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Foto: Carl Lampert als Provikar
Bildnachweis: Archiv der Diözese Feldkirch
Gedenken an 80. Todestag von Carl Lampert
Predigt von Bischof Hermann Glettler (Text siehe untern) oder Zusammenfassung bei Vatican news Link
Einweihung Dr. Carl-Lampert-Platz vor der Pfarre Mariahilf in Innsbruck
Am 13. November 1944 wurde Carl Lampert in Halle nach langer Haft und Folter zusammen mit zwei weiteren Geistlichen hingerichtet. Als Provikar der Apostolischen Administratur Innsbruck-Feldkirch (heute Diözese Innsbruck) war er der ranghöchste katholische Geistliche in Österreich, der von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde.
Bischof Glettler: Verpflichtung zu Gedenken an die Opfer der NS-Zeit
Systematisch und brutal wurde der kirchliche Widerstand von den Nationalsozialisten niedergeschlagen. Standen doch christliche Werte und Glaubenskraft im fundamentalen Gegensatz zur perversen NS-Ideologie. „Wir sind dazu verpflichtet, all jener Menschen zu gedenken, die sich der grausamen Tyrannei entgegenstellten, auch dann, als sie selbst zu Opfern wurden“, erklärt Bischof Hermann Glettler. „Ihr Glaube und ihre Widerstandskraft richten uns bis heute auf. Sie sind Zeugen der Hoffnung.“ Die Diözese gedenkt ihrer Märtyrer dieser Zeit gesammelt im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Zeugnisse der Hoffnung”.
Lampert-Gedenken in der Pfarre Mariahilf Innsbruck
Einen Lampert-Schwerpunkt setzt die Landschaftliche Pfarre Mariahilf mit der bis 29. November laufenden Ausstellung „Carl Lampert – Leben und Zeugnis“. Dem folgt am Mittwoch, 13. November um 19:30 Uhr, ein Vortrag von Gisela Hormayr unter dem Titel „Die Verfolgung der Katholischen Kirche Tirols in der NS-Zeit“. Den Abschluss bildet am Sonntag, 17. November um 10:30 Uhr, der feierliche Carl-Lampert-Gedenkgottesdienst mit Michael Max, Rektor der Anima in Rom.
Im Anschluss an den Gottesdienst wird der Platz vor der Landschaftlichen Pfarrkirche Mariahilf offiziell als „Dr.-Carl-Lampert-Platz“ eingeweiht.
Vor seiner Bestellung zum Provikar des Tiroler Anteils der Apostolischen Administratur Innsbruck-Feldkirch lebte und wirkte Lampert einige Jahre im Benefiziatenhaus der Pfarre Mariahilf.
Die Pfarre Mariahilf feiert seit 2013 auf Anregung des damaligen Bischofs Manfred Scheuer jedes Jahr im November einen Gottesdienst zur Erinnerung an den Märtyrer.
Das Leben Lamperts
Der 1894 in Göfis in Vorarlberg geborene Carl Lampert wurde nach einer Zeit als Kaplan in Dornbirn-Markt 1930 nach Rom zum Kirchenrechtsstudium geschickt. 1935 berief ihn Bischof Sigismund Waitz nach Innsbruck, wo er mit dem Aufbau des kirchlichen Gerichts in der noch jungen, seit 1921 bestehenden Apostolischen Administratur Innsbruck-Feldkirch, beauftragt wurde. Anfang 1939 wurde Lampert zum Provikar und somit Stellvertreter des Administrators ernannt.
Der Provikar setzte sich mutig gegen kirchenfeindliche Handlungen von NS-Gauleiter Franz Hofer zur Wehr. Nach seinem Eintreten für den ermordeten Pfarrer Otto Neururer begann für Lampert 1940 ein Leidensweg durch die Konzentrationslager Dachau und Sachsenhausen. 1941 wurde er - inzwischen in Stettin - von einem Gestapo-Spitzel denunziert und am 13. November 1944 in Halle nach langer Haft und Folter zusammen mit zwei weiteren Geistlichen hingerichtet.
Am 13. November 2011 wurde Lampert von Kurienkardinal Angelo Amato in Dornbirn vor 1.800 Mitfeiernden seliggesprochen.
Gedenken auch in Heimat Vorarlberg
Carl Lampert steht auch in der Diözese Feldkirch im Mittelpunkt von Veranstaltungen bis zum 1. Februar. Höhepunkt ist die Segnung der neu gestalteten Gedenkstätte in der Pfarrkirche Göfis. Sie erfolgt am 80. Todestag, dem 13. November, im Anschluss an eine vom Feldkircher Bischof Benno Elbs geleitete Gedenkmesse. Das Thema der heurigen "Carl Lampert Wochen" lautet "Unbotmäßigkeit".
