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Artikel: Unsere Liebe Frau von Dachau
3. Bedeutung im Lager
Die Marienstatue hatte für die Gefangenen eine sehr große Bedeutung. Aber auch die Lagerleitung „benutzte“ sie. „Sie benutzte dieses Glanzstück im Priesterblock sogar als Vorzeigeobjekt bei offiziellen Besuchen, um zu beweisen, wie gut für die gefangenen Priester gesorgt wird.“1 Was natürlich nicht der Wahrheit entsprach.
Die Madonnenstatue in der Kapelle des KZ Dachau hielt, nach Don Damasso, einem überlebenden des Priesterblocks im KZ Dachau und Freund des sel. P. Giuseppe Girotti, das Kind auf Ihren Armen den Gefangenen Priestern entgegen. Was sie den gefangenen Geistlichen bedeutet hat, können wir nur ahnen:
„Frag mich nicht, was ich gesagt habe oder was ich gespürt habe, ich habe es versucht“, lautet der erste Kommentar von Don Angeli, der gemeinsam mit Don Liggeri im KZ Dachau angekommen war und die Kapelle erstmals betrat. „Ich spürte Herzklopfen, so sehr war ich von Liebe bewegt. … Vielleicht habe ich gar nichts gesagt, ich konnte nicht einmal ein Gebet stammeln. Ich kniete und lehnte mich an die Wand und mein Blick wanderte zwischen dem Tabernakel und dem mit Blumen geschmückten süßen Bild der Madonna mit dem Baby in den Armen Madonna hin und her…. Ein Gefühlsknoten packte mich im Hals.“2
Don Liggeri berichtete von diesem Moment: „Zu schön! Ich hatte Angst, ich würde träumen. Ich fühlte mich wie „im Himmel!“3
„Durch das Gebet vor Unserer Lieben Frau von Dachau und das Gebet zu ihr wurden Schwierigkeiten des Lebens überwunden, der Geist befreit von allen Hindernissen und schlechten Bindungen. Blüten und Blumen wurden vor der Madonna niedergelegt, als Zeichen der Verehrung, Dankbarkeit und der Anbetung.“4
Unsere Liebe Frau von Dachau wird in zahlreichen Berichten gefangener Geistlicher erwähnt. Pfarrer Jakob Schneider kann zitiert werden: „Sie war uns wirklich lieb und wert. Zu diesem Marienbild fühlten wir uns immer wieder hingezogen. Dieser Mütterlichen Frau konnten wir unseren Kummer, unsere leibliche und seelische Not anvertrauen“5
P. Schwake berichtete: „Herr Dekan Adam Ott aus Mainz verstand es, die Schönheit der in der Kapellenecke stehenden Marienstatue zu schildern. Es sei Maria, auf der Flucht nach Ägypten, also in der Verfolgung, in der Verbannung, das göttliche Kind als Inbegriff allen Trostes an das Mutterherz drücke. Jeden Tag war das Marienbild mit frischen Blumen umgeben. Der Tiroler Pfarrer Heinrich Steiner, der (damals, später andere) als Sakristan die Kapelle besorgte, untertags aber in der Plantage arbeitete, wusste immer neue Blumenzier herbeizuschaffen. Das war natürlich streng verboten. Dass er bei keiner Kontrolle aufflog, scheint mir als Wunder.“6
Die Verehrung der Lagermadonna fand Ausdruck in einigen gedichteten Gebeten. Deren Zahl alleine zeigt die Bedeutung der Statue für die gefangenen Geistlichen und drückt ihr Vertrauen zur Fürbitterin bei Gott aus. (vgl. 6. Gebete)
P. Lenz, widmet Unserer Lieben Frau von Dachau in seinem Buch „Christus in Dachau“ ein ganzes Kapitel: „So haben wir sie von Anfang an schon genannt: Unsere Liebe Frau von Dachau. Sie war uns ein wunderbares Gottesgeschenk von königlicher Würde und Erhabenheit. Wohl war ihr Bild von Menschenhänden geschaffen und nicht einmal in der Absicht, den Priestern ins Lager gesandt zu werden. — Vielleicht gab es damals noch kein KZ Dachau. Und dennoch hatte einer diese Absicht: Gott, der Herr. Seine gütige Vatersorge hatte sie von Ewigkeit her für uns geplant und Er hat sie uns gesandt zum Trost und zur Kraft in unserer Verbannung. Christus, der Herr, war in Dachau eingezogen, war unser Mithäftling geworden. Auch Maria, Seine unzertrennliche Mutter, sie konnte nicht ferne sein. Maria, die Wegbereiterin Christi, war gleichsam schon vor Christus da. Das wurde uns auf seltsame Weise offenbar.“7
