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Im Vorfeld der Seligsprechung des Pallottiner-Paters Richard Henkes am 15. September in Limburg wächst die Hoffnung darauf, dass auch ein anderer Vorkämpfer der deutsch-tschechischen Versöhnung, Kardinal Josef Beran, bald zur Ehre der Altäre erhoben wird. Beran und Henkes waren bis 1945 beide im KZ Dachau interniert, wo der Pallottinerpater bei der Pflege typhuskranker tschechischer Häftlinge kurz vor Kriegsende sein Leben geopfert hatte. Beran überlebte, war aber auch in der Tschechoslowakei wieder staatlicher Verfolgung ausgesetzt und viele Jahre lang in Haft. Jaroslav Šebek hatte im Zuge des seit 20 Jahren laufenden Seligsprechungsverfahrens für den Kardinal historische Dokumente ausgewertet. Nach der Überführung der sterblichen Überreste des 1969 verstorbenen einstigen Prager Erzbischofs in seine Heimat im vergangenen Jahr sagte Šebek, die Seligsprechung könne möglicherweise schon 2020 geschehen. Die Unterlagen der diözesanen Phase des Verfahrens sind mittlerweile nach Rom übersandt worden. Voraussetzung für eine schnelle Seligsprechung wäre es, dass Berans Tod durch die Folgen langer Haft unter dem kommunistischen Regime in der Tschechoslowakei als Martyrium bestätigt wird. Dann wäre die Anerkennung eines Wunders nicht nötig. Die Tschechische Bischofskonferenz hatte den Wunsch nach Seligsprechung beider ehemaliger Häftlinge des KZ Dachau schon im Jahr 2000 geäußert.
Kardinal Josef Beran, der ehemalige Erzbischof von Prag, könnte schon 2020 seliggesprochen werden. Das hält Jaroslav Šebek für möglich. Er hatte im Zuge des seit 20 Jahren laufenden Seligsprechungsverfahrens historische Dokumente ausgewertet. Wie der Pallottiner-Pater Richard Henkes, der am 15. September in Limburg zur Ehre der Altäre erhoben wird, war Beran im nationalsozialistischen Konzentrationslager Dachau eingekerkert. Wie Henkes setzte sich der tschechische Priester schon dort für die Verständigung zwischen den Menschen beider Nationen ein. Richard Henkes starb in Dachau. Josef Beran wurde durch seine Leidenszeit in der Nachkriegstschechoslowakei auch zum Symbol des christlichen Widerstandes gegen den Kommunismus. Die Tschechische Bischofskonferenz hatte den Wunsch nach Seligsprechung beider Opfer totalitärer Gewalt schon im Jahr 2000 mit diesen Worten geäußert: „Die Erhöhung von P. Henkes zur Ehre der Altäre kann also auch beim tschechischen Volk zur Besserung des Bildes der Deutschen im Zweiten Weltkrieg und in Folge dessen auch zur Versöhnung der beiden Nationen beitragen. Er kann also Schutzpatron dieser Versöhnung werden“.
Josef Beran, wurde am 29. Dezember 1888 in Pilsen geboren. Das heutige Tschechien gehörte damals zum Kaiserreich Österreich innerhalb der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie. Josef war das älteste von sieben Kindern des Lehrers Josef Beran und seiner Ehefrau Maria und wurde am 9. Januar 1889 in der Pilsner St.-Bartholomäus-Kathedrale getauft .Die Erste Heilige Kommunion empfing er am 21. Mai 1898 und die Firmung am 13. Oktober 1902. In der Familie, die in bescheidenen Verhältnissen lebte, wuchs der Junge ihm Glauben an Gott auf und entwickelte eine Liebe zu Literatur, Heimat, Natur und Musik. Nach Abschluss einer fünfjährigen Grundschule in Pilsen absolvierte Josef Beran acht Klassen des dortigen klassischen Gymnasiums. Er dachte noch nicht daran, Priester zu werden. Anfangs interessierte er sich für eine Militärkarriere. Später wollte er Menschen helfen, indem er Arzt wurde. Sein Religionslehrer, der auch an der Karlsuniversität lehrte, lenkte den Schüler in eine andere Richtung. Er riet ihm, in Rom zu studieren, da er alle Charaktereigenschaften und intellektuellen Voraussetzungen für das Priestertum mitbringe. Wie Josef sich später erinnerte war fortan „Gottes Stimme oft in meiner Seele zu hören, gehört, und diese Stimme wurde häufiger während meines Studiums am Gymnasium.“
Nach Erlangung der Hochschulreife studierte Josef Beran an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom Katholische Theologie und Philosophie. Bereits im vierten Studienjahr wurde er am 10. Juni 1911 in der Basilika San Giovanni in Laterano zum Priester geweiht. Seine Primizmesse feierte er einen Tag später in der Kirche des Päpstlichen Collegiums Nepomucenum in Rom. Er schloss sein fünfjähriges Studium mit einer Promotion in Theologie am 26. Juni 1912 ab. Nach der Rückkehr in seine Heimat hielt er am 5. Juli 1912 die erste Messe in der Kathedrale St. Bartholomäus in Pilsen. Ab 1917 unterrichtete Josef Beran Religionspädagogik am Lehrinstitut der Kongregation der Schulschwestern der hl. Anna in Prag.
