101] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[102] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[103] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[104]www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[105]Zadura, S. 13
[106] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[107]www.igw-resch-verlag.at/seligeheilige/index.html?http://www.igw-resch-verlag.at/seligeheilige/band4/nowowiejski.html
[108] Zadura, S. 114
[109] www.igw-resch-verlag.at/seligeheilige/index.html?http://www.igw-resch-verlag.at/seligeheilige/band4/nowowiejski.html
[110] www.igw-resch-verlag.at/seligeheilige/index.html?http://www.igw-resch-verlag.at/seligeheilige/band4/nowowiejski.html
[111] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[112] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[113] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[114] Zadura, S. 121
[115] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[116] Zadura, S. 119
[117]www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[118]www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[119] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[120] Zadura, S. 14
[121] Zadura, S. 122
[122] Majdanski, Kazimierz, Ihr werdet meine Zeugen sein… Meine Zeit im KZS. 113
[123] Majdanski, a.a.O.
[124] Zadura, S. 14
[125] Zadura, S.125
[126] www.igw-resch-verlag.at/seligeheilige/index.html?http://www.igw-resch-verlag.at/seligeheilige/band4/nowowiejski.html
[127] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[129] Zadura S. 126
[130] Zeitung „Sto Lat“: http://www.zhppgk.org/organizacja_harcerek/egazetka_5/gazetka_5_patron_harcerstwa.htm
[131] www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[132] Zadura, S. 126
[133] Zadura, S.14
[134] http://www.igw-resch-verlag.at/seligeheilige/index.html?http://www.igw-resch-verlag.at/seligeheilige/band4/nowowiejski.html
[135] Zadura. S 139
[136] www.sciaga.pl
[137] Rost, Nico, Goethe in Dachau, S. 257
[138]Zadura,.S. 130
[139] Zadura, S. 143
[140] Zadura, S. 117, www.katolik.pl/bl–ks–wincenty-frelichowski,497,416,cz.html
[141] Zadura s 12
[142] Zadura
[143] Zadura, S. 12
[144] Zadura, S. 14
[145] Zadura, S. 13
[146] Scout-o-wiki.de
[147] http://pl.wikipedia.org/wiki/Stefan_Wincenty_Frelichowski
[148] Monachium.msz.gov.pl
Carl Lampert
Geb 09.01.1894 Göfis bei Feldkirch, Österreich
Verhaftet wegen einer Verleumdung: Spionage
KZ Dachau 25.08 1940 bis 01.10.1940
hingerichtet 13.11.1944 in Halle
Selig gesprochen 13.11.2011
Seliger Carl Lampert, bitte für uns! Gedenktag: 13.11.
Inhaltsübersicht:
Kurzbiografie
Der selige Carl Lampert wurde am 9. Januar1894 in Göfis, Vorarlberg, Österreich in einer armen aber frommen Bauernfamilie geboren. Nach Schulzeit und Studium empfing er die Priesterweihe am 12. Mai 1918. Bis zum Jahr 1930 war er als Kaplan in Dornbirn eingesetzt und mit seiner charmanten, fröhlichen Art sehr beliebt. In den Jahren 1930 -1935 studierte er Kirchenrecht in Rom. Zurück in der Diözese Innsbruck, bestand seine Aufgabe darin, den Aufbau des kirchlichen Gerichts zu überwachen.
Lampert wurde am 15. Januar 1939 zum Provikar der Diözese Innsbruck ernannt und war somit zum Stellvertreter des Diözesanbischof von Innsbruck, Rusch, geworden.
In der harten Auseinandersetzung der österreichischen Kirche mit Gauleitung und Gestapo im Österreich der Zeit nach dem „Anschluß an Deutschland“, war er an vorderster Front. Da sein Bischof von den Behörden nicht als Verhandlungspartner anerkannt wurde und auf Befehl des Führers auch nicht verhaftet werden durfte, war er das Ziel des Kirchenkampfes in seiner Diözese. Mutig protestierte und kämpfte er und gefährdete dabei seine eigene Person.
Im Zusammenhang mit seinem Einsatz gegen die Enteignung des Klosters der ewigen Anbetung in Innsbruck, März 1940, wurde er für einige Tage festgenommen. Ein weiteres Mal wurde er Ende März wegen eines Berichts in Radio Vatikan über die Verfolgung der katholischen Kirche in Innsbruck und Vorarlberg festgenommen. Die Gestapo hielt ihn für verantwortlich für diese Sendung. Am 5. Juli 1940 wurde er zum dritten Mal verhaftet, diesmal wegen des Verfassens der Todesanzeige für den 1996 selig gesprochenen Pfarrer Otto Neururer. Carl Lampert wurde daraufhin am 25.08.1940 ins KZ Dachau eingewiesen, danach folgte ein Aufenthalt im KZ Sachsenhausen, wo er bei schwerster körperlicher Arbeit und Hunger mehrere Tötungsversuche überlebt hatte.
Erstaunlicher Weise gaben ihm der Glaube und das Vertrauen in Gottes Fügung Kraft durchzuhalten. Ein Mitgefangener flüsterte ihm zu: „Martyres sumus“ (dt: Märtyrer sind wir), worauf Carl Lampert antwortete: „in Christi nomine pro ecclesia“ (dt: im Namen Christi für die Kirche).
Nach drei Monaten im KZ Sachsenhausen wurde Carl Lampert am 15. Dezember 1940 zurück ins KZ Dachau gebracht, wo er noch weitere acht Monate inhaftiert blieb. In der dortigen Priestergemeinschaft war er sehr beliebt. Am 1. August 1941 wurde er freigelassen, jedoch aus seiner Heimat ausgewiesen. Er erhielt einen sogenannten Gauverweis. Der Aufenthalt wurde ihm in Pommern befohlen. Daraufhin nahm er seinen Wohnsitz in Stettin. Dort war er als Seelsorger tätig.
Unter dem Decknamen Hagen wurde ein Gestapomitarbeiter als Lockspitzel auf ihn angesetzt, der ihn zur Spionage verleiten sollte. Carl Lampert ließ sich darauf nicht ein. Trotzdem lieferte der Gestapomitarbeiter ein belastendes, weil erlogenes, Protokoll ab. Auf Grund dessen wurde Carl Lampert am 4. Februar 1943 zusammen mit etwa 40 Geistlichen und Ordensschwestern aus Stettin und Umgebung verhaftet. Es folgte Haft. Er musste Verhöre und grausame Folter über sich ergehen lassen, blieb aber seinem Glauben und der Liebe zur Kirche treu.
Am 20. Dezember 1943 wurde er zum Tode verurteilt. Dieses Urteil musste jedoch aufgehoben werden, da sich der vorsitzende Richter aus Gewissensnot vor Unterzeichung des Urteils erschoss.
Auch ein zweites Todesurteil musste aus Formmängeln aufgehoben werden. Endgültig und zum dritten Mal zum Tode verurteilt wurde Carl Lampert am 08.09.1944.
Aus der Haftzeit sind zahlreiche Briefe erhalten, die von großen inneren Kämpfen und Leid sprechen, aber auch ein beeindruckendes Zeugnis seiner Hingabe an Gottes Willen geben.
Am 13. November 1944 wurde er im Zuchthaus „Roter Ochse“ in Halle an der Saale mit dem Fallbeil hingerichtet.
Carl Lampert wurde am 13. November 2011 in der Stadtpfarrkirche St. Martin in Dornbirn (dort war er jahrelang Kaplan gewesen) von Kardinal Angelo Amato selig gesprochen.
Monika Neudert
Zitate
Auf die Warnung eines Freundes er möge sich etwas zurückhalten, antwortete der Provikar Carl Lampert: „Herr Schwarzenberger, Ich kann nicht anders, als meine Pflicht erfüllen, und wenn schon! Mein Leben liegt in Gottes Hand!“
„Ich konnte mit meinen Gedanken, die wie Wogen auf mich einstürzten, nicht allein in meinem Zimmer bleiben, ich ging hinüber ins nahe Heiligtum, vor den Tabernakel zu dem, der mir alles ist und dem zu lieb, Gott weiß es, mir auch mein Leben nie zu teuer ist und kein Opfer zu viel sein wird.“
„Sollten auch noch schwere Tage kommen, ganz gleich, wir wissen um die Sieghaftigkeit unseres herrlichen Glaubens, u. Gott ist gut, was immer er zulässt… es ist immer beglückende Vatergüte, ich durfte es erfahren.“
„Der Zeiten Dunkel und Möglichkeiten lassen uns keineswegs beneidenswerte Zeitgenossen mit allem rechnen; gut ist nur, dass im dunklen Zeitenbild ein unzerstörbar helles Licht leuchtet. Gottes Vorsehung und Vaterliebe, in ihr sind wir trotz allem wohl geborgen – ich weiß und erlebe es!“
„Auf das Angebot seine Priesterberufung aufzugeben antwortete Carl Lampert: „Herr Kommisar, ich liebe meine Kirche. Ich bleibe meiner Kirche treu und auch dem Priesteramt. Ich halte zu Christus und liebe die Kirche Jesu!“
„Es ahnt´s niemand, was für trostlose Stunden und Stürme für Seele und Gemüt in solcher Lage durch zu kämpfen sind, nur Gott sieht es. Doch genug von diesem Lied! Zwei Dinge geben mir zu allem Kraft, der Vorsehungsglaube und das manchmal geradezu greifbare Fühlen, wie nahe der Herr mir ist; wie glücklich und dankbar bin ich Ihm dafür und denen, die mir dazu helfen. So sei mein Leid der gehorsame Beitrag zu dem, wozu Gott es geschickt. Damit basta und Streusand drauf.“
„Die Liebe stirbt niemals – erst recht nicht, wenn sie leiden muss!“
„Nun ist mein Trost und meine Stärke Matthäus 5,11: „Selig seid Ihr, wenn Euch die Menschen schmähen und verfolgen und alles Böse fälschlich wider Euch aussagen um meinetwillen! Freut Euch und frohlocket; denn Euer Lohn ist groß im Himmel!“…Alles steht in Gottes Hand, auf ihn vertraue ich, seinen Willen erfüllen will ich und bin bereit – auch zum Letzten. Nun ist alles noch ein Wettlauf der Zeit mit dem Tode – und „irgendeine Erlösung naht!““
„Herr, Dir zu lieb und tut´s auch noch so weh!“…
“ … Liebe in Not – wie leidest du rot!…denn die Liebe stirbt nicht!.. Gott wird abwischen alle Tränen, – auch die meinen! …Liebe wie leidest Du in dem Hass dieser Zeit! Hass der Zeit, wie quälst Du die Liebe der Ewigkeit.“
„Jesus lass mich nun Dein sein für immer und bei Dir sein. So trete ich mein letztes Opfer an…meine letzte Anbetung des eucharistischen Heilands. – O wie danke ich ihm!.. So spreche ich jubelnd mein Ite missa est… – und segne noch einmal alle, alle, die meinem Herzen nahe sind.“ Aus dem Abschiedsbrief an den Bruder vor der Hinrichtung
„Mein Leben für Christus, die liebe Heimatkirche und alle ihre Priester und Ordensleute, ihre Jugend und jeglichen Stand – dass Christus allen alles sei. Vergib mir all die Sorge, die ich Dir bereitete; … Gottes Wille, – fiat! – und tut´s auch noch so weh!….Wie freue ich mich, Christus und die liebe Mutter zu sehen. Wiedersehen bei Ihm, wie ich hoffe, zum ewigen Magnificat! In Christi Liebe, lebe wohl! So muss ich mich zum letzten großen Schritt vorbereiten.“
Die angegebenen wörtlichen Zitate sind entnommen: (weitere Literatur finden Sie unter diesem Link)
Provikar Dr. Carl Lampert, Zeuge in gnadenloser Zeit, Dokumentation, Verlag Kirche Innsbruck, 1999
Susanne Emerich (Hg.), Carl Lampert, Hätte ich nicht eine innere Kraft…, Leben und Zeugnis, Tyrolia, Innsbruck 2011
P. Gaudentius Walser OFMCAP, Dreimal zum Tod verurteilt, Carl Lampert – ein Glaubenszeuge für Christus, Christiana-Verlag Stein am Rhein, Salzburg, 1985
P. Gaudentius Walser OFMCap, Der Selige Carl Lampert, Botschaft an uns, Visionen 2000, 1/2012, S 19f
Biografie
Text folgt in kürze
Alojs Andritzki
* 02.07.1914 in Ratibor
Verhaftet am 21.01.1941, wegen Seelsorge an polnischen Zwangsarbeitern und der prophetischen Aussage über die Verfolgung von Christen durch den Nationalsozialismus:
“ Der Kampf geht bis aufs Messer, ihr müsst euch an so etwas gewöhnen.“
KZ Dachau ab 02.10.1941
† 03.02.1943 im KZ Dachau
Seliggesprochen 13.06.2011, Gedenktag: 03.02.
Seliger Alojs Andritzki, bitte für uns!
Inhaltsübersicht
Kurzbiografie
Der Selige Alojs Andritzki wurde am 2. Juli 1914 in Radibor geboren. Sorbischer Abstammung, war der katholischer Priester Kaplan des Bistums Meißen. Nach dem Abitur studierte er, wie seine drei Brüder, Theologie. Im Anschluss an seine Studienzeit in Paderborn war er ein Jahr am Priesterseminars des Bistums Meißen in Schmochtitz bei Bautzen.
Am 30. Juli 1939 wurde Alojs Andritzki im Dom zu Bautzen zum Priester geweiht. Danach erhielt er seine erste und einzige Stelle als Kaplan an der Hofkirche in Dresden zugewiesen. Er engagierte sich für Kinder- und Jugendarbeit, wurde auch zum Seelsorger der Dresdener Kapellknaben und der Dresdener Kolpingfamilie ernannt.
Am 21. Januar 1941 wurde Alojs Andritzki festgenommen. Die Anklage lautete: „heimtückische Angriffe auf Staat und Partei“. Zur geplanten Entlassung nach der abgesessenen Haftstrafe am 15. August 1941 kam es nicht. Alojs Andritzki wurde wieder verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau abtransportiert, wo er unter der Häftlingsnummer 27829 geführt wurde. Auf dem Transport ins KZ Dachau lernte er den Benediktiner Pater Maurus Münch aus Trier kennen. Beide nahmen sich vor, im Lager niemals zu klagen, niemals ihre Ehre als Akademiker mit Füßen zu treten und keinen Augenblick ihre priesterliche Berufung zu vergessen. Andritzki ist diesem Versprechen treu geblieben. Er unterstützte seine Mithäftlinge wo immer er konnte. Andritzki litt wie alle an Hunger und der schweren Arbeit auf der Plantage. Zum Jahreswechsel 1942/43 erkrankte er an Typhus. Am 19. Januar 1943 meldete er sich im Krankenrevier. Als er im Sterben lag, bat er um die Sterbesakramente. Der Pfleger aber erwiderte nur: „Christus will er, eine Spritze bekommt er.“. Er ermordete Alojs Andritzki daraufhin mit einer Giftspritze am 3. Februar 1943.
Am 13. Juni 2011 wurde Alojs Andritzki in einem Pontifikalamt vor der Hofkirche in Dresden selig gesprochen.
Biografie
(nach Vortrag von Monika Neudert am 26.01.2012, Pfarrei Maria vom Guten Rat, München )
Alojs Andritzki wurde 1914 in Radibor geboren, als Sohn eines Lehrers. Er war außergewöhnlich sportlich, aber auch musikalisch und künstlerisch sehr begabt.
Als Sorbe war er geboren in ein slawisches Volk, das als Minderheit zweisprachig im heutigen Mitteldeutschland lebt. Diese Gruppe hat über Jahrhunderte ihre Identität und ihre Sprache bewahrt. Die sorbische Identität ist sehr stark mit dem katholischen Glauben verbunden.
Schon in der Jugend engagierte sich Andritzki als Jugendleiter in Gruppen mit sorbischen Schülern und später auch Studenten. Er gab seine Kultur und den katholischen Glauben weiter.
Er legte 1934 sein Abitur mit Auszeichnung ab und studierte Theologie. Schon unter den Studenten fiel er auf, weil er ein ganz besonders fröhlicher und offener junger Mann war. Er war aber auch ein sehr tief religiöser Mensch.
Kurz vor der Priesterweihe schrieb er: „… und mein ganzes weiteres Leben soll ein herrlicher, großer Lobpreis sein auf Gott. Christus mein alles. Ich schwöre mir entschlossen den Weg der Berufung in der Nachfolge Christi zu gehen. Nichts irdisches mehr kann mich begeistern, ganz bin ich für Gott.“
Er wurde im Juli 1939, kurz vor Kriegsbeginn, zum Priester geweiht.
Er erhielt als erste und einzige Kaplanstelle die Stelle an der Hofkirche in Dresden. Das war eine besondere Auszeichnung, gleich zu Beginn dorthin berufen zu werden. In Dresden war sein Aufgabengebiet, neben der Spendung der Sakramente, in erster Linie die Jugend und auch die Kinder. Er war dort wirklich glücklich.
An seine Schwester schrieb er: „ Ach wie schön ist es doch, so nahe vor Gott stehen zu dürfen. Ich bin glücklich. Dir wünsche ich auch eine solche Seligkeit.“
Eineinhalb Jahre war Alojs Andritzki in Dresden Kaplan und sehr beliebt bei der Jugend. Er gewann die Herzen aller.
Ein Mitkaplan schreibt über ihn: „Er sorgte für die Fülle des Daseins und der Freude. Sportlich war er, diskussionsfreudig, musikalisch, künstlerisch begabt, sowie von umwerfender Heiterkeit und Fröhlichkeit, die einfach jeden, der mit ihm zu tun hatte, begeistern musste. Seine beispielhafte Hilfsbereitschaft machte ihn bei allen beliebt.“
In den Gruppenstunden mit Jugendlichen wagte er es über den Nationalsozialismus zu diskutieren, er wollte die ihm Anvertrauten immun machen für diese Lehre.
Hier ein Bericht, wie der neuer Kaplan seine erste Gruppenstunde fröhlich und spektakulär gestaltete: „Als er als neuer Kaplan zum ersten Mal zu seiner Jugendgruppe kam, lief er im Handstand über die Tische – die Jugendlichen standen im Halbkreis um die Tische herum. Er machte einen Abgang im Salto, kam mit beiden Füßen auf, hatte dabei die Hand schon an der Stirn, und fing dann mit dem Kreuzzeichen an, das Eröffnungsgebet des Treffens zu sprechen. Die Jungs haben getobt vor Begeisterung.“
Seine Jugendlichen hatten ihn auch echt gerne, sie sagten: „… Für Alojs Andritzki wären wir alle durchs Feuer gegangen.“
Doch Alojs Andritzki verlor sich nicht in der Arbeit. Seine Seele war ganz bei Gott. „In der Seele von Alojs flammte jene heiße Liebe zu Gott und den Heiligen, ein wahres inneres Gespräch mit Christus, unserem Herrn, war in ihm lebendig. So dachte und urteilte er immer vom Herrn aus, der ihm in der tieffromm gefeierten heiligen Messe….und im Breviergebet begegnete…“ so wurde er beschrieben.
Er war voll Freude und Begeisterung über seinen Glauben. Er schrieb: „Da wir doch mit dem Quell aller Freuden und alles Schönem in so enger Verbindung stehen,…“. Gott war die Quelle seiner Kraft und Begeisterung.