„ …Und Maria, sie kam ohne Unterlaß zu ihren Dachauer Priestern als unsere große Priestermutter, Sie kam in jeder heiligen Messe auf den Anruf des Priesters. Sie kam in jedem Ave Maria, das wir beteten. Sie kam in jedem geistlichen Gespräch um sie, der wir ja die Gnade des Priestertums verdanken. Sie kam in jedem Marienbildchen, das wir zufällig mit dem Brevier ins Lager hinein gerettet hatten. Sie kam in der tausendfach wiederholten Hoffnung, daß sie uns befreien werde, in den endlosen Wünschen, daß unsere Rettung an einem Marienfeste erfolgen möge. Tatsächlich war die große Wendung im Hungersterben 1942 gerade zum Feste Mariä Himmelfahrt gekommen.“ 8
„Wer zählt die Rosenkränze, die hier gebetet wurden! Noch mehr allerdings tagsüber bei der Arbeit. Heimlich nur, denn jahrelang war es sehr gefahrvoll, wenn untertags bei einer überraschenden Leibesvisitation ein Rosenkranz gefunden wurde. Viele hatten überhaupt keinen; sie halfen sich mit einem Ersatz. Aus dem „Kommando Kabelzerlegung“ ließ ich mir einst viele alte Porzellanperlen bringen und gab sie gegen Brot einem hungrigen Bastler zur Verarbeitung. Mehr als 50 „Rosenkränze“ von je 10 Perlen konnte ich hernach verteilen. Selbstredend mußte dies alles heimlich geschehen. Noch viel gefährlicher war die Herstellung der „Rosenkranzringe“ im „Komando Messerschmitt“, Metallringe mit 10 Zacken. Wir waren schon längst die Gefahr gewohnt und auch die ständigen Hindernisse. Sie konnten uns nicht abhalten, unserer himmlischen Mutter Maria auf jede nur mögliche Weise unsere Liebe und Treue zu bezeigen.“9
„Für den Besucher der Kapelle war sie sehr wertvoll“, meinte Don Liggeri. „Ich denke an die Blicke all der zum Tode verurteilten Priester, die sie mit Liebe und Freude anblickten; ihre Leiden wurden durch Maria verklärt.“10
Ein weiteres Zeugnis: „Ich betrat die kleine Kirche und kniete auf dem Boden am Fuße der kleinen Madonnenstatue, ein Juwel der Holzskulptur. Ich habe versucht zu beten, aber es isr mir nicht gelungen, ich war zu erschöpft um Worte zu finden!“11
Die Statue ist abgebildet „auf einer Zeichnung der Lagerkapelle des Karmelitermönchs Raphael Tijhius (aus den Niederlanden), der den Heiligen P. Titus Brandsma während dessen kurzem und tödlichen Aufenthalt im KZ Dachau betreute und pflegte, nach dem Krieg jahrelang im Karmel Mainz lebte, im Land seiner qualvollen Gefangenschaft. Diese Zeichnung war für eine Glückwunschkarte zur Priesterweihe des seligen Karl Leisner im KZ Dachau gemalt worden. Die Statue Unserer Lieben Frau von Dachau ist links in einer Ecke der Kapelle abgebildet, … die in einen wahren Marienaltar umgewandelt worden war, erinnert sich Andreas Rieser, der noch wusste, wie die Kapelle am Tag der feierlichen Weihe, … am 1. Mai 1943 aussah. Nach der Beschreibung von Pater Johann Lenz war der Marienaltar zu diesem Anlass „prunkvoll geschmückt“ mit „einem weißen Blumenschmuck, der nach der Hochzeit des Kommandanten Weiß auf Wunsch seiner Braut für die Kapelle des Priesterblocks gestiftet worden war.“12 Die Zeichnung soll die Stimmung in der Kapelle sehr gut wiedergeben. Auch die liebevolle Dekoration des Marienaltars ist gut zu erkennen.
