Adventgedicht von P. Gregor Schwake

Der Benediktinerpater Gregor Schwake dichtete und komponierte während seiner Haft im Block 26 (einer der Priesterblöcke im KZ Dachau). Ein Adventgedicht ist uns von ihm überliefert, das auch jetzt wieder aktuell erscheint und uns Antwort auf unsere drängenden Fragen geben kann.

Advent

Herrgott, mit all unsern Nerven
wir schreien in diesem Advent:
Zerschlage die Mauern und Drähte,
der Fesselung mache ein End',
den Tag der Freiheit uns send'!
Wann hörst Du unsre Gebete?

Kind Gottes, ist das alles?
Warum verlangst du nicht mehr?
Die eine Fessel wird fallen … !
Doch bleibt alles irdische Wallen
Gefangenschaft, ernst uns schwer.
Drum sehn' dich nach göttlicher Freiheit,
wie die Sterne so weit und so rein;
in der einen göttlichen Dreiheit,
dort soll deine Freiheit sein!

Herrgott, es schrei'n Millionen
aus Kriegsnot in diesem Advent
aus Bergen von Leichen und Trümmern
sie heben die blutigen Händ':
Den Frieden, den Frieden uns spend'!
Wann hörst du das Stöhnen und Wimmern?

Kind Gottes, ist das alles?
Warum verlangst du nicht mehr?
Bald enden des Weltkriegs Schlachten!
Doch bleibt alles irdische Trachten
ein Kampf – ohne Kugel und Speer.
Drum sehn' dich nach göttlichem Frieden
nach Frieden, dereinst und hienieden,
wie es klang in der Heiligen Nacht.

Herrgott, so ferne der Heimat,
wir denken in diesem Advent
an der Heimat traute Gefilde
wo der Bruder, die Schwester uns kennt
Zur Heimat entlasse uns milde!

Kind Gottes, ist das alles?
Warum verlangst du nicht mehr?
Dein Heimathaus stürzte in Scherben,
auf Erden kannst wenig du erben,
die Kisten und Kasten sind leer.
Doch baut ich aus Edelgesteinen
die Stadt des Himmels auf.
Mit all deinem Sehnen und Meinen
nimm dorthin den heldischen Lauf!

Herrgott, noch ein kindliches Sehnen
uns plagt in diesem Advent.
Wir möchten an schneeweißen Tischen
wo Blume an Blume ständ',
wo Speisen in Hülle man fänd'
uns laben an Wildbret und Fischen!

Kind Gottes, ist das alles?
Warum verlangst du nicht mehr?
Nahm nicht im Abendmahlssaale
dein Herr die funkelnde Schale
zur letzten irdischen Zahr,
bis daß wir zusammen uns setzten,
wo einzig der Hunger gestillt,
am Weihnachtstisch ewig uns letzten.
Dort wird dein Adventwunsch erfüllt.

(10. Dezember 1944)

Quelle: Albert, Marcel, Hrsg., Gregor Schwake, Mönch hinter Stacheldraht, Erinnerung an das KZ Dachau, S. 131f