Er kam mit den Nationalsozialisten schon sehr früh durch sein Engagement für sorbische Jugendliche in Konflikt. Deshalb wurde er schon in der Jugendzeit beobachtet und eine Gestapoakte wurde über ihn geführt. Letzter Auslöser für seine Verhaftung 1939 war schließlich eine Bemerkung, zu der er sich hinreißen ließ. Es war im Januar 1941, nach einem weihnachtlichen Theaterstück, das er mit seinen Jugendlichen in einer Kirche aufgeführt hatte. Beim Verlassen des Gebäudes nach der Aufführung, wurden die Namen der Teilnehmer von der Gestapo aufgeschrieben. Die Jugendlichen waren natürlich erschrocken und in Sorge. Andritzki sagte in dieser Situation zu ihnen: „Das ist erst der Anfang, der Kampf geht noch bis aufs Messer.“
Dieser Satz wurde der Gestapo gemeldet. Alojs Andritzki wurde gefangen genommen. Ihm wurde zusätzlich zur Last gelegt, dass er mit polnischen Kriegsgefangenen Messe gefeiert und Beichte gehört hatte. Bei den folgenden Verhören wurde ihm angeboten, für den Nationalsozialismus zu arbeiten und die Kirche zu verlassen. Das wäre der Preis für seine Freiheit. Dieses Angebot lehnte Andritzki ab. Es folgte das Gefängnis. Dort im Gefängnis schrieb er: „…seid um mich unbesorgt, die Freude ist aus meinem Herzen nicht geschwunden. Mein Leben ist wegen der äußeren Umstände mehr nach innen gekehrt. Die Freude ist inniger und tiefer.“
In ihm war auch ein tiefes Vertrauen zu Gott. „Wir wissen ja: nichts geschieht von ungefähr… Gott führt uns überall! Und es ist nicht immer ein gerader und bequemer Weg! Doch jeder Weg führt zum guten Ziele, wenn man der Führung Gottes vertraut ….“ Er schrieb auch: „Christus trägt das Kreuz für die Kirche, da können wir als seine Freunde nicht müßig zusehen- sondern mittragen…So wird es mir leichter, ja man wird froh. Man trägt es ja nicht allein- Christus trägt ja mit. Da braucht man nicht zu verzagen.“
Er wurde angeklagt, ein Prozess fand statt und er wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Doch wie er nach einigen Monaten freigelassen werden sollte, wurde er in Schutzhaft genommen und ins KZ Dachau gebracht.
Am 02.10.1941 kam er im KZ Dachau an. Er wurde mit Beschimpfungen, Schlägen und Fußtritten empfangen. Auf der Fahrt ins KZ Dachau traf er P. Maurus Münch, einen Benediktinerpater. Sie wurden Freunde. Wie sie zusammen durch das Tor ins Lager fuhren, flüsterte Andritzki dem Pater zu: „Domine custodiat introitum tuum et exitum tuum“ (Der Herr möge deinen Eintritt hier und deinen Ausgang beschützen). P. Münch überlebte das Lager. Er wurde Alojs Andritzkis Beichtvater und Freund. P. Münch berichtete uns nach dem Krieg vieles von Alojs Andritzki.
In der ersten Zeit im Lager durften die beiden Priester nicht in den Priesterblock und in die Kapelle. In dieser Zeit hörten sie sich täglich gegenseitig die Beichte, um durch das Sakrament in Gottes Gegenwart zu bleiben. Als Alojs Andritzki in den Priesterblock verlegt worden war, nahm er an den Abendzirkeln teil. Die Priester lasen die Petrusbriefe und tauschten sich darüber aus. Sie sprachen auch über Liturgie und Seelsorge. Er war einer der jüngsten Priester in der Runde. Unter den Geistlichen war er sehr beliebt. Zu Weihnachten 1941 malte er ein Weihnachtsbild, das hinter dem Altar aufgehängt wurde. Das war für die Mitgefangenen eine besondere Freude.
Von Andritzki wird berichtet, dass er jeder Zeit zu jedem Liebesdienst bereit war. „… Abortdienst lag seiner Art gar nicht; aber wenn er draußen am Schrubben und Putzen war, lachte sein ganzes Gesicht, und immer hatte er ein frohes Wort und einen feinen Witz auf den Lippen. Keiner war wohl im Block so beliebt wie er. Schneidig, frisch, theologisch gut gebildet, war Alojs aber auch ein feiner Musiker und Künstler… Wer ihn am Morgen gesehen hatte bei der Arbeit oder irgendeinem Tun, der war froh für den ganzen Tag.“ Er selber schrieb: „so wollen wir wenigstens das Samenkorn sein, um zur Zeit der Ernte vielfältige Frucht zu bringen…“(Brief vom 08.02.42)
Ebenso schrieb Andritzki: „Segen und Kraft soll hinausgehen“. Damit wollte er sagen, sein Leiden im Lager verstand er als Kraft, die anderen zum Segen wurde, auch über die Grenzen des Lager hinaus.
Alojs Andritzki munterte seine Mithäftlinge auf: Im Handstand lief er abends in den Schlafsaal und mit Saltos kam er in die 3. Etage des Stockbettes zu seinem Schlafplatz. Mit seinen Kunststücken brachte er alle zum Lachen und so verbesserte sich die Stimmung. Nach Hause schrieb er: „habe ich das tiefe Vertrauen zu meinem lieben Vater im Himmel, dass alles gut wird…Meine jetzige Lage führt mich aufwärts: es ist wahrlich eine geistige Erneuerung, was könnte man als strebender und wachsender Mensch mehr wünschen?“
Alojs Andritzki musste zuerst in der Schreibstube arbeiten später auf der Plantage. Bei der schweren Arbeit wurde er schwächer. Der Hunger schwächte den jungen Sportler. Schließlich bekam er ernste gesundheitliche Probleme. Pater Münch schrieb später an Alojs´ Mutter: „Ihr Sohn machte ein furchtbares Martyrium durch. Lange kämpfte er mit der Hungerruhr. (Durchfallerkrankung, verursacht durch Hunger) Als Heilmittel gab es nur einfache Kohle; sonst nichts. Dann kamen die Herzschwäche und die Phlegmone an den Beinen, die ein einziger roher Eiterbrand waren.“
Nach Weihnachten 1942 infizierte Andritzki sich zusätzlich mit Typhus. Er musste sich ins Revier bringen lassen. Auf dem Weg dorthin traf er einen anderen Kaplan aus dem Bistum Meissen, der ebenfalls gerade ins Revier gebracht werden musste, Herman Scheipers. Dieser ist heute der letzte Überlebende der Priester aus dem KZ Dachau. Heute ist er 99 Jahre alt. Bei der Seligsprechung Andritzkis in Dresden 2011 gab er sein Zeugnis. Er erzählte über seine Freundschaft zu Alojs Andritzki. Wie beide ins Revier getragen wurden, rief Alojs Andritzki Herman Scheipers zu: „Du, wir wollen schaun, dass wir zusammen bleiben.“ Herman Scheipers meinte zunächst, Alojs wollte versuchen, ob sie Betten nebeneinander bekommen könnten. Das hat aber nicht geklappt. Sie konnten sich nicht mehr sehen. Hermann Scheipers erzählte, dass er sein ganzes Leben lang die Nähe und die Kraft der Fürsprache seines Freundes gespürt hat. Sechs Mal ist er knapp dem Tod entkommen, im KZ Dachau und bei der Flucht, oft ganz knapp.
Bei der Seligsprechung von Andritzki sprach Bischof Reinelt und ermutigte alle Anwesenden, dieses Angebot zur Freundschaft anzunehmen.
Am 03.02.1943 lag Alojs im Revier. Es ging ihm so schlecht, dass er sich dem Tod nahe fühlte. Er bat den Pfleger den Lagerkaplan zu rufen, das war zu dieser Zeit von der Lagerleitung für sterbende Priester erlaubt. Der Pfleger entgegnete ihm aber: „Christus will er? Eine Spritze kriegt er!“ und tötete ihn mit der Todesspritze.
Am 13. Juni 2011 wurde Alojs Andritzki in einem Pontifikalamt vor der Hofkirche in Dresden seliggesprochen.
Seliger Alojs Andritzki, bitte für uns!
Zitate
Christus mein Alles! Ich schwöre mir, entschlossen den Weg der Berufung in der Nachfolge Christi zu gehen. Nichts Irdisches.. kann mich mehr begeistern. Ganz bin ich für Gott!
Exerzitiennotiz Mai 1934, 20 Jahre alt
Keiner, der zu Gott hält, ist das, auch, wenn es scheinen möge, als sei ich von Gott verlassen worden und mir misslingt alles und ich habe Feinde und die ganze Welt hat sich gegen mich verschworen und will mich vernichten, steht mir Gott gerade in solchen schweren Augenblicken am nächsten zur Seite und kämpft mit mir und gibt mir die Kraft, um nicht zu fallen. – Ja wer mit Gott ist, überwindet mit ihm alles.
Brief an Mutter, Paderborn, 1.3.37
… und mein ganzes weiteres Leben soll ein herrliches und großes Loblied sein für Gott!
Brief vom 03.06.1937
Ach, wie schön ist es doch, so nahe vor Gott stehen zu dürfen!!! Ich bin glücklich. Dir wünsche ich auch solche Seligkeit.
Brief an seine Schwester November 1939
Doch Gott ist groß und mächtig und wird alles gut führen, so dass uns, die wir auf Gott bauen, das nicht schaden wird – sondern im Gegenteil wird es zu einer guten und gesunden Nation verhelfen…
– Brief an seine Schwester vom 15.12.1940
Es werden Zeiten kommen, da werden sie Euch hungern lassen. Dann werden sie euch einen Hering zeigen und befehlen, Jesus zu verraten. Dann müsst ihr standhaft bleiben und euch selbst verleugnen
– Alojs Andritzki zu Jugendlichen
Mitkaplan Martin Kuhn:
Er sorgte für die Fülle des Daseins und der Freude. Sportlich war er, diskussionsfreudig, musikalisch, künstlerisch begabt, sowie von umwerfender Heiterkeit und Fröhlichkeit, die einfach jeden, der mit ihm zu tun hatte, begeistern musste. Seine beispielhafte Hilfsbereitschaft machte ihn bei allen beliebt.
Ehemaliger Kapellknabe:
Kaplan Alojs Andritzki.. war jung und sportlich, zu uns wie ein großer Bruder… Mit Alojs Andritzki hätte man Pferde stehlen können… Er ging mit uns ins Stadtfreibad und führte dort Sprünge vom 10-m-Turm und gekonnte Turnübungen an den Geräten vor… Absolute Spitze war eine akrobatische Vorführung von ihm: Auf der mit Geschirr gedeckten Speisetafel lief er im Handstand von einem Ende zum anderen. Für Alojs Andritzki wären wir alle durchs Feuer gegangen.
In der Seele von Alojs flammte jene heiße Liebe zu Gott und den Heiligen, ein wahres inneres Gespräch mit Christus, unserem Herrn, war in ihm lebendig. So dachte und urteilte er immer vom Herrn aus, der ihm in der tieffromm gefeierten heiligen Messe….und im Breviergebet begegnete… Ich weiß, Alojs war ein junger Mann, der von der Stärke seines Innenlebens aus allen Lagen Herr wurde.
…Doch als Christ, und vor allem als Diener des Allerhöchsten, habe ich das tiefe Vertrauen zu meinem lieben Vater im Himmel, dass alles gut wird… Meine jetzige Lage führt mich aufwärts: es ist wahrlich eine geistige Erneuerung, was könnte man als strebender und wachsender Mensch mehr wünschen? Nur eine Bitte: Last uns füreinander beten.
– Brief von Alojs Andritzki vom 15.02.41, aus dem Gefängnis Dresden
Zur Heiligkeit gehört der eigene freie und bejahende Wille, der dem Willen des Höheren zugetan ist, und das vor allem dann, wenn damit auch Leid und Entsagung verbunden ist. Nun ist mir hier ja Gelegenheit geboten, diesen Weg der Heiligkeit zu gehen. Ich will ihn gehen so froh und freudig, als es mir nur möglich ist, denn es gilt ja, mit Gott eins werden… Es gibt schon Stunden der tiefsten Verlassenheit, aber das muss ja sein, damit umso größer die Liebe und Freude Gottes in mir Raum gewinnen kann. Unerlässlich bei diesem Streben ist das Gebet.
– Brief aus dem Gefängnis in Dresden vom 09.03.1941
Seid um mich unbesorgt – die Freude ist aus meinem Herzen nicht geschwunden; mein Leben ist wegen der äußeren Umstände mehr nach innen gekehrt, die Freude ist inniger und tiefer.
– Brief aus dem Gefängnis Dresden vom 23.03.41
Christus trägt das Kreuz für die Kirche, da können wir als seine Freunde nicht müßig zusehen- sondern mittragen… So wird es mir leichter, ja man wird froh. Man trägt es ja nicht allein- Christus trägt ja mit. Da braucht man nicht zu verzagen. Ich habe Mut, es zu tragen bis auf Golgota- alles mit Christus auskosten. …so erweist sich die Bejahung des Willen Gottes als das Beste; gerade das Schlimmste, was die Welt fürchtet – das Kreuz- führt zur ewigen Herrlichkeit.
– Brief aus dem Gefängnis in Dresden vom 30.03.1941
Ich spüre tagtäglich die Kraft des Gebetes. Darin zeigt sich das Große, was der Herr uns gegeben hat: den Frieden; in erster Linie den des Herzens, dann aber auch nach außen hin den des Gemütes, ja des ganzen Menschen. Grund gelegt ist natürlich dieser Friede durch die Aussöhnung mit Gott durch das Sakrament des Friedens: die hl. Beichte. Aber dieser Friede wächst auch noch täglich. ..Denn man wird immer ruhiger und allen Dingen gegenüber beherrschter und sicherer. Alles, was man tut oder was einem begegnet, ist eingebettet in die „Fürsicht“ Gottes. Darum kann auch willentlich und wissentlich kaum noch etwas geschehen, was einen von Gott trennt; so sind wir wahrhaft durch Christus der Sünde abgestorben. Darum lasst uns Gott Dank sagen! Alleluja
– Brief aus dem Gefängnis Dresden 07.05.41
… Dieses unser Bestreben immer wieder an zu spornen und auf Gott, der die Fülle, das Wesen des Guten ist, auszurichten, bewirkt der Heilige Geist. Seine Wirkweise ist unbeschränkt und knüpft darum – uns völlig rätselhaft- seine Führung an Zeit und Lagerverhältnisse, die uns Menschen fruchtlos und widerspenstig erscheinen. Und doch: da es göttliche und allmächtige Geisteskraft ist, wird aus der scheinbar vernichtenden Situation- vernichtender Arbeit, scheinbar toter Zeit das Neue entstehen. Ja, der Heilige Geist wirkt oftmals da am stärksten, wo wir ihn am wenigsten ahnen.
– Brief vom 04.06.41
Wir wissen ja: nichts geschieht von ungefähr. Gott führt uns überall … ! Und es ist nicht immer ein gerader und bequemer Weg! Doch jeder Weg führt zum guten Ziele, wenn man der Führung Gottes vertraut und nicht aufhört, ihn zu bitten, die Kraft und Gnade zu geben, immer seinem göttlichen Willen gemäß zu denken, reden und zu tun…. Ich will alles gerne tun und alles aufopfern vor allem für unsere leidenden Mitbrüder….
– Brief aus dem Gefängnis Dresden, 27.07.1941
Die Zeit der Prüfung ist kein Zufall: es ist der Wille des Vaters. Hier liegt unsere Lebensaufgabe, unser apostolisches Wirken, unsere Seelsorge.
– Brief vom 17.05.42 aus dem KZ Dachau
In heiliger, betender und opfernder Gemeinschaft gedenken wir oft unserer Hofkirchenpfarrei. Wenn der Herr scheinbar (in den Augen der Welt) sein Antlitz von uns gewendet hat,… so lassen wir uns nicht beirren in der Liebe unseres himmlischen Vaters…. Je größer die Not, desto mehr Gnade strömt uns zu, und niemals werden wir darum ermüden, zum Altare Gottes zu treten, der uns erfreut von Jugend auf durch seine übernatürliche Kraft und Hilfe…
– Brief aus dem KZ Dachau vom 08.02.1942
…Wenn wir aber jetzt nicht gerade als Sämann wirken können, so wollen wir wenigstens das Samenkorn sein, um zur Zeit der Ernte vielfältige Frucht zu bringen…
– Brief aus dem KZ Dachau, vom 08.02.42
Gebe Gott, dass sich aus diesen schweren Zeiten große Menschen bilden, fähig, die kommenden Zeiten zu führen. Auch an uns ist der Bildner Gott tätig; sollen wir doch dem Sohne Gottes und Mariens gleichförmig werden. Drum Dank dem Herrn!
– Brief aus dem KZ Dachau vom 11.10.42
Zitat eines Mitgefangenen im KZ Dachau über Alojs Andritzki:
Wer ihn am Morgen gesehen hatte, bei der Arbeit oder irgendeinem Tun, der war froh für den ganzen Tag
– P. Maurus Münch beschrieb seinen Freund Alojs Andritzki
Die angegebenen Zitate sind entnommen: (weitere Literatur)
Alojs Andritzki, ein Lebensbild, Leipzig, 2010, Benno-Verlag
Alojs Andritzki, Briefe, Ratibor 2011, Verlag Sursum
Alojs Andritzki, „.. dass ich mich freue, trotz allem“, Zeichen und Zeiten, Lusatia Verlag
Links:
- Film auf youtube über Alojs Andritzki
- Film : künstlerische Auseinandersetzung mit dem Seligen: „Andritzki. Bekenntnis – Ausschnitte Darsteller Tomaš Klimann“
- Filmbericht über die Seligsprechung
Otto Neururer
* 25.03.1882 in Piller bei Landeck, Österreich
Verhaftet wegen Warnung vor der Heirat mit einem geschiedenem SS-Mann
KZ Dachau 03.03.1939- 26.09.1939
† 30.05.1940 KZ Buchenwald
Seliggesprochen 24.11.1996, Gedenktag: 30.05.
Seliger Otto Neururer, bitte für uns!
Inhaltsübersicht
Kurzbiografie
Der selige Otto Neururer wurde am 25. März 1882 in Piller, Tirol, als zwölftes Kind des Müllers Peter Neururer und dessen Ehefrau Hildegard geboren. Da er schon früh den Wunsch spürte Priester zu werden, besuchte er ab 1895 das Gymnasium in Brixen. Nach Abitur und Theologiestudium wurde er 1907 in Brixen zum Priester geweiht. Einige Jahre arbeitete er als Religionslehrer in Innsbruck und wurde 1932 zum Pfarrer in Götzens ernannt.
Weil er einer jungen, schwangeren Frau aus seiner Pfarrei half, der Hochzeit mit einem aus der Kirche ausgetretenen, geschiedenen und gewalttätigen SS-Mann zu entgehen, wurde Otto Neururer am 15. Dezember 1938 verhaftet und nach einer Zeit im Gefängnis Innsbruck, am 3. März 1939 in das KZ Dachau gebracht. Seine Menschenfreundlichkeit und Güte fielen dort auf. Immer wieder gab er von seinem wenigen Brot hungernden Mitgefangenen. Er litt unter dem unmenschlichen System und den Launen der SS-Männern sehr. Am 26. September wurde er in das KZ Buchenwald verlegt.
Auch dort wirkte er als Seelsorger. Im April 1940 bat ihn ein Kamerad um die Taufe. Obwohl religiöse Handlungen im KZ unter Lebensgefahr verboten waren, begannen Otto Neururer und sein österreichischer Mitbruder Matthias Spanlang den vorbereitenden Unterricht. Dies wurde verraten. Zur Strafe wurde Otto Neururer kopfüber an den Füßen aufgehängt. Nach 34 Stunden wurde der Tod festgestellt, am 30.05.1940. Otto Neururer hatte sich nicht gegen das Aufhängen gewehrt. Er seufzte und betete leise, bis er das Bewusstsein verlor. Auch sein Freund Pfarrer Spanlang wurde auf diese Weise hingerichtet.