Ein französischer Laie berichtete von einer lebensverändernden Begegnung mit unserer Lieben Frau von Dachau: Edmond Michelet, für den derzeit ein Seligsprechungsverfahren läuft. Für ihn war Unsere Liebe Frau von Dachau etwas Besonderes: „sie hätte 'Morgenstern' heißen können, Hilfe der Kranken, Trösterin der Leidenden, Königin der Märtyrerinnen. ... Im Allgemeinen wurde sie Unsere Liebe Frau von Dachau genannt.“13
Er schrieb: "Keine Sprache wird jemals in der Lage sein, die unendliche Dankbarkeit derer auszudrücken, die die Gnade dieser Transformation ihres Schmerzes, dieses mächtigsten Mittels zur Entwaffnung des Hasses, erfahren haben."14
Edmond Michelet, französischer Katholik, erzählt in seiner Autobiografie „Straße der Freiheit“ von seinem Leben im Lager Dachau. Michelet und seine anderen Gefährten, waren für den Leichentransport zuständig. Die Verstorbenen mussten vom Lager zum Krematorium gebracht werden. Dafür hatte Michelet Zugang zu allen Baracken im Lager, um die Leichen abzuholen. Die Typhus-Epidemie hielt an und Michelet war zwar besser ernährt als andere Häftlinge, aber im Inneren von Hass gequält. Aus Hass auf die Nazis plante er mit Machtkämpfen und Rache zu beginnen, sobald die Alliierten eintrafen würden. 15
Es war März 1945. In der Baracke 26 waren auch zahlreiche Leichname abzuholen, viele sollten noch sterben. Michelet sah einen jungen Dominikaner mit einem netten Lächeln. Vermutlich sah er den seligen P. Giuseppe Girotti, der ihn ansah, ihn anlächelte und weiter betete, dabei sah er auf einen kleinen Altar mit der Statue der Jungfrau Maria. Auch Michelet betete dort vor der Statue Unserer Lieben Frau von Dachau.16
„Im Gebet und der Kontemplation vor der Jungfrau haben wir eine neue Bedeutung für unser Elend entdeckt und wir erlebten die Veränderung unserer Pläne. Der Hass war entwaffnet und danach haben wir auch gehandelt“, schreibt er in seinem Buch Freiheitsstraße.
Edmond Michelet engagierte sich aktiv nach der Befreiung im internationalen Lagerkomitee für die Milderung von Repressalien die bei der Ankunft der Alliierten explodierte. Er wurde vom Comté als Verantwortlicher für die Rückkehr der befreiten Gefangenen in ihre Heimatländer ernannt. Nach Kriegsende gehörte Michelet zu den Förderern der Verehrung der Statue Unserer Lieben Frau von Dachau im Karmelkloster. 17
„Nach dem Krieg engagierte er sich in der französischen Politik. Er war Minister für Verteidigung (1945–46), Veteranen (1958–59), Justiz (1959–61), öffentlichen Dienst (1967–68) und Kultur (1970–71). Von 1962 bis 1967 war er Mitglied des Conseil constitutionnel (Verfassungsgerichts)…. Michelet setzte sich im Anschluss für die deutsch-französische Aussöhnung und die Europäische Einigung ein.“18
Die Diözese Tulle (Frankreich) eröffnete seinen Seligsprechungsprozesses.19
Die Begegnung mit unserer Lieben Frau von Dachau, hat sein Leben verändert.