Sein erster Einsatzort als Kaplan war Chyše u Žlutice, gefolgt von Prosek und Prag, wo er im Januar 1914 zweiter Kaplan und Katechet an der Grundschule in Vysočany wurde. Später war er zunächst als Lehrer tätig, dann als Seelsorger an einem Institut für Gehörlose in Krč und schließlich von 1917 bis 1928 als Direktor am Frauenlehrinstitut St. Anna. Ab 1928 lehrte er Pastoraltheologie an der Theologischen Fakultät der Karlsuniversität Prag und wurde 1932 Professor für Theologie. Ab 1932 war er auch Rektor des Prager Erzbischofsseminars. Ab 1929 lehrte er Pastoraltheologie am dortigen erzbischöflichen Priesterseminar, dessen Regens 1932 wurde. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und der Proklamation des Reichsprotektorats Böhmen und Mähren am 16. März 1939 war die tschechische theologische Fakultät nur noch sieben Monate in Betrieb.
Nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich vom 27. Mai 1941, an dessen Folgen der „Henker von Prag“ acht Tage später starb, wurde Josef Beran am 6. Juni 1942 von den Nationalsozialisten als Geisel zunächst im Prager Gefängnis Pankrá inhaftert und am 1. Juli 1942 in das KZ Theresienstadt verlegt, wo Zwangsarbeit, Hunger, erbärmliche Hygiene, überfüllte Zellen, Krankheiten und Misshandlungen Alltag waren. Im Baukommando musste Josef Beran mit einem schweren Hammer Kies zerkleinern. Theresienstadt war nur eine Übergabestation für ihn. Am 31. August 1942 wurde er in Richtung Dachau deportiert, wo bei der Ankunft am 4. September die Lagernummer 35844 erhielt. Der im KZ mitgefangene Priester František Štverák erinnerte sich später: „Obwohl es ihm überhaupt nicht gut ging, teilte er mit seinen Mitgefangenen die Lebensmittelpakete, die er bekam. Niemand hat jemals gehört, wie er sich beschwerte, weinte oder verzweifelt war“. Im Januar 1943 brach im Lager eine Typhusepidemie aus. Auch Josef Beran wurde infiziert und wog zeitweise nur noch 49 Kilogramm.
Zwischen Beran und Richard Henkes entwickelte sich ein enger Kontakt. Der Pallottinerpater schaffte es, trotz strengen Verbots im Konzentrationslager seelsorgerisch tätig zu sein und sogar Sakramente zu spenden. Er kümmerte sich vor allem auch um tschechische Häftlinge. Auch im Lager war das wegen Spannungen unter den Angehörigen beider Nationen nicht immer einfach. Durch seine Zeit als Pfarrverwalter in Strandorf im schlesisch-tschechischen Grenzland, dem heutigen polnischen Strahovice, hatte Henkes Kontakt zu Tschechen gehabt. Der Pallottinerpater hatte schon 1939 den Einmarsch der Wehrmacht in der Tchechoslowakei kritisiert. Nach dem Krieg wollte er in der Region weiter tätig sein und hatte sich deshalb das Ziel gesetzt, die tschechische Sprache zu lernen. Deshalb hatte er 1944 in Block 17 den Dienst als Kantinenwirt angenommen. Dort würde er mehr Zeit für das Erlernen der tschechischen Sprache haben. Block 17 war nämlich die Baracke, in der hunderte neu ankommende Häftlinge , die aus Tschechien stammten, damals in Dachau aufgenommen wurden. Es gibt Hinweise darauf, dass es niemand anders als Beran war, der Richard Henkes half, seine Sprachkenntnisse zu vertiefen.Josef Beran verbrachte fast drei Jahre in Dachau, bevor das Lager am 29. April 1945 von den Amerikanern befreit wurde. Am 21. Mai 1945 konnte er wieder in seine Heimat zurückkehren. Im KZ Prager Priesterseminar wurde er wiederum als Regens eingesetzt.