Neururers Leiche wurde verbrannt und seine Urne wurde am 30. Juni 1940 in Götzens bestattet. Die Todesanzeige für den seligen Pfarrer Otto Neururer, formuliert vom seinem Vorgesetzten, dem seligen Carl Lampert Provikar der Apostolische Administratur Innsbruck-Feldkirch, war der letzte Auslöser für dessen Verhaftung. In ihr war der Sterbeort erwähnt und mit den Worten …sein Sterben werden wir nie vergessen, sein Martyrium angedeutet.
1996 wurde Otto Neururer von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen.
Carl Lampert wurde 2012 seliggesprochen, vgl. Seliger Carl Lampert »
Der selige Pfarrer Otto Neururer ist Patron der Familien und Ehen.
Monika Neudert
Seliger Otto Neururer, bitte für uns!
„Es heißt jetzt, gut ist, was dem deutschen Volk nützt, schlecht ist, was dem deutschen Volk schadet. Damit wird deutsches Blut und deutsche Rasse an die Stelle Gottes gesetzt, der allein die Norm für gut und schlecht ist und dem allein das zusteht. Darum ist das eine Irrlehre.“
– aus einer Predigt
„So, des is alles. Mehr hab ´i net.“
– Mit diesen Worten leerte er seinen Geldbeutel komplett auf den Küchentisch einer gerade verwitweten Mutter von 3 Kindern
„Der Herrgott hat’s geschickt, er wird es auch tragen helfen.“ [34]
– bei der Verhaftung
„Meine Herren! Machen Sie keine Umschweife! Es geht nicht so sehr gegen mich als gegen die Kirche und die Religion. Ich habe nur meine Pflicht getan. Wenn das Unrecht sein soll, dann bin ich bereit, dafür zu sterben.“ [35]
– beim Verhör durch die Gestapo
„Seien sie nicht verzagt! Was kommt, muss man nehmen als vom Herrgott geschickt!… Tun Sie fest beten, dass ich nicht kleinmütig werde; es wird allerhand kommen, aber man muss alles ertragen.“ [36]
– zu einer Besucherin im Gefängnis
„Geh, so schlecht kann ein Mensch gar nicht sein.“
– Neururer kann Warnungen der Mitgefangenen vor SS-Männern nicht glauben
„Der Herrgott hat mich auf diesen Platz gestellt, darum muss ich meine Arbeit fleißig und gewissenhaft verrichten. Ob mich der SS-Mann sieht oder nicht, darauf kommt´s nicht an. Der Herrgott sieht mich immer. Darauf kommt es an.“
– im KZ bei der Zwangsarbeit
„Ich habe dem Werkzeugwart ein Stückchen geschenkt. Sei mir nicht bös. Er hat mir mit so traurigen Augen zugesehen. Ich konnte nicht anders. Sei nicht bös. Aber schau, ich kann nicht anders; es hätte mir gar nicht geschmeckt, wenn ich dem anderen nichts gegeben hätte.“
– Ein Kamerad ermahnte ihn sein Brot selber zu essen, statt es zu verschenken
Die angegebenen wörtlichen Zitate sind entnommen:
Pfarrer Otto Neururer, Ein Seliger aus dem KZ, Herausgegeben von der Diözese Innsbruck, 2. Auflage 1997
weitere Bücher siehe Literatur
Biografie (von Monika Neudert)
Der Selige Otto Neururer, 1882 -1940
Kindheit und Jugend:
Am 25.03.1882 wurde Otto Neururer als letztes von 12 Kindern einer einfachen Bauernfamilie in alter Mühle am Piller geboren. In dem kleinen Dorf auf der Pillerhöhe lebten die armen, frommen und arbeitsamen Eltern. In einer Höhe von 1350m über dem Meeresspiegel war die Landwirtschaft schwer. Der Bub Otto war schon bei Geburt sehr schwach. Man fürchtete um sein Leben, weshalb er die Nottaufe empfing. Die Eltern waren bei seiner Geburt nicht mehr jung. Die Mutter war 45, der Vater schon 63 Jahre alt. Der Vater verstarb 1890. Otto war mit 8 Jahren bereits Halbwaise. Die Mutter musste mit den Kindern die Landwirtschaft (8 Kühe) alleine weiter führen. Wir erahnen Armut und schwere Arbeit. Otto hing mit Liebe an seiner fleißigen und frommen Mutter.
Schon als Knabe war Otto körperlich klein und schwach und viel krank. Der schüchterne Schüler fiel in der Volksschule durch seine besondere Intelligenz auf. Von der Dorfjugend musste es manches Hänseln ertragen wegen seiner Schwäche. Er war ein sehr guter Schüler. Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, besonders gegenüber Kranken, waren seine Charakterzüge. Otto war Ministrant.
Nach 7 Jahren Volksschule wechselte er 1895 an das Gymnasium in Brixen. Bezahlt wurde dies von seinem Onkel und Vormund. Auch hier war Otto wieder einer der besten Schüler. Er wurde von Mitschülern als ruhig, ernst, ausgeglichen und bescheiden beschrieben, aber auch als etwas gehemmt. Er war sehr hilfsbereit und kameradschaftlich und mochte gesellige Runden. Als Mitschüler war er beliebt. Er war sehr fleißig und intelligent, aber kein Streber, eher bescheiden. Ihn zeichnete eine ruhige, stille Art und innere Ruhe aus. Schon früh erkannte Otto die Berufung zum Priester.
Nach dem Abitur 1903, folgte das Theologiestudium in Brixen. Wieder war der überdurchschnittlich begabte Student unter den Besten und Begabtesten; mit 21 Jahren zeigte seine Persönlichkeit schon ein hohes Maß an persönlicher Reife. Otto wäre gerne Jesuit geworden oder in einen Missionsorden eingetreten. Wegen seiner schwachen Gesundheit erhielt er aber Ablehnungen. Auch ein Aufbaustudium in Rom wurde deshalb verworfen. Dankbarkeit prägte seinen Charakter und eine tiefe Religiosität war ihm seit seiner Kindheit zu eigen.
Kommilitonen erinnern sich: „ Als Theologe war er wirklich ideal. Mit Hausordnung und Studium nahm er es recht genau. „Pietas et scientia“, der über dem Seminar verewigte Spruch, war ihm Leitstern. Oft ging ich mit ihm im Seminargarten auf und ab und bewunderte seine Liebe zur heiligen Kirche und sein Interesse für die Heidenmission; dabei war er aufmerksam, wenn er von einem Priester eine neue, erfolgreiche Pastoralmethode hörte.“ ((Pfr. Anton Kirchner)[1] „In der Theologie habe ich ihn als stillen, bescheidenen, fleißigen und frommen Theologen kennengelernt.“ (Pfr. Rauch)[1]
Seine Primiz feierte er am 03.07.1907 in Piller. Für das Primizbild ließe er das Gebet des hl. Ignatius von Loyola drucken. Dies zeigt seine echte Frömmigkeit: „Nimm hin, o Herr, meine ganze Freiheit; mein Gedächtnis und meinen Verstand und all meinen Willen nimm hin! Was immer ich habe und besitze, hast du mir geschenkt; dir stelle ich alles zurück und überlasse alles deinem Willen: verfüge darüber nach deinem heiligsten Wohlgefallen! Deine Liebe nur gib mir und deine Gnade, und ich bin reich genug und verlange nichts anderes.“
Kaplansjahre 1907-1932
Ab 23.07.1907 wurde der junge Priester Kooperator von Uderns im Zillertal. Ein Zeitzeuge erinnert sich: „Voll Begeisterung trat er in die Seelsorge ein. Er war akkurat von Kopf bis zum Fuß, auch als Priester in der Kirche, in der Schule und im Verkehr. Er eiferte besonders für den Besuch der Werktagsmesse. Freilich hatten seine diesbezüglichen Predigten nicht den gewünschten Erfolg. Er vermittelte den Pfarrkindern den hohen Wert der heiligen Messe. Er war gern in priesterlicher Gesellschaft, wo es gemütlich herging, wenn er auch persönlich kein Spaßmacher war.“ [2]. Otto Neururer engagierte sich in Uderns als Prediger und brachte es auf bis zu 5 Predigten an einem Sonntag. Besonders gerne predigte er über die Bedeutung der hl. Messe.
Am 11.01.1908 wurde er als Kooperator nach Götzens, bei Innsbruck, versetzt. Dort engagierte er sich auch caritativ: für die Opfer einer Überschwemmung und eines Großbrandes sammelte er Geld. „Mit vielen Mühen, Schreibereien, Gängen, Beschwerden und Auslagen wurden die Almosen zusammengebracht; das Hauptverdienst gebührt dem hochw. Herrn Kooperator Otto Neururer.“[3]
Ab dem 26.08.1909 war sein Einsatzgebiet in Fiss (im oberen Gericht). Der dortige Pfarrer, sein Chef, war krank; so musste Neururer oft sehr kurzfristig einspringen und spontan predigen. Als Seelsorger soll er sehr eifrig und als Katechet sehr streng gewesen sein. Als Beichtvater gab er Jugendlichen, die lieber zum Tanzen gingen als zur Rosenkranzandacht. Bei der Beichte als Buße einen Rosenkranz auf, daher gaben die Gemeindemitglieder ihm den Spitznamen „Rosenkranz-Manndl“.
Als Anhänger der Christlich-Sozialen Partei war Otto Neururer politisch interessiert. Aber politische Streitigkeiten zwischen seiner Partei und den Anhängern der konservativen Partei und daraus folgenden Querelen verleideten es ihm. In der lokalen Presse wurde er angegriffen und als „christlichsozialer Agitator“ betitelt. Dies und andere Ungerechtigkeiten in der Berichterstattung der Presse ärgerten ihn sehr. Deshalb zog er sich aus der Politik zurück.
Der 24.11.1911 brachte für ihn daraufhin die Versetzung nach Kappl im Paznauntal. Kappl galt als weitläufigste und strengste Pfarrei. Diese neue Stelle war wohl eine „Stafversetzung“ wegen der politischen Auseinandersetzungen in Fiss. Otto Neururer wurde daraufhin nie mehr politisch aktiv. Bericht eines Zeitzeugen aus Kappl: „Trotz des Gefühls erlittenen Unrechts hat er als Kooperator ein Jahr lang mit echt priesterlichem Eifer in jeder Hinsicht seine Pflicht erfüllt. Insbesondere steht er bei mir im Andenken als ausgesuchter Katechet und Prediger. Im Privatverkehr war er höchst liebenswürdig und bescheiden und, obwohl sehr selbständig im Urteil, doch auch konziliant. Er hat in Kappl den Eindruck eines in jeder Hinsicht integren Priestercharakters hinterlassen. Seine Versetzung nach Silz war ihm eine Genugtuung und Freude.“[4]
Eine weitere Versetzung erfolgte am 25.09.1912 nach Silz. Otto Neururer war dort ab dem 6.3.1913 Provisor und leitete vorübergehend die Pfarrei, da der Pfarrer verstorben war.
Am 21.11.1913 wurde er wieder versetzt, diesmal als Pfarrprovisor nach Oberhofen bei Telfs. Dekan Sparber erinnerte sich: „Er habe Neururer „wegen seiner Gescheitheit, Klarheit und Klugheit und wegen seiner Ruhe geradezu bewundert““[5] und; „Als Pfarrprovisor in Oberhofen, meiner Heimat, war er sehr geachtet und allgemein beliebt“.[6]
Zum 15.04.1914 wurde Otto Neururer Stadtpfarrkooperator in Hall, ab 1917 dort auch Präses des katholischen Arbeitervereins. Er half der Bevölkerung tatkräftig in der Notzeit des Ersten Weltkrieges mit materieller Hilfe. Sein Eifer als Katechet in der Schule zeigte seine Liebe zu den Kindern. Er blieb stets geduldig bei den vielen Fragen der Kinder. Eine ehemaliger Schüler: „Er war mir der liebste unter allen Katecheten, die ich gehabt habe. Der kleine Herr mit den großen Brillen verstand es, uns Buben so in Schach zu halten, daß absolute Ruhe herrschte und alle bei ihm viel lernten“. Sein Bemühen war ,den Schülern bei zu bringen, nur Gutes über ihre Mitmenschen zu denken. Ehemalige Schüler beschreiben dies als einen seiner wichtigen Charakterzüge. Das wurde auch später während der Leidenszeit in den KZ´s deutlich. In der Zeit in Hall zeigte sich wieder seine Hilfsbereitschaft. Er verbrachte viel Zeit bei Krankenbesuchen. In Erinnerung blieb seine innige Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu. Er war äußerlich auffallend unbeholfen, galt als überstrenger junger Priester.
Ab dem 13.12.1917[7] wurde Otto Neururer Stadtpfarrkooperator in Innsbruck und erlebte dort das Ende des Ersten Weltkrieges, den Zerfall Österreichs und die Abtrennung Südtirols an Italien. Das Gebiet des Bistums Brixen war nun geteilt auf Gebiete in Österreich und Italien .
Am 2.10.1919 legte Otto Neururer die Pfarrerprüfung mit ausgezeichnetem Erfolg ab. Er erhielt jedoch keine eigene Pfarrei, sondern wurde 1918-1932 hauptsächlich als Religionslehrer für Mädchen in Innsbruck eingesetzt. Seine Schüler schätzten ihn sehr. Sie mochten seinen ruhigen, ernsten und strengen Glaubensunterricht und besonders seine einfühlsame Vorbereitung auf erste Beichte und die Erstkommunion. „Neururers Gläubigkeit, seine völlige Identifikation mit dem, was er gesagt hat und wie er gelebt hat, hat mir das Vertrauen zu ihm grundgelegt,“ berichtet ein Schüler.[8] „ Wir spürten aber allein aus seinem Gebet und seinem andächtigen Kreuzzeichen, daß er ganz Priester war. . .seine echte ungekünstelte Frömmigkeit sagte auch den Fernstehenden, daß wir Menschen nicht nur auf der Erde, sondern vielmehr jetzt schon irgendwie im Himmel leben.“ „ Auch in der Erinnerung als Kind ist er mir als ein tieffrommer Mann in Erinnerung geblieben.“ (Das berichtet der spätere Bischof von Innsbruck, Dr. Reinhold Stecher, er war ebenfalls ein Schüler Neururers)[9]
Weitere Berichte von Zeitzeugen aus dieser Zeit:
,,Da war vor allem die rechte Ordnung eingehalten: Glaube und Gebet an erster Stelle. Äußere Arbeit durfte nie auf Kosten der Innerlichkeit gehen. Der Pfarrer gab das Beispiel vorbildlichen Priesterlebens. Der Pfarrer war ein sehr gesammelter Liturge am Altar, predigte kurz, aber voll geistlicher Autorität und auch in schöner Sprache. Sein Brevier pflegte er täglich auf einem einsamen Waldweg zu beten, das Studium der Psalmen vertiefte seine Liebe zum Breviergebet . . . Neururer war ein großer Herz-Jesu-Verehrer. …Seine Marienverehrung zeigte sich im täglichen Rosenkranzgebet, im Vertrauen zur Innsbrucker Pfarrmuttergottes Mariahilf und darin, daß er in seiner Gemeinde Wallfahrten zur Mutter Gottes von Absam anregte. Auch zu den Armen Seelen trug Neururer besonderes Vertrauen . . .“[10]
Der vorbehaltloser Glauben Otto Neururers fiel Dekan Schwaz auf, „Ich bin davon überzeugt, dass die Tugend des Glaubens in der Zeit von Pfr. Neururers Haft im Gestapogefängnis und in den verschiedenen Konzentrationslagern einen heroischen Grad erreicht hat. Er war ein starker Charakter, manchmal stur. Ich habe an seiner Glaubensfestigkeit keinen Zweifel … Ich möchte sagen, daß sich da der Glaube erst richtig herausgeschält hat.“.[11] „Ja, er hat einen tief verwurzelten Glauben gelebt. Das kann ich vorbehaltlos sagen.“ , erinnert sich Propst Dr. Hans Weiser[12]
Neururers Predigten beeindruckten. Er sprach tief und inhaltsreich -mit deutlicher Stimme und in ruhiger Haltung. „Er galt als ein besonders innerlicher Prediger. Seine Predigten waren die Frucht eifrigen Glaubenslebens und voll religiösen Gehaltes“. [13]
Auch Präses zweier marianischer Kongregationen wurde Otto Neururer in Innsbruck: er betreute die marianische Kinder-Kongregation und die von ihm mitbegründete Jungmädchen-Kongregation, beide unter dem Titel „Maria Hilf“. Frau Elisabeth Hammerle berichtete: „Unsere Jungmädchen-Kongregation war eine frohe Gemeinschaft von Mädchen, in der ein blühendes Leben herrschte; Tanzveranstaltungen und Theateraufführungen wechselten mit Ausflügen und ernsten religiösen Feiern und Besinnungstagen ab … In dieser Zeit habe ich Hochwürden Otto Neururer als Kongregationspräses und als meinen Beichtvater sehr hoch zu schätzen gelernt. Er ist mir in Erinnerung als ein tief gläubiger Priester. Er betonte bei seinen Predigten und Ansprachen für uns besonders den Wert der christlichen Jungfräulichkeit; er war auch ein großer Marienverehrer und gebrauchte oft den Ausdruck: ,Mit Maria zu Jesus!‘ Es war ihm das größte Anliegen, die Mädchen zu Christus hinzuführen und ihre Liebe zu ihm immer mehr zu tiefen. Besonders ergreifend und eindrucksvoll konnte er das Leiden Christi schildern.“[14] Schwester Margaretha Hofmann erinnerte sich: „ Wir haben den Herrn Katecheten sehr geschätzt und geliebt und gern seinem Unterricht gelauscht … Er hat uns das auch als Katechet eingeschärft, von den Mitmenschen nur Gutes zu denken . . . Ich erinnere mich auch daran, daß er bei einem Schulausflug in das Halltal, bei dem er die Klasse führte, der ganzen Klasse in seiner Großzügigkeit den Kaffee zahlte, um den Schülerinnen eine Freude zu bereiten. Die meisten Mädchen wären finanziell durchaus in der Lage gewesen, sich den Kaffee selbst zu bezahlen. „[15]
,,An eine Begebenheit erinnere ich mich, die bezeichnend war für ihn: Es war bei einem Konvent der Jungmädchenkongregation, daß Präses Neururer erwähnte, man habe ihm vorgeworfen, daß er an uns Sodalinnen zu hohe Forderungen stelle. Er aber erklärte uns: Ich muß immer eine Stufe mehr verlangen, als ihr jetzt schon erreicht, sonst würdet ihr aufhören zustreben. [Es betraf wohl das Streben nach Vollkommenheit.) Auch dieser Standpunkt war mir Vorbild bei meiner Jugendarbeit.“[16]
Persönlich war er den Mädchen gegenüber aber zurückhaltend und wirkte eher ein wenig gehemmt. Mutig sprach er jedoch mit den Mädchen auch über den antichristlichen Charakter des Nationalsozialismus. Anna Moll, eine ehemalige Schülerin berichtet: „… und klärte uns auf über die Irrlehre des Nationalsozialismus. Es heißt jetzt, gut ist, was dem deutschen Volk nützt, schlecht ist, was dem deutschen Volk schadet. Damit wird deutsches Blut und deutsche Rasse an die Stelle Gottes gesetzt, der allein die Norm für gut und schlecht ist und dem allein das zusteht. Darum ist das eine Irrlehre…. Da war mir klar, hier geht es nicht mehr um Politik, sondern um das Bekenntnis unseres Glaubens. Darum habe ich auch 1938, als man von mir persönlich verlangte, von nun an nicht mehr auf den Papst zu hören, sondern nur mehr auf den Führer, und ihm allein zu folgen, ein überzeugtes ,Das werd ich nie tun‘ gesagt und damit auf die neuerliche Anstellung verzichtet.“[17]
Ihn zeichnete stille Sanftmut, gepaart mit gelegentlich unbeugsamer Konsequenz aus. Er war ein eifriger Seelsorger aber auch ein strenger Katechet. Davon wurde seine große Liebe und Güte zu Kindern nicht verdrängt. Das berichtet Anna Lechner, eine Verwandte Neururers. „ Er hat sich mit uns Kindern, was sonst selten war, sehr lieb abgegeben und hat sich mit uns beschäftigt. Wenn er uns Spielsachen gebracht hat, hat er uns erklärt, wie damit zu spielen ist und war sehr lieb und herzlich mit uns Kindern.“[18]
Hilfsbereit war Otto Neururer in außergewöhnlichem Maß: „Es war nach 1918, in der ganz schlechten Zeit, als man gar nichts zu kaufen bekommen hat. Da hat Pfarrer Neururer einmal meiner Mutter zwei graue Decken aus seinem eigenen Besitz gegeben, aus denen meine Mutter dann für mich einen Mantel genäht hat. Wir waren sehr froh darum, ich hatte keinen Mantel mehr anzuziehen gehabt. . . Neururer war ein innerlicher, frommer Priester, er hätte, obwohl er selbst nichts gehabt hat, das Letzte verschenkt. Er war immer freundlich und väterlich. Dies fiel mir schon als Kind auf und tat sehr wohl.“ Soweit die Erinnerungen von Rosa Wilhelm. [19]
Maria Hupfau erzählt: „im Jahre 1928 besuchte ich die zweite Klasse Volksschule bei den Ursulinen in Innsbruck. Hochwürden Otto Neururer war mein Katechet. In diesem Jahr starb mein Vater an Lungenschwindsucht. Nun stand meine Mutter mit drei Kindern, mein Bruder war 16, meine Schwester 13 und ich 8 Jahre alt, ziemlich unversorgt da. Weil mein Vater nur drei Versicherungsjahre bei der Angestelltenversicherung hatte, bekam meine Mutter für sich und uns drei Kinder eine Gnadenpension von S 60,-. Eines Tages besuchte uns Hochwürden Neururer, um sich nach unseren finanziellen Verhältnissen zu erkundigen und vor allem, um meiner Mutter Trost zuzusprechen. Da schilderte ihm nun Mutter unsere trostlose Situation. Plötzlich griff Hochwürden Neururer in die Hosentasche und zog ein Geldtäschchen heraus. Er öffnete es, drehte es um und leerte den ganzen Inhalt auf unseren Küchentisch. Dann sagte er: „So, des is alles. Mehr hab‘ i net!“ Meine Mutter war zutiefst gerührt, und auch ich werde dieses Bild und die Worte nie vergessen, obwohl ich damals erst 8 Jahre alt war.“[20]
Schließlich war Otto Neururer auch Mitbegründer des kath. Tiroler Mädchen-Verbandes. Als solcher gab er Anregungen zu Exerzitien und organisierte Fortbildungen auf dem Gebiet Handarbeit und häusliches Wissen. Ärmeren Teilnehmerinnen bezahlte er auch mal die Kosten von Exerzitien.