„Ein bewegendes Zeugnis für das, was Heinz Dresbach „damals in Dachau dachte“, ist seine Marienpredigt20, die er bei der Maiandacht am 21. Mai 1943 in der Kapelle von Block 26 seinen Mithäftlingen halten durfte. Bei der Eröffnung des Marienmonats 1943, am 1. Mai, ist die sogenannte „Lagermadonna“ auf einem würdigen Maialtar rechts vom Hauptaltar aufgestellt worden, mit Kerzen geziert und mit Blumen aus der Lagergärtnerei. …
„Für die Priesterhäftlinge war die Ankunft des Marienbildes ein großer Trost. Sie wollten sich dadurch dankbar erzeigen, daß sie in den Maiandachten des Jahres 1943 geistiger weise hinauspilgerten zu bekannten Marienwallfahrtsorten des vom Kriege heimgesuchten Europa, um die Gottesmutter zu bitten, alle zu trösten, die ihre Hilfe nötig haben. Heinz Dresbach lud am 21. Mai 1943 seine Mithäftlinge ein, geistiger weise mit ihm nach Köln zu pilgern zur 'Schwarzen Mutter Gottes in der Kupfergasse'. Ihr Heiligtum war kurze Zeit zuvor von Bomben zerstört worden. Seine Predigt ist ein Zeugnis dafür, wie sehr er im Glauben mit seiner Heimat verbunden war, wie er im eigenen Elend mit der Not der anderen fühlte, und wie er sich bemühte und die Mitbrüder dafür zu gewinnen suchte, die Not der Haft und des Krieges als Anruf Gottes zu erkennen und fruchtbar zu machen im Sinne ihrer priesterlichen Sendung. Er konnte den Text seiner Predigt kurz vor Kriegsende an seine Schwester nach Wallmerod senden.“ 21
1 Eleonore Philipp, Die vergessene Gnadenmutter, Unsere Liebe Frau von Dachau, a.a.O., S. 200
2 Assoziazione Beato Padre Giuseppe Girotti di Alba, guistotra le Nazioni, La statue della Madonna Nostra Signora die Dachau e Padre Giuseppe Girotti, eigene Übersetzung ohne Gewähr
3 Assoziazione Beato Padre Giuseppe Girotti di Alba, guistotra le Nazioni, La statue della Madonna Nostra Signora die Dachau e Padre Giuseppe Girotti, eigene Übersetzung ohne Gewähr
4 Assoziazione Beato Padre Giuseppe Girotti di Alba, guistotra le Nazioni, La statue della Madonna Nostra Signora die Dachau e Padre Giuseppe Girotti, eigene Übersetzung ohne Gewähr
5 Eleonore Philipp, Die vergessene Gnadenmutter, Unsere Liebe Frau von Dachau, a.a.O., S. 200
6 Eleonore Philipp, Die vergessene Gnadenmutter, Unsere Liebe Frau von Dachau, a.a.O., S. 200
7 P. Johannes M. Lenz, Christus in Dachau, Mödling 1960, 10. Auflage S. 165
8 P. Johannes M. Lenz, Christus in Dachau, Mödling 1960, 10. Auflage S. 166
9 P. Johannes M. Lenz, Christus in Dachau, Mödling 1960, 10. Auflage S. 167
10 Assoziazione Beato Padre Giuseppe Girotti di Alba, guistotra le Nazioni, La statue della Madonna Nostra Signora di Dachau e Padre Giuseppe Girotti, eigene Übersetzung ohne Gewähr
11Assoziazione Beato Padre Giuseppe Girotti di Alba, guistotra le Nazioni, La statue della Madonna Nostra Signora di Dachau e Padre Giuseppe Girotti, eigene Übersetzung ohne Gewähr
12 https://www.gazzettadalba.it/2022/04/madonna-di-dachau-la-storia-di-speranza-e-fede-giunta-dal-lager/
13 Assoziazione Beato Padre Giuseppe Girotti di Alba, guistotra le Nazioni, La statue della Madonna Nostra Signora di Dachau e Padre Giuseppe Girotti, eigene Übersetzung ohne Gewähr
14 https://www.gazzettadalba.it/2022/04/madonna-di-dachau-la-storia-di-speranza-e-fede-giunta-dal-lager/
15 Assoziazione Beato Padre Giuseppe Girotti di Alba, guistotra le Nazioni, La statue della Madonna Nostra Signora di Dachau e Padre Giuseppe Girotti, eigene Übersetzung ohne Gewähr
16 Assoziazione Beato Padre Giuseppe Girotti di Alba, guistotra le Nazioni, La statue della Madonna Nostra Signora di Dachau e Padre Giuseppe Girotti, eigene Übersetzung ohne Gewähr
17 Assoziazione Beato Padre Giuseppe Girotti di Alba, guistotra le Nazioni, La statue della Madonna Nostra Signora die Dachau e Padre Giuseppe Girotti, eigene Übersetzung ohne Gewähr
18 https://de.wikipedia.org/wiki/Edmond_Michelet
19 Assoziazione Beato Padre Giuseppe Girotti di Alba, guistotra le Nazioni, La statue della Madonna Nostra Signora die Dachau e Padre Giuseppe Girotti, eigene Übersetzung ohne Gewähr
20 Niemöller, Martin Hrs., Das aufgebrochene Tor, München 1946