Das umfangreiche Programm lade dazu ein, tiefgehend über die Bedeutung von Unbotmäßigkeit in unserer heutigen Welt nachzudenken und sich mit Mut, Haltung und Menschlichkeit auseinanderzusetzen, heißt es in der Ankündigung des "Vorarlberger KirchenBlatts".
Detailliertere Informationen über den Seligen Carl Lampert und über das Programm in Vorarlberg können Sie unter www.carl-lampert.at finden.
Zahlreiche „Zeugnisse der Hoffnung“ in der Diözese Innsbruck
Den Auftakt machten am Sonntag, 10. November, ein Gedenkgottesdienst und ein Konzert mit Lesungen im Innsbrucker Dom zu St. Jakob sowie ein Gedenkgottesdienst im Kloster zur Ewigen Anbetung.
Unter dem Titel „Widerstand und Verfolgung im katholischen Milieu in der NS-Zeit“ findet am Montag, dem 11. November, um 19 Uhr, eine Podiumsdiskussion im Madonnensaal der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck statt. Gäste sind der Publizist Martin Kolozs, Rudolf Leo vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands und Verena Lorber von der Katholischen Privat-Universität Linz.
Eine Ringvorlesung der Universität Innsbruck im Wintersemester beschäftigt sich mit dem Widerstand und der Verfolgung junger Menschen in totalitären Systemen, jeweils Dienstag, 18:30-20 Uhr, Theologische Fakultät, Universität Innsbruck. Nähere Informationen: www.uibk.ac.at/de/projects/leokadia-justman/aktuelles/ringvorlesung/
Liebe inmitten abgründiger Bosheit
Predigt von Bischof Hermann Glettler beim Gedenkgottesdienst anlässlich des 80. Todestages von Carl Lampert und anderer Personen, die im Jahr 1944 hingerichtet wurden. Innsbruck, 10. Nov. 2024. Lesung: 1 Kön 17,10-16; Evangelium: Mk 12,38-44
Einleitung: Heute gedenken wir einiger herausragender Personen, die aufgrund ihrer Glaubensüberzeugung und ihres regimekritischen Auftretens im Jahr 1944, also vor 80 Jahren, dem Vernichtungswahn der Nazidiktatur zum Opfer fielen. Sie waren Teil des katholischen Widerstands in Tirol. Inmitten einer erschütternd großen Menge von Mitläufern und Mittätern war ihr Widerstand von größter Bedeutung – bis heute! Ihrer dankbar zu gedenken, nimmt uns jedoch in die Pflicht. Es wäre gefährlich, wenn wir uns teilweise frustriert, etwas fatalistisch oder gleichgültig in eine Zuseher-Position zurückziehen würden – weil scheinbar ja ohnehin alles läuft, wie es eben läuft. Der Prophet Elija hat die Witwe von Sarepta mit einer überfordernden Bitte zu einer neuen Lebenskraft „aufgeweckt“. Die Lebenszeugnisse, von denen ich stellvertretend nur drei vorstellen kann, sind nicht weniger provokant. Lassen wir uns von ihnen aufwecken zu einem geistvollen, mutigen Glauben!
- In unheilvoller Zeit ist Heil möglich
„Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Diese bekannte Aussage von Theodor W. Adorno ist ernüchternd klar. In einem System der Lüge wird alles falsch. Korruption korrumpiert. In einem inhumanen System verschwindet alles Menschliche. Oder doch nicht? Kann es trotz allem lichtvolle Momente geben, in denen Richtiges im Falschen aufleuchtet? Heiles im Unheilen? Vor allem durch Menschen, die „anders“ gelebt haben – unerwartet anders in einer Zeit größter Bedrängnisse? Dankbar gedenken wir dieser Lichtgestalten, die der ideologischen Verdunkelung trotzten und sich auch nicht durch Verleumdung und Folter einschüchtern ließen. Wir sind dankbar für die Vielfalt dieser Glaubens- und Lebenszeugnisse, die uns vermitteln, dass in unheilvoller Zeit Heil möglich ist.
Als erstes Beispiel nenne ich Sr. Angela Autsch, die Trinitarier-Schwester aus dem Kloster in Mötz, die viereinhalb Jahre im KZ verbrachte, zuerst in Ravensbrück, dann in Ausschwitz, wo sie am 23. Dez. 1944 durch einen Herzinfarkt ums Leben kam. In der Hölle der beiden Vernichtungsanstalten war sie ein Lichtblick für unzählige Mitgefangene. Nicht umsonst wurde sie als „Engel von Ausschwitz“ bezeichnet. Als aufopfernd tätige Krankenpflegerin ließ sie keine Gelegenheit aus, um den geschundenen Frauen liebevoll Gutes zu tun – vieles davon war strengstens verboten. Vor allem aber war sie ganz nahe bei den Leidenden eine Seelsorgerin von Herz zu Herz. Sie hat inmitten der verordneten Rohheit Trost vermittelt. Inmitten der Perversion sich ein mitfühlendes Herz bewahrt.