Gegen Ende der Innsbrucker Zeit erschien Otto Neururer schwermütig und sehr ernst. Er nahm alles zu genau. Gesundheitlich war er schwach. Deshalb wollte er Seelsorger in einer Landpfarrei werden und bewarb sich für die Pfarrstelle der Pfarrei Götzens .
Pfarrer in Götzens
Zum 01.10.1932 wurde Otto Neururer Pfarrer in Götzens, einer kleinen Pfarrei mit 748 katholischen Einwohnern, einer Volksschule, Kindergarten und Mädchennähschule. Dort waren Franziskanerinnen eingesetzt. Pfarrer Neururer war ein Seelsorger mit Hingabe. Zunächst musste er aber auch die Verwaltung der Pfarrei in Ordnung bringen; bei seinem Dienstantritt war seine neue Pfarrei verschuldet. Als Neuerung führte er frische Blumen in der Kirche ein. Er achtete auf Sauberkeit und Schmuck der Kirche sowie auf Pünktlichkeit bei Beginn der Gottesdienste. Die Eucharistiefeier war ihm besonders wichtig, er wünschte sich hohen Messbesuch und förderte die Anbetung und warb für die monatliche Kommunion. Pfarrer Neururer belebte die Herz-Jesu-Bruderschaft und die Franz-Xaverius-Bruderschaft neu.
Im Jahr 1933 wird eine 9 tägige Pfarrmission durchgeführt. Die Menschen seiner Pfarrei beteiligen sich zu 99%.
Pfarrer Neururers Pfarrhaus in Götzens war gastfreundlich. Oft weilten andere Geistliche dort. Priester kamen gerne zur Aushilfe. Auch Jesuiten aus Innsbruck waren darunter. Aber auch arme Leute aus dem Dorf waren Gast bei Tisch. Immer war viel los im Pfarrhaus. – „ Ich erinnere mich auch, daß in Götzens immer ziemlich viele junge Leute im Pfarrhaus beim Mittagstisch da waren. Ich war da nie allein. Das waren Leute vom Dorf, ich habe keinen gekannt; Für mich war Neururer schon damals der Heilige. Ich habe in der Schule von den Heiligen gelernt; aber wenn ich mir einen lebendigen Heiligen vorgestellt habe, dann war es Neururer.“[21]Erinnert sich Prof. Dr. Walter Schlorhaufer an seine Kinderzeit, und fügt hinzu: „Ich bin tief beeindruckt von seiner Liebe zum Kind.“
Als Lehrer und bei der Sakramentenvorbereitung war Pfarrer Neururer besonders bemüht um arme und wenig begabte Kinder. Er brachte ihnen geduldig das für die Erstkommunion nötige Wissen mit Mühe bei. Als Beispiele erinnern sich die Dorfbewohnen an ein gelähmtes Kind und ein taubstummes Mädchen, um die er sich besonders bemühte. Auch vermittelte er Kindern aus Familien in Not Kostplätze in anderen Familien.
„Er war mit den Kindern bei Trauerfällen oder Unglücksfällen gütig und feinfühlig und konnte sie trösten. Ich wunderte mich oft, wie väterlich lieb er, der sonst ernst und distanziert war, da sein konnte.“, berichtet Maria Elisabeth Santer[22]
Auch in Götzens war Pfarrer Neururer ein engagierter Religionslehrer: „Man hat gespürt, wie eindringlich Pfarrrer Neururer unterrichtet hat. Besonders hat er sich durch Wiederholungen ausgezeichnet, so dass die Kinder wirklich fassen konnten, was er sagte. Besonders ist mir aufgefallen, dass er, im Unterschied zu vielen anderen Katecheten, die nur auf Schulwissen Wert legten, zwar darauf auch Wert gelegt hat, aber er wollte, daß sie den Glauben auch ausüben . . . Um den Kindern auch an Wochentagen den Besuch der Messe und den Kommunionempfang leichter zu ermöglichen, hat er ihnen Thermosflaschen gekauft, damit sie nach der Messe in der Schule noch die Möglichkeit hatten, vor dem Unterricht ein warmes Frühstück zu sich zu nehmen. Diese Aktion wurde nicht recht angenommen von der Bevölkerung. Es ist darüber gelächelt und gespöttelt worden. Pfarrer Neururer hat den Kindern, die nicht genug Geld hatten, auch einen Katechismus gekauft.“[23]
Der Jugend der Pfarrei galt seine besondere Liebe und Sorge. Er wollte die Jugendführer moralisch aufbauen, um dem Nationalsozialismus stand halten zu können. Für arme Studenten bezahlte er das Studium.
Seine Hilfsbereitschaft gegenüber Armen war auch in Götzens bemerkenswert. Besondere Hilfe und Zuwendung des Seelsorgers waren ihnen sicher. Auf dem Sterbebett konnte er auch „schwierige Fälle“ zur Aussöhnung mit Gott und zum Empfang der Sterbesakramente motivieren.
Der ehemalige Kaplan in Götzens, Heinz Huber, betont die „mystische Natur“ von Otto Neururer und stellt fest: „Neururer war ja eine jener stillen Naturen, die schwer am Leben tragen; ein zur Schwermut geneigtes Gemüt bewahrte ihn davor, sich jemals durch äußeren Schein trügen zu lassen.“[24] Des weiteren schildert er Neururer als Vorbild seiner Kooperatoren. Seine persönliche Frömmigkeit und Wohltätigkeit waren so groß, dass die Rechte nicht wusste, was die Linke tat.
Tiefer Glauben und die Frömmigkeit werden beschrieben. Der Pfarrer betete sehr viel. „Das Gebet nahm einen Großteil des Tages ein. Sehr oft war er auch außerhalf der Gottesdienste in der Kirche, um zu beten.“[25] Berichtet ein ehemaliges Pfarrkind.
„Pfarrer Neururer war nicht scheinheilig, ruhmsüchtig, hatte keine Menschenfurcht. Er hatte ein ausgeprägtes priesterliches Bewußtsein, auch für die Würde seines Amtes.“[26], beschreibt ihn der Neupriester Nikolaus Madersbacher.
Hans Hausner aus Hall war im Jahr 1936 Kooperator in Götzens. Er erzählte: „An diesem ersten Posten bei Pfarrer Neururer gefiel es mir gut; besonders im Widum herrschte eine angenehme Atmosphäre. Pfarrer Neururer war ein guter und rücksichtsvoller Prinzipal. Er war pflichteifrig und genau in der Erfüllung aller seelsorglichen Aufgaben und ging den Kooperatoren mit bestem Vorbild voran. Er war so, wie man sich einen guten und frommen Pfarrer damals vorstellte.“[27]
Konflikt mit dem Nationalsozialismus
Ab Januar 1938 zeichnete sich die Bedrohung des Nationalsozialismus ab. „In manchen abendlichen Gesprächen, die intensiv spirituell geführt wurden, deutete Pfarrer Neurur offen an, daß er sich dem weltanschaulichen Terror nicht beugen werde und als, Hirte sich vor seine Herde stellen möchte.“[28], berichtet Herr Sarg.
Starkmut und Tapferkeit bescheinigt ihm sein Bischof Rusch[29]: „Neururer habe nie vermieden, etwas zu sagen, was gesagt werden muß, er habe aber auch nicht provoziert.“
Am 13.03.38 kam es zum Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich. In Österreich wurde das bestehende Konkordat nicht anerkannt, die Kirche war im rechtsfreien Raum von Anfang an der staatlichen Willkür und Verfolgung ausgesetzt. Bis zur Volksabstimmung am 10.04.1938 zeigte der Nationalsozialismus zunächst Wohlwollen gegenüber der Kirche. Deshalb warben die Bischöfe für die Abstimmung und die Zustimmung zum Anschluss (besonders bekannt wurde dafür Kardinal Innitzer aus Wien). Ab dem Sommer 1938 kam es zum Verbot kirchlicher Kindergärten und Schulen. Kirchlicher Besitz wurde rücksichtslos enteignet. Klöster und Wallfahrtskirchen wurden geplündert und gesperrt. Die Katholischen Vereine in Österreich wurden verboten. Kirchliches Vermögen, auch das aus caritativen Stiftungen, wurde von den neuen Machthabern beschlagnahmt. Katholische Jugendarbeit wurde verboten. Geistliche mussten den Schuldienst verlassen. Es gab keine Priester und Ordensleute mehr unter den Lehren. Jeder vierte Geistliche in Tirol wurde von der Gestapo bedroht. Großer psychischer Druck lastete auch auf Pfarrer Otto Neururer. Ihn erfüllten dunkle Ahnungen. Prophetisch sah er großes Unheil kommen. Er sah seinen persönlichen Kreuzweg und sein Martyrium schon in diesen Tagen voraus.
Im Sommer 1938 sagte er zu einem Freund, dem späteren Bischof Geisler: „Betet für uns, dass wir nicht alle Märtyrer werden! Es kommen schwere Verfolgungen. Für mich beginnt jetzt der Kreuzweg. Ich bin bereit, nur bitte ich Gott, daß er mir die Zeit abkürze.“[30] Pfarrer Anton Kirchner berichtet ebensfalls: „Wir kamen auch auf die Nazi zu sprechen. Er sagte recht ernstlich und nachdenklich: Ich werde auch den Märtyrertod sterben.“[31]
Der Herbst 1938 brachte einen Konflikt mit dem besonders gehässigen Bezirksschulinspektor, der den Unterricht Pfarrer Neururers inspizierte. Pfarrer Neururer ließ sich dadurch von seinem Stil nicht abbringen. Er befragte die Kinder nach ihrem sonntäglichen Messbesuch. Der Inspektor wurde daraufhin wütend und drohte mit dem Verbot des Religionsunterrichtes und Versetzung nach Ostpreußen.
Die Gestapo hatte Pfarrer Neururer schon im Visier. Folgendes Ereignis führte schließlich zu seiner Verhaftung: Die Bauerstochter Elisabeth (Liese) Eigentler wurde unehelich schwanger. Der Vater des Kindes war der 30 Jahre ältere Georg Weinrather, ein geschiedener Mann und dazu Parteimitglied, (nach einigen Quellen SA-Mann). Er war gewalttätig und von zweifelhaftem Charakter. 1946 wurde dieser Mann tatsächlich zu 10 Jahren schwerem Kerker verurteilt). Liese jedoch sah in der geplanten Hochzeit ihre Rettung. Sie wusste nichts von der vorausgegangenen Ehe und dem Charakter des SA-Mannes. Pfarrer Neururer besuchte die Familie und klärte sie auf, dass eine kirchliche Trauung in diesem Fall nicht möglich wäre. Die naive Braut wusste nichts von der von den Nationalsozialisten neu eingeführten Zivilehe. Deshalb riet Pfarrer Neururer der jungen Frau dringend von der Ehe mit dem geschiedenen und aus der Kirche ausgetretenen älteren SA-Mann ab. Dieser hatte Liese zur Ehe gedrängt. Pfarrer Neururer aber wollte sie vor dem drohenden offensichtlichen Unglück bewahren. Wichtig war dem Pfarrer die Heiligkeit der Ehe zu wahren. Aus seiner Sicht war die Ehe ein Sakrament der Kirche und konnte nur bei der Bereitschaft zur gegenseitigen Hingabe gelingen.[32] Eine standesamtlich geschlossene Ehe dagegen wäre nicht sakramental gültig und bindend vor Gott. Pfarrer Neururer empfahl erfolgreich, dem Kindsvater einen Brief zu schreiben und darin das Eheversprechen wieder zurück zu nehmen. Schließlich diktierte er diesen Brief. Die Hochzeit war damit abgesagt. Der Onkel der Braut überbrachte dieses Schreiben dem Bräutigam Weinrather, der erzürnt drohte: „Euer Pfarrer ist die längste Zeit Pfarrer gewesen und der Pfaff muss weg.“ Er zeigte Neururer bei der Gestapo an. Er heiratete kurz danach eine andere Frau, verfiel bald der Alkoholabhängigkeit und stürzte Frau und Kind in materielles Elend. Die Warnung Neururers war also richtig gewesen.
Schon der Gang zur Familie Eigentler war ihm, Übles vorausahnend, schwer gefallen. Ein anwesender Freund hatte sich angeboten, ihm diesen Gang abzunehmen: „Nein, das muss ich als Pfarrer schon selber machen.“[33], antwortete ihm Pfarrer Neururer.
Haftzeit
Am 15.12.1938 wurde Pfarrer Otto Neururer im Pfarrhaus in Götzens verhaftet. Als offizielle Begründung lautete: „besonders hinterhältige Verhinderung einer deutschen Ehe…“
Die damals anwesende Frau Gertrud Rohringer erinnert sich noch des Ausspruchs Neururers beim Abschied: „Für die andern muß man sich opfern, damit sie sehend werden“. Von der Häuserin Maria Geir verabschiedete er sich mit den Worten: „Der Herrgott hat’s geschickt, er wird es auch tragen helfen“.[34]
Im Gefängnis Innsbruck erwarteten ihn unflätige Beschimpfungen. Pfarrer Neururer war in großer innerer Erschütterung. Bisher war er ein geachteter Pfarrer. Jetzt wurde er „ Saupfaff“ und noch schlimmeres genannt. War er schon unter normalen Umständen ängstlich, jetzt war er einer unsicheren Zukunft völlig rechtlos ausgeliefert.
Beim Verhör antwortete er trotzdem selbstbewusst:„Meine Herren! Machen Sie keine Umschweife! Es geht nicht sosehr gegen mich als gegen die Kirche und die Religion. Ich habe nur meine Pflicht getan. Wenn das Unrecht sein soll, dann bin ich bereit, dafür auch zu sterben“.[35]
Eine Lehrerin durfte ihn noch besuchen und ihm Lebensmittel bringen. Beim letztem Abschied, der Transport ins KZ Dachau steht bevor, hat Neururer Tränen in den Augen. Er sagte zu ihr: „Seien sie nicht verzagt! Was kommt, muss man nehmen als vom Herrgott geschickt!… Tun Sie fest beten, dass ich nicht kleinmütig werde; es wird allerhand kommen, aber man muss alles ertragen.“[36] Ein anderer Besucher berichtete: „Pfarrer Neururer hat unter der Verhaftung sehr gelitten, hat aber, als wir im Polizeigefängnis „Sonne“ ohne Beaufsichtigung sprechen konnten, erklärt, daß er nichts anderes sagen konnte und auch künftig nichts sagen werde, als (daß) diese Zivilehe vor Gott ein Unrecht ist. Er hatte jedenfalls den Eindruck, allein um seines Glaubens willen in Haft zu sein. Er machte auf mich – ich erinnere mich genau – den Eindruck eines eher ängstlichen Menschen, der nur dann fest wurde, wenn es um seine seelsorgliche Haltung ging.“[37] Altdekan Praxmarer besuchte ihn ebenfalls im Gefängnis: „Mein Eindruck von Pfarrer Neururer war der, daß er sehr ergeben war; er war an sich ein ängstlicher Mann, er war sehr gehemmt und ängstlich; aber im Augenblick, wo es um seelsorgliche Belange gegangen ist, war er ganz klar und sicher“[38]
Pfarrer Neururer wurde misshandelt. Beim Warten auf ein Verhör hörte er vom Turm der Stadtpfarrkirche das Angelusläuten und begann, den „Engel des Herrn“ zu beten. „Der dabeistehende Gestapo-Mann schlug Neururer zweimal unter Beschimpfungen ins Gesicht, so dass ihm die Brille zu Boden fiel. Rainer, der Neururer die Brille aufheben wollte, wurde gleichfalls bedroht. Im Polizeiauto entschuldigte sich dann Neururer bei ihm, weil er ihm Ungelegenheiten bereitet habe. „Kein böses Wort über den Mann, der ihn schlug, sondern die Ruhe und ein Gottvertrauen strahlte aus seinem Gesicht“.“[39]
In dieser Situation schreibt Pfarrer Otto Neururer am 12.01.39 im Gefängnis sein Testament. Er weiß sein Leben ist bedroht. Schließlich erhält er den Schutzhaftbefehl. Seine Verlegung ins KZ nach Dachau war beschlossen worden.