Kardinal Karel Kašpar, der seit 1931 Erzbischof von Prag gewesen war, war am 21. April 1941 gestorben. In der deutschen Besatzungszeit musste der Erzbischofsstuhl vakant bleiben. Am 4. November 1946 ernannte Papst Pius XII. Josef Beran zum Erzbischof von Prag. In diesem Amt trat er für eine Rückkehr zu christlichen Werten, Versöhnung, Zusammenarbeit und Solidarität ein. Er wurde die moralische Autorität des Landes. Die Bischofsweihe spendete ihm der damalige Apostolische Nuntius in der Tschechoslowakei, Erzbischof Saverio Ritter, am 8. Dezember 1946. Nach dem Sturz der bürgerlichen Demokratie im Februar 1948 und der Machtübernahme der Kommunisten in der Tschechoslowakei bekämpfte das neue Regime vor allem die Katholische Kirche. Katholische Publikationen wurden verboten, katholische Verlage beschlagnahmt, katholische Schulen geschlossen. Der Vatikan wurde zum Feind erklärt und der apostolische Nuntius aus Prag ausgewiesen. Erzbischof Beran kritisierte die antikirchlichen Maßnahmen und den Plan der Regierung, mit der so genannten Katholischen Aktion eine von Rom getrennte Nationalkirche zu schaffen. Beran veröffentlichte einen Hirtenbrief, in dem er sich weigerte, die Kirche dem kommunistischen Regime zu unterwerfen. Am 19. Juni 1949, dem Sonntag nach Fronleichnam, wurde er verhaftet. Er stand zunächst im Erzbischöflichen Palais unter Hausarrest. Von 1950 bis 1963 lebte er unter Arrest an immer wieder wechselnden, geheim gehaltenen Orten. Er selbst wusste nie, wo er sich befand – auch die Gläubigen nicht. Beran durfte nicht einmal kommunistische Presse lesen. Auch nach der offiziellen Freilassung 1963 durfte war ihm die Rückkehr nach Prag untersagt. Er stand weiter unter Beobachtung der staatlichen Sicherheitsbehörden.
Nachdem Josef Beran 1965 von Papst Paul VI. Zum Kardinalpriester mit der Titelkirche Santa Croce in Via Flamina in das Kardinalskollegium berufen wurde, gelang es der vatikanischen Diplomatie, die Ausreise nach Rom zu erreichen, die Beran schweren Herzens akzeptierte, um die Situation der Kirche in Tschechien nicht noch mehr zu belasten, Die tschechoslowakische Regierung verwies ihn des Lands. Eine Rückkehr war nicht mehr möglich. In Rom nahm Kardinal Beran an der letzten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils teil. Dort hielt er eine viel beachtete Rede über die Gewissens- und Religionsfreiheit aller Bekenntnisse. Er gründete außerdem das „Tschechische Religiöse Zentrum Velehrad“. Aus Sorge um die ihm anvertrauten Gläubigen hatte Beran dem Papst mehrfach seinen Rücktritt angeboten, den dieser jedoch stets ablehnte. 1965 ernannte Paul VI. stattdessen den 1949 geheim zum Bischof geweihten František Tomášek zum Administrator des Erzbistums Prag. Auch in der Zeit des Prager Frühlings erfüllte sich Berans Hoffnung auf eine Rückkehr nach Prag nicht.
Dem Kardinal blieben im römischen Exil nur noch vier Jahre. Er nutzte sie für zahlreiche Reisen zu im Exil lebenden Tschechen. Sie führten ihn auch nach Kanada und in die USA. Darüber erschien dann ein Buch mit dem Titel „Durch die Neue Welt“, In den USA suchten auch zahlreiche Landsleute den Kontakt zu ihm, denen der katholische Glaube ansonsten nichts bedeutete. Als Josef Beran die US-Hauptstadt Washington besuchte, kamen Vertreter aller Strömungen im tschechischen Exil zusammen. Unter ihnen waren genauso Sozialdemokraten wie etwa Mitglieder der Agrarpartei. Sie alle wollten den Prager Erzbischof, den Helden des antikommunistischen Widerstands, sehen.
Am 17. Mai 1969, zwei Tage nach Christi Himmelfahrt, starb Josef Beran in Rom. Die kommunistische Regierung der Tschechoslowakei gestattete die Überführung seines Leichnams in die Heimat nicht. Papst Paul VI. erwies ihm eine außergewöhnliche Ehre, die sonst nur Päpsten zukommt: Josef Beran wurde in einer Krypta des Petersdoms bestattet. Er selbst hatte in seinem Testament bekundet, in seiner Geburtsstadt Pilsen oder in Prag beigesetzt werden zu wollen. Im April 2018 wurden seine sterblichen Überreste schließlich nach Prag überführt und dort am 23. April im Veitsdom beigesetzt.
In der Diözesanphase des Seligsprechungsverfahrens wurden rund 60 Zeugen gehört. Dass diese Phase 20 Jahre dauerte, lag unter anderem am Tod des ursprünglichen Postulators, an gesundheitlichen Problemen des Bischofsdelegaten, die dessen Ablösung nötig machten und an einer Änderung der Verfahrensregeln. Der weitere zeitliche Verlauf des Prozesses hängt jetzt von der Entscheidung darüber ab, ob Kardinal Berans Tod nach jahrelanger Verfolgung als Martyrium anerkannt wird. In diesem Fall wäre kein Wunder zum Abschluss des Verfahrens nötig.
Klemens Hogen-Ostlender
Quellen:
https://www.radio.cz/de/rubrik/geschichte/symbol-des-widerstands-kardinal-josef-beran
http://kardinaljosefberan.cz/kanonizacni-proces/
http://kardinaljosefberan.cz/kanonizacni-proces/
https://www.cirkev.cz/archiv/080402-vyvoj-procesu-beatifikace-kardinala-josefa-berana
https://www.pater-richard-henkes.de
https://www.karl-leisner.de/karl-leisners-geheime-priesterweihe-im-kz-dachau-am-17-dezember-1944/
http://www.katyd.cz/clanky/kardinal-beran-blize-beatifikaci.html