- Großes geschieht im Verborgenen
Das Evangelium des heutigen Sonntags spricht von einer verborgenen Heiligkeit. Auch wenn es nur zwei kleine Münzen waren, die die arme Witwe in den Opferkasten warf, hat sie damit doch ihren letzten Lebensunterhalt Gott anvertraut – und schlichtweg ihre Zukunft aufs Spiel gesetzt. Welch ein Kontrast zu den Reichen, die aus ihrem Überfluss heraus gaben. Man könnte sagen: Die in prekären Verhältnissen lebende Witwe hat sich selbst in die Waagschale geworfen. Und wer hat das Opfer der Witwe gesehen? Niemand außer Jesus. „Er sah zu“, wie die Leute ihre Gaben entrichteten. Auch unser Leben steht unter seinem Blick, der nicht an der geschönten Oberfläche hängen bleibt. Jesus sieht die Taten, aber ebenso die tatsächlichen Beweggründe des Herzens. Jesus sieht das Verborgene.
Als ein Beispiel, wie Menschen die unzähligen Nächte der Verzweiflung durchstehen konnten, nenne ich Br. Gereon Außerlechner OPraem. Der Laienbruder musste nach der Aufhebung des Stiftes Wilten im Jahr 1939 in sein Osttiroler Heimatdorf Kartitsch zurückkehren, wo er wegen seiner Kriegsdienst-verweigerung als „arbeitsscheuer Betbruder“ verspottet wurde. Einige Jahre bei Verwandten versteckt, wurde er dennoch 1943 von der Gestapo verhaftet und ins KZ Dachau überführt. Dort ver-starb er am 13. Juni 1944 an den Folgen schwerer Misshandlungen. Von Br. Gereon sind keine großen Reden überliefert – wohl aber das stille Zeugnis eines betenden Menschen. „Mit einfacher Seele“ hielt er sich an Gott fest und konnte dadurch gestärkt seiner pazifistischen Überzeugung treu bleiben.
- Täglich neu den Mut und die Liebe wählen
Wir leben in einer Zeit, wo man den Eindruck hat, dass die Dynamiken negativer Entwicklungen enorm zunehmen. Ich erwähne beispielhaft nur die beschämende Eskalation der antisemitischen Gewalt in Amsterdam anlässlich eines internationalen Fußballspiels und die Brutalisierung der Sprache mit allen Facetten von Enthemmung, wie wir dies im US-Wahlkampf miterleben mussten. Und wir? Schnell gerät man in eine Dynamik von Wut und Hass, die letztlich allen Beteiligten Schaden zufügt, das Zusammenleben belastet und Menschen entfremdet. Wir können nicht gedenken ohne die Bereitschaft, selbst umzukehren. Jedes Gedenken an die Gräueltaten der NS-Zeit fordert uns heraus, täglich neu den Mut, die Wahrheit und die Liebe zu wählen. Diese Wahl ist entscheidend!
Als dritte Lichtfigur nenne ich Carl Lampert, der 1939 von Bischof Paulus Rusch als Provikar eingesetzt wurde. Er war für die Nazis der „gefährlichste Mann des Klerus“ und damit das prominenteste katholische Angriffsziel von Gauleiter Hofer. Was Carl Lampert, der vielfach gefoltert und am 13. Nov. 1944 in Halle an der Saale enthauptet wurde, auszeichnet, ist sein wachsender Mut. Immer entschlossener verteidigte der als „Sau-Pfaffe“ verspottete Provikar die bedrängten Ordensleute und Priester. In diese seine schwere Berufung ist er hineingewachsen. Sein Mut stellt uns vor die Frage, ob unser Glaube mehr ist als ein Dekor für ein bürgerliches Leben. Der 2011 seliggesprochene Carl Lampert ist uns Ansporn, Mutig Partei zu ergreifen, wenn Menschen in ihrer Würde verletzt werden.
Abschluss: Die zeitlich knappen Schilderungen der drei Lebenszeugnisse sind nicht mehr als ein Anteasern des Interesses für die Fülle der Zeugen, die uns umgibt. Es sind vollkommen unterschiedliche Charaktere und Persönlichkeiten. Was sie jedoch vereint, war ihre Liebe zu Christus und zur Kirche. Die Botschaft der Seligpreisungen Jesu und seine Anwesenheit in den Gedemütigten aller Zeiten haben sie inspiriert, getröstet und immer wieder aufgerichtet. Dankbar begehen wir die Gedenktage ihrer Hinrichtung, die sich heuer zum 80. Mal jähren. Ihre Aufrichtigkeit und Liebe inmitten größter Bosheit sind uns Orientierung und Halt – denn heute steht die Praxis unseres Glaubens am Prüfstand. Ganz bestimmt können wir mit ihrer himmlische Fürbitte rechnen.