Auf der Fahrt wurde das Auto vor München angehalten. Ein Verkehrsunfall verursacht einen Stau. Es war zu Verletzten und Toten gekommen. Sofort stieg Pfarrer Neururer aus, um den Verletzten geistlichen Beistand zu leisteten. Dafür wurde er grob als „Saupfaff“ beschimpft und zurück ins Auto gezwungen.[40]
Im Konzentrationslager Dachau
Am 03.03.39 erreichte Pfarrer Otto Neururer das KZ Dachau. Schon bei der Aufnahme wurde er beschimpft und , wie damals alle Priester, der Strafkompanie auf Block 15/2 zugewiesen. Der Mitgefangene Pfarrer Schelling berichtete von besonders harter Arbeit ohne Pause und großem Hunger. Otto Neururer war 56 Jahre alt, ein sensibler Mensch, klein von Gestalt, von schwächlicher Gesundheit und körperlich nicht besonders stark, in praktischen Dingen sogar ungeschickt. Das war eine schlechte Ausgangsposition im Lager. Außerdem unterschied er sich als Brillenträger schon äußerlich von den anderen Häftlingen, was zusätzliche Gefahr bedeutet. Er fand sich in der KZ-Welt schwer zurecht, hatte aber das Glück, Mithäftlingen halfen ihm.
Otto Neururer betete viel im KZ Dachau. Das war sein Beitrag zur Wandlung des Bösen in der Welt. Persönlich litt er besonders unter Ungerechtigkeit und Bosheit der wachhabenden SS-Männer. Da er selber herzensgut war, überstieg das Böse seine Vorstellungskraft. Das verstärkte seinen Hang zur Schwermut. Er wollte nichts Schlechtes über andere Menschen denken oder sagen, auch nicht über seine Peiniger. Eher litt und zerbrach er an der Schlechtigkeit und Ungerechtigkeit im Lager. Er arbeitete fleißig, wie ihm befohlen wurde, auch wenn gerade kein SS-Mann die Häftlinge beobachtete. Die anderen Häftlinge machten in dieser Zeit Pause, um ihre Kräfte zu schonen. Als der zweite Lagerführer Kantschuster kam, waren die Kräfte Otto Neururers erschöpft. Er konnte nicht mehr so schnell weiter arbeiten. Dafür erhielt er eine Lagerstrafe: Er musste „über Mittag strafstehen, wodurch ihm das Essen entging.“[41] Fassungslos sagte er trotzdem zu seinen Kameraden, die ihn warnen wollten: „Geh, so schlecht kann ein Mensch gar nicht sein.“[42] Pfarrer Berchtold daraufhin zu Neururer: „Otto? Glaubst Du in Dachau an Gerechtigkeit? Der Kapo ist doch gekommen, um ein Opfer zu suchen. Nun bist Du eben eines geworden. – Du glaubst nicht, dass er meint, dass ich faul bin?- Ob du faul oder fleißig bist, ist ihm ganz egal. Wenn er zu einem Arbeitskommando kommt, will er ein paar Opfer haben. Da wartet er so lange, bis einer auffällt. Dann ist er befriedigt.“[43]
Die schwere körperliche Arbeit konnte Otto Neururer nicht lange aushalten. Er tröstete trotzdem die anderen und machte Priesterkameraden Mut.
3 Briefe aus dem KZ Dachau sind erhalten. Darin brachte Pfr. Neururer Heimweh zum Ausdruck. Er bat um Gebet, auch im Wallfahrtsort Maria Waldrast. Er bat auch, sich für seine Freilassung einzusetzten und vergaß nicht zu danken.
Der österreichische Mithäftling P. Just berichtet von der Arbeit in der Kiesgrube: „Von Natur aus schwächlich, hatte er bei der mörderischen Arbeitsleistung, die gefordert wurde, vollauf zu tun, um mitzukommen.“[43] Zuerst war Otto Neururer bei den Schubkarren eingesetzt. P. Just half ihm dabei heimlich und unter Lebensgefahr. Dann Versetzung zur Schaufel. Otto Neururer musste Kies schaufeln. Im Sommer 1939 folgte danach leichtere Arbeit in der Ziegelei. Ab September 1939 musste er wieder in der Kiesgrube arbeiten.
Weitere Mithäftlinge zeichneten ihre Erinnerungen auf: Pfarrer Rieser aus Bramberg in Salzburg(Österreich): „Als Neururer kam, dachte ich mir, du armes kleines Pfarrerle, diese Hölle wirst du nicht aushalten.“ Ein anderer Mithäftling erinnert sich an „gute und helle Augen.“ „Wie wir alle mit dieser Welt ja schon abgeschlossen und ständig den Tod vor Augen hatten, waren wir mehr im Jenseits mit unserem Sinnen und Trachten . . . Wir haben alle viel gebetet. Neururer hat immer wieder auf die Gottesmutter hingelenkt. Er wird, wie wir alle, sich ganz ihr anempfohlen haben und aus dem Glauben und Gebet sich Kraft geholt haben“[44]
Georg Schelling: „Dieser einfache, völlig anspruchslose Mensch mit dem unschuldigsten Gesicht von der Welt imponierte doch jedem.“[45]
P. Lenz: „Klein und schmächtig von Gestalt, war er ein kluger und talentierter Mann; aber auch etwas leicht fassungslos bei den ständigen gefahrvollen Überraschungen im Lager. Doch seine übernatürliche Einstellung meisterte auch die schwersten Erlebnisse mit heiliger Geduld.“[46]
Alfred Berchtold: „Er war so zutiefst von der Güte der Menschen überzeugt, dass er immer glaubte, er müsse plötzlich aus diesem hässlichen, furchtbaren Traum erwachen. Immer wieder sagte er mit einem ungläubigen kindlichen Staunen: „Ja, können die Menschen so schlecht sein?““
Nochmals Schelling: „Dieser einfache , anspruchslose Pfarrer mit dem unschuldigsten Gesicht der Welt imponierte doch jedem . . . Otto Neururer war ein heiligmäßigger Priester von edelster Gesinnung. Auch seinen schlimmsten Feinden trug er nichts nach . … Wer 15 Monate, die Pfarrer Neururer in KZ-Halt, zubringen mußte, sein engster Kamerad sein durfte, seine echte Frömmigkeit kannte und um einen grenzenlosen Eifer für die Kirche wußte, der sieht in seinem gewaltsamen Tod die Vollendung der irdischen Laufbahn in der Verherrlichung des Martyriums“[47]
Er teilt sein Brot mit hungrigen Mithäftlingen, obwohl er selber nur sehr wenig bekommen hatte und hungerte: „Hast du alles selber gegessen?“ Fragte ihn ein Mithäftling. „ Er wird verlegen. „Ich habe dem Werkzeugwart ein Stückchen geschenkt. Sei mir nicht bös. Er hat mir mit so traurigen Augen zugesehen. Ich konnte nicht anders. Sei nicht bös. Aber schau, ich kann nicht anders; es hätte mir gar nicht geschmeckt, wenn ich dem anderen nichts gegeben hätte.“[48][49]
Kräfteverfall, Hunger mit seinen Folgeerscheinungen Abszesse und Furunkel, quälten Pfarrer Neururer. P. Just: „Neururer verfiel sichtlich bereits in Dachau. Er wurde zweimal ohnmächtig, und bald magerte er so ab, daß selbst die Lagerleitung einzuschreiten sich bemüßigte und den Pfarrer zur ärztlichen Untersuchung sandte. Dort wurde ein derartig krasser Gewichtsschwund innerhalb kurzer Zeit festgestellt, daß Neururer unverzüglich in Spitals(Revier)-Pflege überführt wurde. Nach einmonatiger Kur hatte sich Neururer wieder soweit erholt, daß er ein halbwegs menschenwürdiges Aussehen hatte. Aber bald nahmen ihn Arbeit, Hunger und klimatische Unbilden, denen wir völlig schutzlos preisgegeben waren, so her, daß er wieder arg verfiel“.[50]
Im Lager wirkte Neururer seelsorglich, obwohl das streng verboten war. Ein Mithäftling half ihm im Revier beim Beichte hören. „Einmal war ein Mann im Sterben; man hatte ihn in die sogenannte Sterbekammer, in der auch Besen und Putzmittel aufbewahrt wurden, gelegt. Salchner paßte vor der Türe, während Neururer dem Mann die Beichte abnehmen konnte. Neururer blieb mehrere Wochen, annähernd zwei Monate, im Revier.“[51] Ein andermal wurde bei der Spendung des Sakraments der Beichte erwischt und so hart zu Boden geschlagen, dass er sich nicht mehr erheben konnte. Ein Mithäftling half ihm auf, wurde dafür aber selber mit einem Stock geschlagen.
„An Sonntagen hat er uns beim Auf- und Abgehen ganze Predigten gehalten.“ Erinnerte sich Mithäftling Peintner[52]
KZ Buchenwald
Ende Sept 1939 wurde Pfarrer Otto Neururer ins KZ Buchenwald verlegt. Die Strapaze begann schon auf dem Weg. Der Zug fuhr nur bis Weimar. Die letzten 12 km mussten die Häftlinge zu Fuß zurücklegen. In der Unterlagen des Lagers wurde er als „Kath. Pfarrer, hartnäckiger und hinterlistiger Gegner der NSDAP“ [53] geführt. Diese Bemerkung war einem Todesurteil gleich. Wieder wurde Otto Neururer zunächst der Strafkompanie zugeteilt. Als seine Kräfte nachließen kam er in die Invalidenkommando, dort war zynischer weise besonders schwere Arbeit zu tun. Die Gefangenen mussten auf dem Holzhof Baumstämme roden und Wurzelstocke zerhacken oder Erde tragen [54].
In Buchenwald gab es viele politische Häftlinge, die wegen ihrer Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei inhaftiert waren. Unter ihnen befanden sich nach Aussage einiger ehemaliger Priesterhäftlinge auch solche, die Priester besonders hassten und Österreicher dazu: „Den größten Schmerz bereitete ihm das Zusammensein mit Häftlingen, die ihrem Gottes- und Priesterhaß die Zügel schießen ließen und denen es ein Vergnügen bereitete, den ,Pfaffen‘ zu quälen. Die Dachauer waren in ihren leichten Sommerkleidern gekommen. In Buchenwald aber herrschte eisige Kälte. Auch Neururer empfand die volle Bitterkeit dieser Strapazen. „[55] berichtete Mithäftling Klotz .
Der tschechische Mitgefangener Dr. Rokyta erzählte: „ Ich erinnere mich wie heute an Pfr. Neururer. . . Auch Pfarrer Neururer kam öfter in den Abendstunden zu uns, und ich erinnere mich an mehrere Gespräche mit ihm. Alle aus unserem Kreise, die ihn kennengelernt haben, waren von seinem priesterlichen Ernst und seiner tiefen Tiroler Frömmigkeit beeindruckt. Man sah ihm geradezu an, wie er auch unter allerschwersten Bedingungen seelsorglich wirksam bleiben wollte. Seine gütigen Augen waren immer von Trauer beschattet, und wohl nicht so sehr über sein eigenes Schicksal, sondern angesichts der unbeschreiblichen Grausamkeiten, die er mit uns täglich sehen mußte. Ich darf wohl sagen, daß er ein charismatischer Priester gewesen war, eine anima candida, der sicher das grausame Geschick, das ihn betroffen, als Sühne auf sich genommen hat. Es könnte der letzte Abend vor seiner Verbringung in den berüchtigten Bunker gewesen sein, als er besonders anteilnehmend bei uns auf unserer Stube gewesen war, und ich habe mich längere Zeit mit ihm unterhalten. So werde ich wohl einer der Letzten gewesen sein, der mit Pfarrer Neururer gesprochen hat.“[56]
Hölzler: „…Wir kamen also praktisch nur außerhalb der Arbeitszeit zusammen, Trotzdem habe ich Neururer in dieser Zeit als einen außerordentlich frommen, ja heiligmäßigen Priester kennengelernt. Er führte oft und mit verschiedenen Gefangenen religiöse Gespräche und hoffte, sie für den Glauben zu gewinnen. Sehr oft teilte er auch die kleine Brotration mit anderen, zu sehr hatte er Erbarmen mit den Hungernden. An sich selbst dachte er zuletzt. Ich redete ihm deshalb oft zu und suchte ihn davon abzubringen, weil er auf seine eigenen Kräfte schauen sollte. Ich warnte ihn auch, zu unvorsichtig religiöse Gespräche zu führen und sich als Seelsorger zu betätigen. Denn zu leicht konnte ihn in der so gemischten Belegschaft einer verraten. Aber auch darauf hörte er kaum…. Er hat auch seine Einkerkerung und die Leiden in den Konzentrationslagern bereitwillig hingenommen in dem Bewußtsein und mit der Bereitschaft, mit den Leiden Christi mitzuleiden. Er hat nie gejammert, sondern alles als Willen Gottes betrachtet und so eigentlich leicht ertragen. Ich habe mich selbst gewundert, wie er in allen Situationen ruhig blieb und alles in Geduld aushielt, obwohl er recht mitgenommen aussah und körperlich abgemagert war. Ich kann bezeugen, dass ich aus seinen Worten oder Handlungen niemals Anzeichen von Verzweiflung; Mutlosigkeit, Bedauern über die verlorene Freiheit oder die Absicht zu einem Fluchtversuch, der für ihn ohnedies aussichtslos gewesen wäre, bemerkt habe. Auch in verzweifelten Lagen, behielt er das Vertrauen auf Gott und seine Hilfe und richtete andere noch auf . . . Wie Otto dann den Tod angenommen hat, als er ihm im Bunker schließlich unausweichlich entgegentrat, kann ich zwar aus eigener Anschauung nicht bezeugen, aber ich bin mir gewiß, daß er ihn ruhig und gefaßt ertragen hat . . .Ich weiß, daß Otto ganz in den Willen Gottes ergeben lebte und auch zum Tod bereit war. Ich stelle mir vor, daß er Jesus auch in den Tod folgen wollte, wie er ihm bereits bereitwillig in das Leiden gefolgt war“.[57]
Wegen seiner Furunkulose mußte Otto Neururer im Revier (Krankenstation) aufgenommen werden. Auch das war wegen der barbarischen Behandlung durch die „Pfleger“, berüchtigt. Oft wurden politische Gegner mit der Giftspritze getötet. Neururer kam durch. „Dieser einfache, völlig anspruchslose Pfarrer mit dem unschuldigsten Gesicht der Welt imponierte doch jedem….“[58] „Er muß im Revier in Buchenwald schlimme Erlebnisse gehabt haben, weil, wenn die Rede darauf kam, dann wurde er ganz aufgeregt und wollte vom Revier nichts mehr wissen.“ [59] Pater Just berichtete, dass Neururer ein schwächlicher Typ war. Er sah krank aus und litt doppelt. Er kam öfters ins Revier. Er kränkelte ständig. [60]
In Buchenwald zeigte sich wieder die innere Größe Neururers. Er arbeitete pflichtbewusst und blieb immer liebenswürdig. Nie habe er geschimpft, sondern alles geduldig ertragen und war dabei bemüht, andere zu trösten. „Er war immer sehr nett und dienstbeflissen. Pfarrer Neururer war eine „anima candida“, als solcher sehr freigiebig und etwas unbeholfen in rein irdischen Dingen. Er wurde weidlich ausgenützt von Laien. Er gab von dem Wenigen, der armseligen Hungerrationen, noch etwas ab an die Armen des Lagers.“
Im Brief vom 19.05.40 aus Buchenwald schrieb er: „…Ihr werdet mir glauben, dass ich mit meinen Gedanken immer wieder bei meinen Freunden in der Heimat weile!…“ , er bat um Gebet für ihn und sandte Grüße in die Heimat.
Der Frühling 1940 brachte Hoffnung für den gefangenen Neururer. Er hoffte auf baldige Freilassung, da Zuhause vieles für seine Freiheit getan wurde. 1939 waren mehrere kirchliche Versuche unternommen worden, 1940 schien die tatsächliche Freilassung möglich. Zuhause erwartete man ihn bereits; dort war seine Freilassung versprochen worden. Doch es sollte anders kommen.
Ein protestantischer Mithäftling aus Berlin bat Pfarrer Otto Neururer um die Konversion. Es ist nicht mehr zu klären, ob dieser ein Lagerspitzel war, oder ob sie von einem anderen Häftling verraten wurden. Die Mitbrüder Steinwender und Rieser warnten vor der großen Gefahr. Auf religiöse Beeinflussung stand die Todesstrafe. Glücklich, wieder als Priester arbeiten zu können, begann Neururer aber mit dem Taufunterricht. Der Mitgefangene Geistliche Spannlang sollte als Taufpate bereitstehen. (Taufe war damals bei einer Konversion üblich, für den Fall, dass die erste Taufe nicht gültig gewesen sein sollte, wurde die Taufe unter Bedingung gespendet.)
Häftling Steinwender, Kanonikus erzählte: „Eines Sonntagsnachmittags gegen 5 Uhr kam Neururer zu mir auf den Block und fragte mich über die Vollmachten, die zur Aufnahme eines Häftlings in die Kirche und zur Spendung der Sakramente notwendig seien, sagte ihm, daß bei der ständigen Todesgefahr aller Häftlinge bezüglich der Vollmachten kein Zweifel bestände. Ich hatte nur ein Bedenken, ob der Mann, der an ihn herangetreten sei, es auch ehrlich meine, ob er etwa nur eine Unterstützung haben wolle oder ob er vielleicht gar ein Spitzel sei… Neururer, der immer zur Güte und Nachsicht neigte und daher auch im Mitmenschen jede Falschheit ausschloß, wies diese Einwendung klar zurück und sagte, er sei sich vollkommen im Klaren und vertraue seinem Schützling in jeder Beziehung. Froh und lächelnd reichte er mir die Hand und wir verabschiedeten uns – für immer … Wir waren alle davon überzeugt, daß diese Überführung in das berüchtigte Lagergefängnis mit der seelsorglichen Tätigkeit zusammenhänge . . .“[61]
Tatsächlich wurde die Konversion durchgeführt. Auch das Sakrament der Beichte wurde gespendet. Da kam es zum Verrat. Nach einem Verhör, bei dem Neururer sich weigerte über die Beichte zu sprechen und so das Beichtgeheimnis wahrte, wurde er am 28. Mai 1940 zur verschärften Haft in den Bunker gebracht. „Der Arrest von Buchenwald war furchtbar. Alle sprachen mit Entsetzen von diesem schauerlichen Ort, aus dem es kein Entrinnen gab. Wir alle bangten sehr um das Leben und Schicksal der beiden (Neururer und Spannlang) uns so lieben und teuren Kameraden.“ Neururer wurde nach seiner Einlieferung in den Bunker zunächst in eine normale Zelle gebracht. Dann aber nach kurzer Zeit in die Todeszelle geführt.
Als Zeuge berichtete Kaplan Berchtold folgendes: „Neururer wurde im Bunker, völlig nackt, an beiden Füßen kopfüber aufgehängt, bis der Tod durch Gehirnschlag eingetreten war. Ab und zu musste nämlich auf Befehl aus Berlin ein Leichnam an die Angehörigen ausgeliefert werden. Pfr. Neururer war nun der erste österreichische und deutsche Priester, der in Buchenwald starb. Weil somit auch bei ihm die Gefahr der Auslieferung bestand, wurde er, wie üblich, auf solche Weise getötet, dass der Leichnam keine Spur der Todesart verraten konnte. Seine Füße wurden mit Lammfellen umwickelt, damit die Eisenketten keine Spuren hinterließen. Der heftige Blutandrang zum Kopf musste notwendigerweise zum Gehirnschlag führen…Der Bunkerwärter, ein Mithäftling, war der Henker. Der Henker erzählte Berchtold: „Neururer…hat sich auf keine Weise gesträubt. Nachdem Aufhängen hat er einige Male tief gestöhnt und dann die Lippen ständig leise bewegt, wie wenn er bete. Lagerführer und Rapportführer blieben noch eine Zeitlang bei ihm.. Zuweilen hörte man lautes Lachen, so dass der Bunkerwärter annahm, dass sie den hilflos Hängenden verhöhnten.“ Der Wärter zeigte Berchtold Ketten und Felle und drohte dem Kaplan, er müsse über all das Schweigen bis zum Ende des Nazismus.[62] Berchtold weiter: „Die Aktion wurde von Schober geleitet, mitgetan hat Rapportführer Strippel und der Bunkeraufseher Martin Sommer. Diese drei blieben etwa noch zwei Stunden in der Todeszelle und beschimpften und verhöhnten Neururer. Der Bunkerwärter (Kalfaktor) schaute in dieser Zeit immer wieder einmal in die Todeszelle hinein, ob man ihn nicht benötige. Als die drei dann die Todeszelle verließen, gab Schober dem Kalfaktor den Auftrag immer wieder in die Todeszelle zu schauen, ob Neururer noch lebt, und wenn er seinen Tod festgestellt hat, Meldung zu erstatten. Damit ist die genaueTodesstunde Neururers nicht feststellbar. Ich konnte nur erfahren, daß nach ca. 34 Stunden der Kalfaktor den Tod Neururers festgestellt hat.“[63]
So wurde Pfarrer Otto Neururer am 30.05.1940 im KZ Buchenwald ermordet. Nach offizieller Aussage soll er an einer akuten Herzschwäche gestorben sein. Sein Leichnam wurde am 03.06.1940 ,vermutlich im Krematorium der Stadt Weimar, eingeäschert.
Am 30.06.1940 fand in der Heimat in Götzens das feierliche Begräbnis der Urne statt. Im Namen der Diözese verfasste der mutige Provikar Carl Lampert eine Todesanzeige ,„…Sein Leben und Sterben werden wir nie vergessen….“ Dieser Text führte zu dritten und letztlich endgültigen Verhaftung Carl Lamperts, den die Kirche ebenfalls als Seligen verehrt.
Das Seligsprechungsverfahren für Pfarrer Otto Neururer wurde am 27.01.1982 eröffnet und mit der Seligsprechung am 24.11.1996 abgeschlossen.
1985 wurde in der Gedenkstätte KZ Buchenwald in der Todeszell eine Tafel angebracht (noch zu DDR-Zeit!) mit dem Text: „In dieser Zelle wurde der katholische Pfarrer Otto Neururer, geb. am 25. 03. 1882, am 30.05. 1940 von der SS ermordet. Weil er sich unter seinen Mitgefangenen als Priester betätigt hatte, quälten ihn die faschistischen Peiniger zu Tode.“
Bis Mitte der 1990ger Jahre waren bereits mehr als 180 Gebetserhörungen, auf die Fürsprache des Seligen Otto Neururers, dokumentiert. Menschen berichteten von seinem hilfreichen Eintreten bei Gott. Von Ihnen erfuhren 35% körperliche Heilungen, 20% Hilfe bei Familien- und Eheproblemen, 13% Hilfe bei Schulproblemen und Prüfungen, 8% berichten von Bekehrungen…[64]
Pfarrer Neururer gilt als Patron der Familien.
Anmerkungen:
[2] Pfr Karl Mair, Doku
Dekret über das Martyrium von Otto Neururer
(Der Kongregation für die Heiligsprechung, Innsbruck betreffend, die Seligsprechung bzw. Erklärung des Martyriums des Dieners Gottes Otto Neururer, Diözesanpriester (1882- 1940))
„ Das Martyrium ist ein leuchtendes Zeichen der Heiligkeit der Kirche: die mit dem Tod bezeugte Treue zum heiligen Gesetz Gottes ist feierliches Zeugnis und missionarischer Einsatz bis zum Tod, auf daß nicht der Glanz der sittlichen Wahrheit in den Gewohnheiten und Denkweisen der Menschen und der Gesellschaft um seine Leuchtkraft gebracht werde. Ein solches Zeugnis bietet einen außerordentlich wertvollen Beitrag, damit man nicht nur in der bürgerlichen Gesellschaft, sondern auch innerhalb der kirchlichen Gemeinschaften nicht in die gefährlichste Krise gerät, die den Menschen überhaupt heimsuchen kann: nämlich die Verwirrung in bezug auf Gut und Böse, was den Aufbau und die Bewahrung der sittlichen Ordnung des Einzelnen und der Gemeinschaften unmöglich macht“ (Johannes Paulus II. Litt. Encycl. Veritatis Splendor, 93: AAS LXXXV (1993), s. 1207).
Ein herrliches Zeugnis der Treue gegenüber der Wahrheit, dem göttlichen Gesetz und der Kirche gab der Priester Otto Neururer, indem er den Spuren des Guten Hirten folgte, treu seine priesterliche Pflicht erfüllte und schließlich aufgrund der Verteidigung der christlichen Ehe und wegen Ausübung seines priesterlichen Dienstes unter den Mithäftlingen im nationalsozialistischen Konzentrationslager Buchenwald die Krone des Martyriums erlangte.
Der Diener Gottes Otto Neururer wurde als zwölftes Kind des Ehepaares Alois Neururer und Hildegard Streng am 25. März 1882 im kleinen Ort Piller geboren, damals in der Diözese Brixen, jetzt in der von Innsbruck gelegen.
Nachdem Otto den Vater verloren hatte, sorgte seine fromme Mutter gewissenhaft für seine menschliche und christliche Erziehung. Im Jahr 1890 empfing er die Erstkommunion und zwei Jahre später das Sakrament der Firmung. Weil er den Ruf zum Priestertum verspürte, trat er nach Beendigung der Volksschule in seinem Heimatort im Jahre 1895 in das kleine Seminar „Vinzentinum“ in Brixen ein, wo er sich durch großen Studienerfolg und durch die genaue Beachtung der häuslichen Disziplin auszeichnete. Genauso befleißigte er sich trotz seiner gesundheitlichen Schwierigkeiten im Priesterseminar. Sein theologisches Wissen verband er mit Frömmigkeit und hegte eine große Liebe zur Kirche und deren Sendung. Er galt so als Beispiel für seine Altersgenossen.
Nach Empfang der Priesterweihe am 29. Juni 1907 wirkte er mit großem Eifer als Kooperator in verschieden, Pfarren. Besonders angelegen waren ihm die Erteilung des, Religionsunterrichtes und die Verkündigung des Evangeliums. Mit großem Eifer versah er den priesterlichen Dienst. Er sorgte sich um die Erziehung der Jugend und um die ständige Betreuung der Kranken, der Armen und der an den Rand der Gesellschaft Gedrängten. Im Jahre 1932 wurde er zum Pfarrer des kleinen Dorfes Götzens bei Innsbruck ernannt. Von Glaubenstiefe und Nächstenliebe geprägt, widmete er sich mit großem Eifer der Predigt, der Spendung der Sakramente und der Sorge für die Gläubigen. Andächtig feierte er die Hl. Messe, pflegte das Gebet, die Meditation und das tägliche Brevier- und Rosenkranzgebet. Er förderte die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu, der Jungfrau Maria und der Armen Seelen. Der Mitfeier der Hl. Messe durch die Gläubigen und der Anbetung des Allerheiligsten galt seine Sorge. Er veranstaltete Exerzitien für die Jugendlichen. Die Pfarrgüter verwaltete er getreu.
Als nach der Besetzung Österreichs durch Deutschland im Jahre 1938 in der sogenannten Naziherrschaft die Verfolgung der Kirche und ihrer Einrichtungen begann, übte der Diener Gottes seinen priesterlichen Dienst weiterhin mit der gewohnten Treue zur katholischen Lehre aus, einzig und allein auf das Wohl seiner Gemeinde bedacht. Sich der Niedertracht der Zeit und der schweren Gefahren bewußt, die dem christlichen Volke drohten, zeigte er offen seine Bereitschaft, das Leben für Christus hingeben zu wollen; er sah voraus, daß er als Märtyrer sterben werde.
Dem göttlichen Gesetz und dem pastoralen Dienst verpflichtet, hat er am 8. Dezember 1938 einem Mädchen aus der Pfarre von der Heirat eines geschiedenen Nationalsozialisten abgeraten. Dieser rächte sich, indem er den Namen dieses hervorragenden Priesters bei der Gestapo anzeigte, von der
Otto Neururer am 15. Dezember desselben Jahres festgenommen wurde. Als man ihn in das Gefängnis von Innsbruck einlieferte, leistete er keinen Widerstand, sondern bekräftigte, nur seinen priesterlichen Dienst getan zu haben und zum Sterben bereit zu sein. Im März 1939 wurde er im Konzentrationslager von Dachau eingesperrt und im darauffolgenden September in das KZ Buchenwald bei Weimar überstellt. Tapfer, geduldig und ergeben ertrug er Kränkung, Verfolgung, Schläge, Kälte und ihm aufgebürdete Schwerarbeit. Unter diesen äußerst widrigen Umständen pflegte er oft zu beten: „Wie Gott will! Sooft er konnte, war er den Mithäftlingen behilflich und spendete ihnen die Sakramente. Er setzte sich dabei der Gefahr aus, dafür mit dem Tode bestraft zu werden. Durch seine Tätigkeit als Priester erreichte er heimlich die Konversion eines Provokateurs aus Berlin, dem er das Sakrament der Taufe spendete; dafür ist der Priester Matthias Spanlang Zeuge. Die Angelegenheit wurde bekannt. Daraufhin wurden beide Priester deshalb eines schweren Vergehens angeklagt und am 28. Mai 1940 in den Bunker des Konzentrationslagers gesperrt.
Otto Neururer wurde an den Füßen mit dem Kopf nach unten aufgehängt und hat so am 30. Mai 1940 sein Leben heroisch beendet. Er ging als Märtyrer in das ewige Leben ein. Wenige Tage später wurde nach Einäscherung des Leichnams der Pfarre Götzens die Urne mit der Asche übersandt und dort ehrenvoll bestattet. Von Anfang an galt der Diener Gottes aufgrund seines unbeirrten Dienstes als Seelsorger ganz klar als Märtyrer.
Als sich diese Überzeugung in immer weiteren Kreisen durchsetzte, leitete der Bischof von Innsbruck nach Abschluss der diözesanen Erhebungen über das Martyrium und den Ruf der Heiligkeit den Prozess für die Selig- und Heiligsprechung ein. Die Rechtmäßigkeit des Diözesanprozesses wurde von der Kongregation für die Heiligsprechung durch das am 14. Juni 1991 veröffentlichte Dekret bestätigt. Nach Erstellung der Positio folgte die Prüfung, ob der Tod des Dieners Gottes als ein echtes Martyrium zu bezeichnen ist. Am 19. Mai 1995 hat die Theologenkommission diese Frage positiv beurteilt. Die Kardinäle und Bischöfe haben in der ordentlichen Sitzung vom 21. November desselben Jahres, bei der Seine Eminenz Kardinal Alfons Maria Stickler als Berichterstatter fungierte, öffentlich erklärt, dass der Priester Otto Neururer sein Leben hingegeben hat, um die Treue zu Christus und zum pastoralen Dienst zu bezeugen.
Darüber hat der unten angeführte Pro-Präfekt als Berichterstatter Papst Johannes Paul II. unterrichtet. Dieser nahm die Voten der Kongregation für die Heiligsprechung entgegen, genehmigte sie und ordnete die rechtmäßige Ausfertigung des Dekretes über das Martyrium des Dieners Gottes an.
Nach Ausfertigung des Dekretes erklärte der Heilige Vater am heutigen Tag im Beisein des unten genannten Pro-Präfekten, ebenso des Kardinalberichterstatters und meiner Person als Sekretär, sowie im Beisein aller übrigen, die nach Brauch zusammengerufen werden müssen:
Das Martyrium des Dieners Gottes Otto Neururer, Diözesanpriester, der im Jahre 1940 ermordet wurde, ist erwiesen und steht fest hinsichtlich der theologischen Begründung und im Hinblick auf die Seligsprechung.
Seine Heiligkeit ordnete die Veröffentlichung dieses Dekretes an und dessen Hinterlegung bei den Akten der Kongregation für die Heiligsprechung.
Gegeben zu Rom am 12. Jänner 1996
LINKS
- Katholisches Pfarramt Herz Jesu Weimar
- Ökumenisches Heiligenlexikon
- Gemeinde Fliess
- Film: „Der selige Pfarrer Otto Neururer, im gewöhnlichen außergewöhnlich gut!“, Interview mit Frau Beate Fink, Notarin im Seligsprechungsprozess
- Film: „Märtyrerpriester sel. Pfr. Otto Neururer“
- Filmbeitrag von SalveTV
Karl Leisner
Geb 28.02. 1915 in Rees am Niederrhein
Verhaftet wegen Bemerkung: „Schade, dass Hitler nicht dabei war“
KZ Dachau ab 14.12.1940
Priesterweihe im KZ Dachau 17.12.1944
+ 12.08.1945 in Planegg
Seliggesprochen 23.06.1996
Seliger Karl Leisner, bitte für uns!
Gedenktag: 12.08
Inhaltsübersicht:
- Biografie
- Links
Kurzbiografie
Karl Leisner wurde am 28.02. 1915 in Rees am Niederrhein geboren. Er wuchs in Kleve auf, war bald Mitglied der katholischen Jugendbewegung und schon mit 13 Jahren leitete er begeisternd eine Jugendgruppe. Karl konnte die Jungendlichen begeistern für Gott und wollte sie so stark machen gegen die Ideologie des Nationalsozialismus. Er verbrachte frohe Stunden bei Gesang und Spiel in Zeltlagern und auf Fahrten. Der katholische Glaube wurde selbstverständlich praktiziert, häufiger Sakramenten Empfang, Bibellesung und Gebet waren integriert.
Nach dem Abitur 1934 trat er ins Priesterseminar ein. Neben dem Theologiestudium engagierte er sich weiter für die katholische Jugend als Bezirksjungscharführer und schließlich Diözesanjungscharführer. In seinem Tagebuch ist sein geistlicher Werdegang dokumentiert. Ihn bewegte eine leidenschaftliche Liebe zu Gott: „Christus – Du bist meine Leidenschaft.“ (Tagebuch am 02.09.1935.) Im Freisemester 1936/37 studierte er in Freiburg i. Br und verliebte sich dort in ein Mädchen. Eine christliche Ehe schien ihm ein erstrebenswertes Lebensziel. Es folgten Zeiten schweren inneren Ringens, welchen Weg er einschlagen sollte. Schließlich entschied er sich für die Liebe zu Gott und die Priesterberufung. So wurde er im Frühjahr 1939 zum Diakon geweiht.
Eine plötzlich auftretende große körperliche Schwäche entpuppte sich als schwere TBC Erkrankung und zwang ihn sofort die Lungenheilstätte in St. Blasien, Schwarzwald aufzusuchen. Mit seinem frohen Wesen fand er auch dort schnell Freunde.
Als am 09.11.39 die Nachricht vom misslungenen Attentat auf Hitler im Münchner Bürgerbraukeller zu ihnen drang, vertraute er einem Freund an: „Schade, dass der Führer nicht dabei war.“ Dieser Satz wurde verraten und Karl Leisner wurde verhaftet. Sein Weg führte über das Gefängnis Freiburg ins KZ Sachsenhausen. Am 14. Dezember 1941 wurde er ins Konzentrationslager Dachau eingeliefert. Im Priesterblock traf er seinen geistlichen Freund P. Otto Pies SJ. Dieser stand ihm während der ganzen Haft bis zu seinem Tod bei. Im KZ Dachau brach seine Erkrankung wieder aus und zwang ihn zum Aufenthalt auf der überfüllten Krankenstation. Karl Leisner wurde trotz depressiver Phasen und schwerer Krankheit von seinen Mitgefangenen als erstaunlich fröhlich, selbstlos und hilfsbereit beschrieben. Da er unter seinem Kopfkissen stets eine Blechdose mit dem Allerheiligsten verbarg, konnte er auch seelsorgerlich wirken in Gesprächen und durch Spendung der Eucharistie. Er lebte ein beeindruckendes geistliches Leben in der eucharistischen Anbetung und der Liebe zum Wort Gottes. Da sein äußerst kritischer Gesundheitszustand das Überleben der herbeigesehnten Befreiung mit dem Kriegsende fraglich machte, war sein Lebenstraum, die Priesterweihe, in Gefahr. Deshalb setzte sich P. Pies dafür ein, dass Karl Leisner am 17.12.1944 heimlich im KZ Dachau von dem ebenfalls dort inhaftierten französischen Bischof Gabriel Piguet von Clermont-Ferrand zum Priester geweiht werden konnte. Am 26.12.1944 fand dort auch die Primizfeier statt. Danach konnte Karl Leisner sein Krankenlager nicht mehr verlassen und überlebte die Befreiung des KZ Dachau nur um wenige Monate. Er starb am 12.08.1945 in Planegg bei München in einem Lungensanatorium. Sein Leben opferte er wiederholt für die Jugend, für ein christliches Europa und für die Priester. Seine letzten Worte im Tagebuch lauten: „Segne auch, Höchster, meine Feinde.“
Karl Leisner wurde am 23. Juni 1996 von Papst Johannes Paul II. in Berlin selig gesprochen.
Das Bistum Münster berichtete am 25. April 2007 über die Eröffnung des Verfahrens zur Heiligsprechung für Karl Leisner.
Seliger Karl Leisner, bitte für uns!
Zitate
„Alles auf Christus beziehen! Fleißig Bibel lesen! Mehr Fleiß bei allem!..Liebe jeden Menschen!“
„…innerlich folge ich ihnen nicht.“
– über den Nationalsozialismus
„Christus, du hast mich gerufen. Ich spreche bescheiden und bestimmt: ,Hier bin ich, sende mich!“
-schreibt Karl Leisner zu Beginn seines Theologiestudiums
„Gott, erbarme dich derer, die mir Übles wollen.“
„Ohne dich kann ich nichts, mit dir alles! Ich verspreche dir feierlich: Herr, allmächtiger Gott: Dein Werkzeug zu sein in Vollkommenheit will ich ständig mich verzehren. Alle Lebenskraft gehört dir von heute ab.“
-Tagebuch vom 12.9.1934
„Komm zu Christus! Glaube, und du kommst, liebe, und du wirst gezogen. Christus, du mein Leben, meine Liebe, du meine Leidenschaft, entflamme, erleuchte mich!“
„Wenn ich Priester werden soll, dann las mich es wissen und erwirke mir die Kraft, mich selbst zu überwinden. Wenn ich ein schlechter Priester werden sollte, dann sorge dafür, dass ich vorher sterbe.“
„Komm, lasst uns die Hände reichen, um am Reich Gottes zu bauen.“
– Tagebuch vom 06.01.1936
„So will ich denn im Vertrauen auf den Herrgott mit Dank für die gnädige Führung, die ich in ganz besonderer Weise der Hilfe der hl. Mutter Maria verdanke, den großen Lebensschritt [zum Priestertum] wagen.“
-Tagebuch vom 7.12.1937
„Oh Herr Jesu Christ, voll tiefer Liebe und Demut flehe ich zu Dir, stehe mir bei im Kampf um das Heilige in mir. Las mich im harten Dienst dein bewährter Diener sein. Du, adle meine Arbeit! Wenn ich auch schwach bin, Du sei mir Stärke und Hort! Sei mir Schild und Schutz, Du mein Erlöser, komm zu mir. Amen.“
-Brief nach hause vom Reichsarbeitsdienst
„Wir leben Christus! Das ist meines Lebens letzter Sinn: Christus zu leben in dieser Zeit! Christus, wenn Du nicht bist, dann möchte ich nicht leben. Du bist! Du lebst! Nimm mich hin! Verfüge über mich! Las dein Handeln und Wandeln durch mich und für alle jetzt Tat werden. Christus, Christus, Christus! Du bist mein Leben, meine Liebe, meine innerste Glut!“
„Darum wirf dich Christus in die Arme, gib dich ihm hin in gläubig starkem Glauben, in ergreifender Liebe, in betrachtendem Gebet und Innenleben, wie eine junge, strahlende, schöne, liebende Braut, die ihren ganzen Liebreiz… in restloser Hingabe ihrem Geliebten schenkt.“
„Wir leben Christus! Das ist meines Lebens letzter Sinn: Christus zu leben in dieser Zeit!….Christus! Christus! Christus! Du bist mein Leben, meine Liebe.“
„Christus, das Geheimnis der Kraft Europas.“
– Tagebuch vom 23.04.1938
„Erhalte uns in deiner Liebe, Gott! Denn ohne dich hängen wir in der Luft.“
– Tagebuch vom 26.01.1939
„Christus, du mein Leben, du mein Licht, du meine Liebe.“
– Tagebuch vom 02.02.1939
„Herr, ich entscheide mich frei für Dich, Dir gehört mein Leben und Sterben!“
– nach der Diakonweihe
„Ich bin vollkommen ruhig, ja froh; denn ich bin mir meines reinen Gewissens und sauberer Gesinnung bewusst. Und wenn ich vor Gottes klarem Richterspruch bestehen kann, was können Menschen mir dann schon antun! Alles hat seinen Sinn.“
„… Gott, ich danke Dir für alle Wohltaten, die Du so reichlich über mich ausgegossen. Ja, ich danke Dir für die Tage der schweren Krankheit, und jetzt wiederum für die Tage der Unfreiheit und Gefangenschaft. Alles hat seinen Sinn. Du meinst es überaus gut mit mir. Aus ganzem Herzen bitte ich Dich für alle, die mir nicht gut gesinnt, und bitte Dich um Verzeihung für sie. Vor allem aber verzeihe mir armen Sünder alles, was ich je Dir oder einem Menschenbruder zuleide tat. …“
„… Die Liebe allein ist Frucht bringend für Zeit und Ewigkeit. Sie allein baut auf. Sie ist die wahrhaftige göttliche Macht. Ihr will ich mich in priesterlicher Gesinnung anheim geben, ganz!… Christus, Dir mein Leben ohne Vorbehalt. Was Du mit mir machst, Du allein sollst es bestimmen. Fiat!…“
„Herr, wenn Du willst, bin ich bereit, das Liebste gebe ich Dir, wenn Du es willst. Las mich bei Dir sein und deinen Weg gehen, mehr will ich nicht.“
„Einst schrieb ich in jugendlichem Idealismus: Christus, meine Leidenschaft. Heute schreibe ich, schrecklich ernüchtert, aber geklärt: Jesus Christus, meine Liebe, mein ein und alles. Dir gehöre ich ganz und ungeteilt.“
„Aber wir wollen nicht nörgeln. Was siegt, ist die Kraft der größeren Liebe…“
„Gott, weil er so groß ist, gibt dem Liebsten große Gaben. Ach, dass wir nur so kleine Herzen haben!“
„… Hoff´, o du arme Seele, hoff´und sei unverzagt! Gott wird dich aus der Höhle, da dich der Kummer plagt, mit großen Gnaden rücken. Erwarte nur die Zeit, so wirst du schon erblicken die Sonn´der schönsten Freud´! Gott wird helfen! M.h.c. (Die Mutter Maria wird sorgen)“
„O, wie wohl ist mir. Wie ist Gott so unendlich gut! Wenn die Not am größten ist, hilft er. Nur die Ganzhingabe wollte er vorher. Ich bin über alles so froh…Ich kann wieder recht beten.- Aus der Stille spricht Gott. – Obwohl ich so schlapp bin.“
„… Alles für die Priester und neue Kandidaten. Wecke, Herr, Priester Deines Göttlichen Herzens!“
„O liebster Jesus,hilf mir!.. Alles für das göttliche Herz. …. Nicht mutlos und ungeduldig werden, gelt!“
– auf dem Sterbebett
„… Du armes Europa, zurück zu deinem Herrn Jesus Christus! (Dort ist Deine Quelle für das Schönste, was Du trägst). Zurück zu den frischen Quellen an göttlich wahrer Kraft! Heiland, las mich ein wenig Dir dabei Instrumentum sein, o ich flehe Dich an!“
„Mutter, ich muss dir etwas sagen, doch du darfst nicht traurig sein. Ich weiß, dass ich bald sterben werde; doch ich bin froh dabei.“
– zur Mutter kurz vor dem Tod am 07.08.45
„Segne auch, Höchster, meine Feinde.“
– Letzte Worte des letzten Eintrages im Tagebuch des seligen Karl Leisner vor seinem Tod
Otto Pies, Stephanus heute, Karl Leisner, Priester und Opfer, Verlag Butzon & Bercker, 1951
Otto Pies, geweihte Hände in Fesseln, Priesterweihe im KZ, Berlin 1951
Rene´Lejeune, Wie Gold im Feuer geläutert, Karl Leisner, 1915 -1945, Parvis-Verlag, CH-1648 Hauteville/Schweiz, 1991
Rote Rosen und Stacheldraht, Der selige Märtyrer Karl Leisner, Leben und Zeugnis, Herausgeber Josef Heckens, Verlag Butzon & Bercker Kevelaer, Münster, 1996
Hans-Karl Seeger, Gabriel Latzel, Christa Bockholt (Hg.), Otto Pies und Karl Leisner, Freundschaft in der Hölle des KZ Dachau, Verlag Dr. Eike Pies, Dommershausen, 2007
Hans-Karl Seeger, Gabriele Latzel, Karl Leisner, Priesterweihe und Primiz im KZ Dachau, LIT-Verlag, Münster 2004
Hans-Karl Seeger (Hg.), Karl Leisners letztes Tagebuch, Zeugnis eines vollendeten Lebens, Topos Taschenbücher, Kevelaer 2007
Hermann Gebert, Geschichte einer Berufung, Karl Leisner 1915-1945, Vallendar-Schönstatt 2010, Patris Verlag
Biografie
Text folgt
Links:
- Bistum Köln
- Film: “The Church against Hitler (part 5 – Karl Leisner )”, ( italienisch mit englischen Untertiteln)
- Film: “Seliger Karl Leisner: Messgewand und Primizkelch im Stift Heiligenkreuz”
Bischof Michal Kozal
Seliger Bischof Michal Kozal
(in deutschen Texten auch: Michael Kozal)
Geboren am 25.09.1893 in Nowy Folwark, Polen
Grundlos verhaftet zusammen mit dem ganzen Priesterseminar seiner Diözese, Dozenten und Studenten
KZ Dachau ab 25.04.1941
+ 26.01.1943 KZ Dachau
Seliggesprochen 14.06.1987
Seliger Bischof Kozal bitte für uns!
Gedenktag in Polen: 14.06, (außerdem der 26.01., der Sterbetag)
Inhaltsübersicht:
Kurzbiografie
Der Selige Weibischof Michael (polnisch Michal) Kozal wurde am 25.09.1893 in Polen geboren. Seine Bischofsweihe zum Weihbischof von Włocławek (Polen) fand am 13. August 1939 statt, kurz vor der Invasion der deutschen Truppen in Polen am 01.09.1939. Von der Gestapo wurde er am 7. November 1939 verhaftet, zusammen mit vielen Priestern seiner Diözese und dem gesamten Priesterseminar mit allen Seminaristen und Professoren. In der Haftzeit wurde er wiederholt schwer geschlagen. Nach verschiedenen Stationen brachte man ihn am 25.04.1941 ins KZ Dachau. Dort war er als Häftling im Priesterblock bemüht den mitgefangenen Priestern zu helfen, als Seelsorger und sogar durch weitergeben seines eigenen wenigen Essens. Er litt sehr unter dem Glaubenshass der SS, die ihn folterte und schlug und hatte unter den Schikanen und Schlägen einiger Mithäftlinge zu leiden. Trotzdem blieb er stets bewundernswert ruhig und segnete die Mitgefangenen und sogar seine Feinde und betete für sie. Schon zu Beginn seiner Haft hatte er Gott sein Leben angeboten für die Kirche und die Befreiung seines Heimatlandes Polen. Dies vollendete er im Martyrium. Am 26. Januar 1943 wurde er am Ende seiner Kräfte auf dem Krankenrevier eingeliefert. Er war an einer Mittelohrentzündung erkrankt. Dort wurde Bischof Kozal mit einer Giftspritze getötet, als bekannt geworden war, dass er ein katholischer Bischof war.
Im Seligsprechungsprozeß bezeugte der Mörder, dass er das gütige Gesicht des Bischofs, der mit seinem Mörder Mitleid hatte, nicht vergessen konnte.Bischof Michael Kozal wurde am 14.06.1987 von Papst Johannes Paul II seliggesprochen.
Seliger Bischof Kozal bitte für uns!
Ausführliche Biografie
von Monika Neudert
Der selige Michael Kozal war der erste, der polnischen Priestermärtyrer aus dem KZ Dachau, der selig gesprochen wurde. Der gütige Weihbischof aus Polen verdient es in Deutschland bekannt zu werden.
Kindheit und Jugend:
Er wurde am 25.09.1893 in Nowy Folwark geboren, einem kleinen Ort in der Erzdiözese Poznan. Seine Eltern waren Bauern, arm aber sehr fromm. Das prägte auch seine Kindheit in einer großen Familie. Schon als Kind zeigte er eine besondere Liebe für alles Religiöse, er fiel aber auch durch sehr gute Noten in der Grundschule auf. Ab 1905 besuchte er für 9 Jahre das Gymnasium in Krotoszyn, wo er wieder Klassenbester war. Er konnte auch die Sympathie von Mitschülern und Lehrern gewinnen. In seinem Abiturzeugnis von 1914 wird er als „in jedem Punkt mustergültig“,1 beschrieben.
In seiner Gymnasialzeit engagierte er sich in der katholischen Organisation Thomasz-Zan-Gesellschaft, schließlich sogar als deren Präsident. Diese setzte sich gegen eine überstarke Germanisierung der Schule ein. Dort mitzuwirken war, nach seiner Meinung, die Pflicht eines jeden Katholiken2. Schon früh reifte in ihm der Mut, sich gegen bestehende politische Verhältnisse zu behaupten und dadurch für Glauben und Vaterland zu kämpfen. Um das zu verstehen, müssen wir die sehr lange Zeit der Fremdherrschaft in Polen bedenken, und das Ringen um die nationale Identität, verbunden mit dem katholischen Glauben.
Der Priester
Nach dem Abitur 1914 entschied Michal Kozal sich für den Eintritt ins Priesterseminar Leonium in Poznan. Durch den Ausbruch des ersten Weltkrieges kam es dort allerdings zu Schwierigkeiten, so dass das Studium in Gnesen beendet werden musste. Wieder erahnen wir nur die Probleme, die hinter so einer Information stehen.
Am 23.02.1918 empfing Michael Kozal die Priesterweihe. Gerne hätte er weiter studiert, aber sein Vater verstarb unerwartet und er war so gezwungen in der Seelsorge zu arbeiten um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Nebenberuflich studierte er trotzdem weiter, konnte aber den Doktortitel nie erreichen.
Als Kaplan wurde er an verschiedenen Stellen in raschem Wechsel eingesetzt. Zu Beginn gleich in der Pfarrei Koscielec, ab 01.10.1918 in Pobiedziska. Dort blieb er für 1,5 Jahre. Sein Pfarrer berichtete lobend von einer harmonischen Zusammenarbeit. Begeistert äußerte er sich über den Kaplan Kozal: „Das ist mein erster Vikar, der nicht sich selbst sucht, sondern die Rettung der Seelen.“3 Was für ein Seelsorgereifer und welche Selbstlosigkeit hat wohl zu solchem Lob geführt! Bedenkt man, dass der Kaplan nebenbei auch noch studierte und das mit sehr guten Ergebnissen, wächst unser Staunen weiter. Ab 06.06.1920 war Kaplan Kozal in Kostkowo eingesetzt bis 1922.
Am 29.09.1922 wurde er zum Präfekt des katholischen humanistischen Mädchengymnasiums Bromberg/Bydgoszcz ernannt. Er hatte nicht nur Leitungsfunktionen inne. Er unterrichtete auch selber als Religionslehrer.
Doch 1927 berief ihn der Bischof als Spiritual an das Priesterseminar Gnesen. Engagiert und mit Herz arbeitete er dort. Es wird berichtet: „Die Seminaristen ließ er damals wissen: „Ich stehe Ihnen Tag und Nacht zur Verfügung. Sie können jederzeit zu mir kommen.““4 Er war sehr erfolgreich in Leitung und spiritueller Führung. Obwohl er als Einziger dort keinen akademischen Grad hatte, wurde er 25.09.1929 zum Regens des Seminars in Gnesen ernannt wurde. Sein persönliches Beispiel hatte großen Einfluss auf Seminaristen.
Er war ein gütiger Seelsorger, aber auch ein an Kunst interessierter Mann der Kirche. Ein Museumswächter erinnerte sich: „Er war ein Mensch von angeborener Schlichtheit und tiefer Geisteskultur. Er liebte alles Schöne,…Es gab keine Ausstellung, die Bischof Kozal nicht besucht hätte. Er interessierte sich sehr für neue kulturelle Strömungen, besonders interessierte ihn aber die alte Malerei“5
Die wenigen Quellen und Zitate zeigen uns einen begabten und tiefreligiösen Geistlichen, der erfolgreich Karriere in der Kirche gemacht hatte.
Am 12.06.1939 wurde Regens Kozal unerwartet zum Weihbischof von Wloclawek, (auf deutsch: Leslau) an der Weichsel und zum Tituarbischof von Lappa ernannt. Nach einigen Tagen des Rückzugs zur spirituellen Vorbereitung wurde die Bischofsweihe am 13.08.1939 vollzogen. In was für gefahrvollen Tagen war dieser Mann Bischof geworden. Nur ein erstes und einziges Mal konnte er ein Pontifikalamt zelebrieren.
Nationalsozialistische Eroberer in Polen
Dieses Jahr 1939 brachte Polen im September den Einmarsch der deutschen Truppen. Der Zweite Weltkrieg brach aus. Welches vielfache Leid das polnische Volk dadurch erleiden musste, ist vielen Deutschen nicht bekannt.
Am Morgen des 01.09.39 überfiel die Deutsche Wehrmacht Polen. Weihbischof Kozal stand den Gläubigen in dieser Situation bei, wo er nur konnte. Er besuchte Verwundete, tröstete Menschen und half konkret, vor allem auch durch seine väterliche Ausstrahlung. Erstaunlicherweise verbrachte er in diesen Tagen viel Zeit im Beichtstuhl und beim Gebet. Das war seine Priorität. „Seine Güte, Ruhe und Selbstbeherrschung sowie sein geistliches Wort entfachten bei den Menschen dieser Zeit der Angst und Ausweglosigkeit einen Hoffnungsstrahl“6
Die staatlichen Behörden und das polnischen Militärs bedrängen ihn, die Stadt zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen. Doch Weihbischof Kozal lehnte klar ab. Er wollte als Hirte bei seinen Priestern und seinen Gläubigen bleiben. Sein Bischof reiste am 06.09.1939 ab. Dadurch lag die Verantwortung für die Führung der Diözese allein auf den Schultern des jungen Weihbischofs. Die Menschen vertrauten ihm.
Der Vormarsch der Deutsche Soldaten führte zu Besetzung von Wloclawek (Leslau) am 14.09.39. Sofort begannen systematische Maßnahmen gegen die Kirche: die katholische Presse wurde unterdrückt, Einrichtungen der Kirche und der Orden enteignet, Klöster geräumt, Geistliche und religiöse Laien verhaftet. Die Diözese Wloclawek war Teil des von den Deutschen „Warthegau“ genannten Gebietes, geworden. Hier sollte ein Musterbezirk des deutschen Reiches entstehen mit polnischen Arbeitssklaven und ohne andere störende Religionen wie dem Christentum. Hier war flächendeckend die Einführung der neuen „Hitlerreligion“ geplant. Deshalb wurde die Katholische Kirche hier auch besonders hart verfolgt. Sie sollte ausgerottet werden.
Bischof Kozal kämpfte dagegen an. Er protestierte und intervenierte mutig. Doch sein Einsatz hatte keinen Erfolg, vielmehr führte er zu einer Vorladung bei der Gestapo der Besatzungsmacht. Diese versuchte es zuerst mit Einschüchterung. Er dürfe nur noch auf Deutsch Predigen, so erfuhr er. Bischof Kozal lehnte ab. Realistisch wie er war, rechnete ab diesem Zeitpunkt mit seiner baldiger Verhaftung. Ein kleiner Koffer war schon bereitgestellt.
Sein Engagement galt auch jetzt besonders dem Priesterseminar. Er versuchte es wieder zu eröffnen, bemühte sich die dafür nötige Genehmigungen zu bekommen. Die deutschen Behörden erteilten diese überraschenderweise. Ab dem 08.11.1939 sollte das Seminar wieder eröffnet werden. Aber das war eine Lüge. Andere Pläne waren schon beschlossen worden: Am 07.11.39, dem vor der geplanten Wiedereröffnung, wurden alle Professoren und Seminaristen, insgesamt 44 Personen, verhaftet. Mit ihnen auch ihr Bischof, Weihbischof Michael Kozal. Er sagte: „Ich erkenne die Deutschen überhaupt nicht wieder, sie sind ganz anders als jene, die ich gekannt habe.“7
Kreuzweg, Leid und Gefangenschaft
Der Kreuzweg von Bischof Michael Kozal begann im Gefängnis der Stadt, in Isolierungshaft in einer kalten und feuchten Kellerzelle. Er musste auf dem bloßen Zementboden schlafen. Sonntags durfte er kurz zu den anderen Priestern, den Professoren und Seminaristen, um mit ihnen die heilige Messe zu feiern. Für nur eine halbe Stunde wurde er in die Kapelle gebracht. Was tat er zuerst? Er beichtete. Nach 30 Minuten, mitten während Messe, kam ein SS-Mann und brüllte: „Bischof raus!“. Der Bischof kommunizierte sofort und wurde abgeführt. In diesem Gefängnis in Wloclawek wurde er zum ersten Mal misshandelt. Von SS-Männern wurde er zweimal grausam ausgepeitscht.8 Das berichtete ein späterer Mithäftling aus Dachau, P. Lenz. Er vermutete auch den Grund von Bischof Kozals Verhaftung: „Sein Priestertum, seine Bischofswürde! – Sein Mut, der ihn festhielt am Ort seiner Pflicht – seine Hirtentreue! Er hatte nichts mit Politik zu tun: doch seine erhabene Persönlichkeit war eine zu mächtige Stütze der polnischen Kirche in schwerster Verfolgungszeit.“9 Das beschreibt die Situation ganz gut. Die Verachtung des deutschen Nationalsozialismus für das polnische Volk und der Hass auf die katholische Kirche entluden sich über Bischof Kozal, wie auch über tausenden anderen polnischen Geistlichen.
Am trostlosen Hl. Abend des Weihnachtsfestes 1939 durfte Bischof Kozal am Nachmittag mit seinen Priestern zusammentreffen und eine kurze Ansprache des Trosts und der Ermutigung halten.
Im Januar, am 16.01.1940 wurde die Priestergruppe zusammen mit ihrem Bischof verlegt. In Lad, an der Warthe, standen sie unter Hausarrest in einem Kloster der Salesianer.10 Dort war die Situation leichter, die SS nicht direkt anwesend, so dass ein gewisses Gemeinschaftsleben möglich war. Die Leitung des Hauses lag in der Hand eines Salesianerpaters. Dieser bürgte mit seiner persönlichen Sicherheit für die Gefangenen. Bischof Kozal beteiligte sich hier am Leben der anderen. Es war ihm möglich, eine gute Atmosphäre unter den Internierten zu schaffen. „Er greift nicht ein, ist jedoch auf diskrete weise an unserem Leben interessiert.“11 Geistliches Leben, Gebetszeiten und heilige Messe waren möglich. Er selbst nützte die Zeit und lernte Italienisch. Wichtig war ihm das Zelebrieren der täglichen Heilige Messe, lange betete er in Stille und unbeweglich vor dem Tabernakel. Für 8 Monate blieb die Gruppe in Lad.
Heimlich gelang es Bischof Kozal, Kontakt zur Diözese, der seine Sorge weiterhin galt, aufzubauen. Er versuchte, aus der Ferne heimlich dort das Priesterseminar zu reorganisieren. Die Seminaristen unter den Mithäftlingen in Lad studierten weiter und legten sogar ihre Prüfungen ab, Bischof Kozal führte dabei den Vorsitz.
Im Auftrag der Ordensleitung wurde ein deutscher Steylerpater, Eberhard Wigge SVD, nach Polen geschickt um nach den enteigneten Liegenschaften des Ordens zu sehen. Ein zusätzlicher, geheimer Auftrag des Heiligen Stuhls in Rom war, den internierten Bischof Kozal zu besuchen und ihm zu Freilassung zu verhelfen. Der Plan war, ihm den Bischofsstuhl in Lublin anzubieten um ihn so aus dem Gebiet des Warthegau herauszubringen und damit aus der direkten Gefahr. Der damalige Bischof von Lublin, Marian Fulman, war selber in Haft. Bischof Kozal misstraute dem Gesandten, der sich auf Grund der Geheimhaltung auch nicht als Gesandter des Vatikans offenbaren durfte. Bischof Kozal meinte einen Gestapospitzel vor sich zu haben. Deshalb lehnte er das Angebot mit Worten ab: „Da ich ein katholischer Bischof bin, kann ich einen Bischofsstuhl nur aus der Hand des Heiligen Vaters einnehmen.“ ab. Er wollte bei seinen Priestern bleiben. So wählte er unwissentlich das Martyrium.
Bischof Kozal war Realist. Von seinem Fenster aus hatte er wiederholt Deportationen beobachtet. Ihm war klar, diese Männer wurden weggebracht um zu leiden und zu sterben. In dieser Situation, traf er eine wichtige Entscheidung. In langen Stunden des Gebets vor dem Tabernakel bot er Gott sein Leben an. Er opferte es Gott auf für die Befreiung der Kirche und seines geliebten Heimatlandes Polens. Diese Entscheidung teilte er sogar dem Rektor des Seminars mit. Einem Seminaristen, dem späteren Bischof Majdanski, vertraue er sich an. Dieser übermittelt uns: „Er erhielt von Gott die Versicherung, dass dieses Opfer angenommen werde. Dessen war er sicher. Zu gegebener Zeit, als sich das Opfer erfüllen sollte, hat er das auf diskrete Weise offenbart.“12
Mir kam der Gedanke: hat dieses Opfer des Seligen Bischof Kozal der Kirche den Großen Papst Johannes Paul II aus Polen geschenkt? Wir werden es nie erfahren. Was wir wissen: Die inhaftierten polnischen Priester in Gefängnissen und KZ´s haben Karol Wojtyla auf dem Weg zum Priestertum geführt. Das erwähnte er am Tag der Seligsprechung von Pater Ruppert Mayer SJ in München. Könnten doch diese heiligen Priester auch uns helfen auf unserem Weg!
Körperlich litt Bischof Kozal bereits in Lad an den Folgen der harten Haft und der Mißhandlungen: Rheuma meldet sich, so dass ihm das Kniebeugen bei der Messe sichtlich schwer fällt. Dies erscheint eine Folge des Aufenthalts in der kalten und feuchten Kellerzelle in Wloclawek.
Am 26.08.1940 wurde die Mehrzahl der Priestergemeinschaft in Lad ins Konzentrationslager abtransportiert. Bischof Kozal blieb zunächst mit einer kleinen Gruppe von 7 Priestern und einem Diakon zurück. Erst am 03.04.1941 wurde die letzte Gruppe von Lad nach Inowroclaw (Hohensalza), gebracht. Danach begann eine Odysee durch verschiedene Gefängnisse und Lager. Von Poznan, nach Berlin, von dort nach Halle. Es folgte Weimar und Nürnberg und von dort kam Bischof Kozal ins KZ Dachau.13
Im KZ Dachau
Der Leidensweg ging weiter. Am 25.04.1941 wurde Bischof Kozal ins KZ Dachau gebracht, 1 Jahr und 10 Monate sollte er im KZ Dachau leiden und dort auch sein Lebensopfer darbringen. Dort waren seit Ende 1940 alle internierten Geistlichen aus dem Gebiet des damaligen Deutschen Reiches, auch aller eroberten Länder, zusammengefasst. Sie lebten isoliert von den übrigen Mithäftlingen in eigenen Priesterblocks, auch Pfarrerblocks genannt. Besonders die polnischen Priester waren besonderem Hass, Folter, Leid und Hunger ausgesetzt. In der Lagerhierarchie standen sie noch tiefer als die Juden. Im Jahr 1942 war die Not der gefangenen Priester am größten. Nahrung wurde ihnen absichtlich vorenthalten. Trotzdem zwang man sie zu harter Arbeit. So starben ab Sommer 1942 hunderte von ihnen. Die meisten der seliggesprochenen Priester starben in diesen Monaten.
Gleich am ersten Tag musste der Bischof lange in der Kälte Strafe stehen, ohne ausreichende Kleidung und fast barfuß, sogar ohne die sonst übliche Kappe, sie waren ausgegangen. Mit allen anderen Häftlingen teilt er das grausame Schicksal. Als Bischof wurde er immer wieder beschimpft und zusätzlich grausam behandelt, wiederholt schwer misshandelt und gefoltert. Er erlitt ernste Verletzungen am Bein und zog danach einen Fuß nach. Auch sein linkes Ohr wurde durch Schläge schmerzhaft verletzt, mit langfristigen Folgen. Er wurde vor dem Jourhaus (Eingangsgebäude des KZ) dem allgemeinen Gespött ausgesetzt, weil er ein Bischof war.
Zwei-mal musste er die grausamen 25 Doppelschläge über sich ergehen lassen. Eigentlich handelte es sich dabei um eine Lagerstrafe, die schon bei kleinsten Vergehen erteilt wurde. Doch Bischof Kozals Vergehen war: „nur weil er Bischof war“.14
Er wurde anderen zum Spott preisgegeben: Mitgefangenen, SS-Männern und sogar politischen Hoheitsträgern des Nationalsozialismus, die das KZ Dachau besuchten. Von Ihnen wurde Bischof Kozal als prominenter Gefangener vorgeführt, verlacht, verspottet und dabei misshandelt.15 Das berichtete uns ein mitgefangener Priester aus Österreich. Ein anderer berichtete von einer der regelmäßigen Kontrollen der Spinde, ein kleiner Holzschrank mit persönlichen Gegenständen im Wohnraum des Blockes. Meist war da nicht viel drin, aber extrem sauber musste er sein, sonst gab es Ärger. Bei Bischof Kozal fand einmal ein SS-Blockführer bei der Kontrolle einen Teller mit roten Rüben. Dieser Besitz war erlaubt und in der Lagerkantine legal erworben worden. „Dennoch fasste der Priesterhasser den Teller und schleuderte ihn mit voller Wucht auf den Kopf des Bischofs. Ein anderes mal im Juni 1941 brüllte er den Bischof an:„Was, du bist ein Bischof? So schaut ein Bischof aus? Sauhund, dreckiger, ich knall ´dich nieder! Und schon griff er nach seinem Revolver.“16 Er vollendete die Androhung jedoch nicht. Ein weiteres Zeugnis eines überlebenden mitgefangenen Priesters schilderte das Erlebte und die Persönlichkeit Bischof Kozals folgendermaßen:
„Einst wurde er vom Blockältesten B. blutig geschlagen. Auch der Lagerälteste (ebenso ein Mitgefangener, allerdings der Ranghöchste) schlug ihn und zwang ihn rücksichtslos zum Kübeltragen. Bischof Kozal war von hoher Gestalt, aber körperlich schwach. Sehr arbeitswillig, jedoch infolge Hunger und Misshandlungen am Ende seiner Kraft. Das furchtbare Kosttragen vermochte er nur mit dem Aufgebot aller seiner Kräfte irgendwie zu leisten. – Er musste jede Arbeit verrichten – genau wie jeder andere Kamerad. Die SS hatte es verlangt und sah eifrig nach. Wehe, wenn sie jemanden traf, der dem Bischof geholfen und ihn bedient hätte!…“17
Dieses Kosttragen, auch Kesseltragen genannt, war eine Aufgabe für die Priester in der Zeit als sie offiziell von Arbeit freigestellt waren. Es galt die sehr schweren (ca. 80 kg) und heißen Metallkessel mit den Mahlzeiten aus der Küche bis zu den einzelnen Blocks der Häftlinge zu tragen. Auch Bischof Kozal wurde zu dieser schweren Arbeit gezwungen. Immer zur Eile angetrieben. Unter Beschimpfungen und Schlägen stolperte und stürzte er. Ein Blockältester schlug ihn daraufhin.
Ein Mitgefangener, der spätere Bischof Madjanski berichtete: „…So stürzt eines Tages auch der Bischof beim Kesseltragen. Die Reaktion kommt sofort: Der Blockälteste schlägt zu. Das Ohr schmerzt. So sehen die Kreuzwegstationen aus. Auf dem Weg nach Dachau wurde er schon furchtbar geschlagen. Und auch jetzt schlagen sie ihn wieder. Infolge der früheren Schläge lahmt er. Dann bekam er eine Mittelohrentzündung. Daran geht er zugrunde. So vollzieht er das Opfer..“18
Als auch die Priester zu Arbeitseinsätzen eingeteilt wurden, gelang es Bischof Kozal an einem leichteren Arbeitsplatz unterzubringen. Auf der Plantage wurden die getrockneten Kräuter und Gewürze zum Verkauf in Papiertüten gefüllt. Diese Tüten zu Falten und zu Kleben war die Aufgabe des „Tütenklebekommandos“. Dort konnte Bischof Kozal im Sitzen und unter einem Dach über dem Kopf arbeiten. Im Trockenspeicher auf der Plantage und war er nicht jedem Wetter ausgeliefert.
Ab August 1942 arbeitete Bischof Kozal dort, zusammen mit einigen anderen meist älteren Priestern. Das „Tütenklebekommando“ wurde scherzhaft von ihnen auch „Domkapitel“ genannt. Die Priester beteten bei der Arbeit Rosenkranz, mit großer Vorsicht. Aber auch Diskussionen muss es dort gegeben haben, P. Lenz berichtet vom „Domkapitel“ auch als einer „streitenden Kirche“.
Ein Heiliger
Unter diesen Bedingungen, unter Entbehrungen, Hunger und Gefahr, blieb der Bischof immer ruhig und voller Gottvertrauen. Staunend lesen wir die Berichte der überlebenden Mitgefangenen, die auch hier einen demütigen und gütigen Mann zeigen.
„Bischof Kozal ist ein Heiliger!“19 sagten die anderen Priester über ihn und erzählen uns Beeindruckendes:
Seine Demut und Solidarität mit den anderen Gefangenen ließ ihn angebotene Privilegien ablehnen „Freundlich dankend lehnte er ab: „Ich will keine Sonderstellung! Ich bin hier eine Nummer wie jeder andere, und ich will mein Kreuz ehrlich mit den anderen tragen!““20
„Er wurde von uns allen hochgeschätzt und geachtet wegen seiner hohen Intelligenz und Bildung, seines unerschütterlichen Idealismus, seines bescheidenen Wesens und seiner tiefen Frömmigkeit.“ Soweit das Urteil eines Priesterkameraden aus Dachau.21
Der spätere Bischof Jeż erinnert sich: „Er machte auf mich einen großen Eindruck wegen seines Ernstes und der Majestät, die seine Gestalt ausstrahlte… Er zeichnete sich aus durch sein ruhiges Wesen, seine Ausgeglichenheit und durch sein heiteres Gemüt, das sich trotz der unwürdigen Umstände, in denen er leben musste, erhielt. “22 .
Seine Charakter, seine priesterliche Haltung gaben den anderen durch ihr Vorbild Beispiel und Kraft. Bischof Majdanski sprach über ihn als jemandem, : „… der unser Leid durch seine beispielhafte priesterliche Haltung erträglicher machte.“23
Andere Mitgefangene berichteten über ihn: „Bischof Kozal wurde wegen seiner ruhigen Würde, seiner Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft von allen Häftlingen geachtet.“24 „Von seiner sehr großen Menschlichkeit wird berichtet, er versuchte Mithäftlinge zu trösten, für sie da zu sein. Er verschenkte sogar von seiner wenigen Nahrung an andere. Das führte zu weiterer Entkräftung vor Hunger.25
Soweit möglich bemühte er sich um tätige Nächstenliebe bis zur Selbstaufgabe. Aber auch Seelsorger der Mitgefangenen suchte er zu sein, soweit es in dieser Zeit möglich war. Besonders der Segen war ihm geblieben und ihn spendete er oft:
„Es war der hochwürdigste Weihbischof Kozal, der durch seinen feinen Charakter uns allen ein leuchtendes Vorbild war. Jeden Abend beim Zählappell segnete er alle: uns, seine Mithäftlinge, wie auch die Feinde.“26 Das berichtet uns Caritasdirektor Carls aus Wuppertal.
Jeden Morgen feierte Bischof Kozal die heilige Messe in der Kapelle des Priesterblocks mit, wie die anderen Priestern. Selber zelebrieren durfte er nicht. Nur einem Priester, dem polnischen Pfarrer Pawel Prabucki, war das zu dieser Zeit von der Lagerleitung gestattet. Diese Messe bedeutete den gefangenen Priestern sehr viel. Sie schöpften bei Gott Kraft für den schweren Tag, der immer auch das Lebensopfer bringen konnte. Am Ende der Messe segnete der Bischof die Priester einzeln. P. Lenz erinnert sich: „Am 26. April 1941 morgens nach der heiligen Messe sah ich ihn zum ersten mal. Das Weinen stand mir nahe vor Ergriffenheit. Im Häftlingskleid, mit kahlgeschorenem Kopf, uns allen gleich, so stand er vorne am Sakristeitisch und teilte einzeln den bischöflichen Segen aus. –Es drängten sich die Priester zu ihm. Auch ich kam, die bischöfliche Hand des Märtyrers zu küssen, den bischöflichen Segen zu erbitten.- Ein denkwürdiges Erlebnis und so unvergesslich, als wäre es erst gestern geschehen.“27
Andere erinnern sich an den Abendsegen: Vor dem Einschlafen, abends im Schlafsaal, segnet Bischof Kozal nochmal jeden Abend alle Priester mit seinem bischöflichen Segen.
Ein besonderer Tag war für Bischof Kozal der zweiten Jahrestag seiner Bischofsweihe am 13.08.1941. Dieses Fest feierte er im KZ Dachau zusammen mit den anderen Priestern, in Armut. An diesem Tag bekam er eine besondere Erlaubnis selber die heilige Messe zu zelebrieren, seine einzige Messe im KZ Dachau. Die Mitbrüder bastelten für dieses Fest sogar eine Monstranz.
Sein Sterben
Körperlich nahmen die Kräfte während des Aufenthalts im KZ Dachau stetig ab. Hunger und die Folgen der Gewalt hatten ihre Wirkung getan. Aber innerlich war er gereift bis zur Heiligkeit. „Die Gestapo hatte ihr Ziel voll erreicht, aber auch Gott, der Herr.“28 resümiert P. Lenz.
Bischof Kozal vertraute dem Mitgefangenen an: „Ich habe das bestimmte Empfinden, dass ich nicht lebendig aus Dachau herauskomme. Es ist mir, als ob Gott, der Herr, das Opfer meines Lebens verlange für die Kirche in Polen“29 Wir erinnern uns: in Lad hatte Bischof Kozal Gott sein Leben angeboten. Diese Haltung gab ihm innere Freiheit, Gnade und einen großen Frieden, sodass er die Monate der Gefangenschaft im KZ durchleben konnte. Er sah sein Ende kommen. Als die Nachricht der Niederlage der deutschen Truppen in Stalingrad bei den Häftlingen angekommen war, sagte er zu polnischen Priestern: „Bald bricht die Freiheit an und ihr werdet mich nicht mehr brauchen.“
Ab Dezember 1942 brach unter den Gefangenen der KZ Dachau eine Bauchtyphus Epidemie aus. Bischof Kozal wurde am 25.01.1943 mit hohem Fieber, zusammen mit seinem Cousin P. Czeslaw Kozal, ins Kranken-Revier gebracht. Verdacht auf Typhus. Er war allerdings nicht an Typhus erkrankt, sondern an einer schmerzhaften Mittelohrentzündung, wie sich herausstellte. Am nächsten Tag bemerkte ein Arzt den Bischof unter den neuen Patienten. Daraufhin gab ihm Kapo des Reviers, der Chef der zur Pflege abgestellter Mitgefangenen, eine tödliche Giftspritze. Nach einigen Minuten war Bischof Kozal daran gestorben. Sein Cousin Czeslaw Kozal lag im Bett über dem Bischof. Er konnte später bezeugen, was er gesehen und gehört hatte: Der Pfleger gab Bischof Kozal eine Giftspritze mit den Worten: „In Ewigkeit!“ Eine andere Quelle überliefert einen hämischen Satz der Ärzte: „Jetzt wird ihm der Weg in die Ewigkeit gleich leichter fallen.“30
So starb Bischof Michael Kozal am 26.01.1943 im Konzentrationslager Dachau. Am 30.01.1943 wurde sein Leichnam im dortigen Krematorium verbrannt. Die Asche wurde in einen der angrenzenden Flüsse gestreut, um jede Verehrung eines Märtyrergrabes von vornherein unmöglich zu machen.
Vereint war er in diesem Schicksal des Martyriums mit den 220 anderen Priester aus seiner Diözese Wloclawek, die ebenfalls im KZ Dachau starben.
Seligsprechung
Schon im April 1946 wurde für Bischof Kozal das Seligsprechungsverfahren eröffnet.
Er wurde am 14.06.1987 in Warschau von Papst Johannes Paul II feierlich seliggesprochen.
Monika Neudert
Bitten wir ihn um seine Fürsprache: Seliger Bischof Michael Kozal, bitte für uns!
Links:
- Blessed Michal Kozal, englisch
- Artikel auf der Homepage des internationalen Karl-Leisner-Kreises
13 F. Korszinski
24 SCHNABEL, Reimund, die Frommen in der Hölle, Frankfurt am Main, 1966, Röderberg-Verlag, S. 98