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Interview mit der Gründerin des Freundeskreises Selige aus dem KZ Dachau Frau Monika Neudert über die bevorstehende Vereinsgründung
Das Interview führte Herr Klemens Hogen-Ostlender
Dachau, 25.10.2018
Die Arbeit des Freundeskreises Selige aus dem KZ Dachau soll durch die bevorstehende Gründung eines Vereins auf eine breitere Basis bestellt werden. In diesem Interview erläutert die Sprecherin des Freundeskreises, Monika Neudert, die Beweggründe dafür.
Frau Neudert, seit wann gibt es den Freundeskreis Selige aus dem KZ Dachau, der auf Ihre Initiative gegründet wurde, und wie ist es damals dazu gekommen?
Neudert: Um das Jahr 2000 hörte ich einen Vortrag. Ich erfuhr, dass unter den politischen Häftlingen des KZ Dachau auch viele Geistliche waren und von ihnen damals schon fast 50 selig gesprochen waren. Ich war erstaunt und fasziniert. So nahe bei meinem Haus lebten vor vergleichsweise so kurzer Zeit Märtyrer und Selige? Ich begann darüber zu sprechen. Zuerst mit Freunden und Bekannten und bald in Vorträgen, zu denen ich eingeladen wurde. Da kaum jemand von den Märtyrern aus Dachau wusste und diese Männer immer wieder meine Zuhörer beeindruckten, sammelte sich bald eine Gruppe von am Thema Interessierten. Daraus entstand um das Jahr 2012 der Freundeskreis. Zuerst wollte ich eigentlich nur die vorhandenen Informationen und Initiativen der einzelnen selig Gesprochenen zusammenführen und vernetzten. Als ich merkte, dass es zu den polnischen Seligen keine Informationen auf Deutsch gab und auch sonst niemand von den Seligen von Dachau wusste, wurde ich selber aktiv.
Sie sprechen von Märtyrern. Was verstehen sie darunter?
Neudert: Dieser Begriff ist kirchlich definiert und ich übernehme ihn in dieser Bedeutung. Die einzelnen Diözesen haben auf Einladung von Papst Johannes Paul II. ihre lokalen Märtyrer des 20. Jahrhundert gesammelt. Es sind Frauen und Männer, die an einer Tat aus Glaubenshass oder an deren Folgen starben und dies innerlich angenommen haben. In Deutschland gibt es ein Martyrologium von Dr. Helmut Moll in dem sehr viele Biografien nach einer gründlichen Prüfung der Ortskirche aufgenommen wurden. Unter den Häftlingen des KZ Dachau sind viele, die von ihren Heimatdiözesen zu Märtyrern erklärt wurden, mehrere Hundert. Polen hat alle Geistliche, die unter der deutschen Besatzung inhaftiert waren, im KZ Dachau waren es 1800, zu Märtyrern erklärt, auch Überlebende. Diese Definition weicht etwas von der in anderen Ländern üblichen ab. Dazu kämen noch um ihres Glaubens willen getötete Laien, die bisher in Polen noch gar nicht im Blick waren. Deshalb ergibt sich eine Zahl von mehreren hundert bis mehreren tausend Märtyrern aus dem KZ Dachau.
Was ist der Grund dafür, dass der Freundeskreis nun in diesem Herbst in einen eingetragenen Verein umgewandelt werden soll?
Neudert: Der Freundeskreis als Liste an den Märtyrern aus dem KZ Dachau Interessierten, kann parallel weiter bestehen. Vielleicht möchte nicht jeder in den neu gegründeten Verein „Selige Märtyrer von Dachau“ eintreten. Dieser Name greift den Titel des Gedenktages auf, den die Erzdiözese München und Freising 2017 eingeführt hat. Am 12.06. wird seit dem hier der Gedenktag Selige Märtyrer von Dachau gefeiert.
Mir scheint, die Zeit ist reif für einen weiteren, größeren Wirkungskreis des Wissens um die Seligen. Dafür braucht es größere personelle und finanzielle Kapazitäten.
Ich möchte jetzt eine größere Zahl Menschen einladen, sich zu engagieren und ihre Ideen, Fähigkeiten oder Verbindungen einzubringen. Ich suche auch fördernde Vereinsmitglieder und Spender, um die Unkosten zum Beispiel der Internetseite, zu tragen.
Was waren die Beweggründe der Menschen, die bereits Mitglieder des Freundeskreises geworden sind, zum Beitritt? Leben sie alle in Dachau und der Umgebung, oder kommen sie auch aus größerer Entfernung?
Neudert: Der Freundeskreis entstand aus einer Liste von Interessierten, die über Neuigkeiten informiert werden wollten. Je nach persönlichen Möglichkeiten und Fähigkeiten bekam ich dann auch unterschiedlichste praktische Unterstützung beim Engagement. Manche konnten mithelfen beim Organisieren und Durchführen von Veranstaltungen. Andere unterstützten durch ihre Teilnahme, durch Zusenden von Informationen, durch Weitererzählen, wieder andere durch Spenden. Auch Menschen, die weit weg wohnten unterstützten mich durch schriftliche Arbeiten, Übersetzungen, und Spenden. Besonders aber trugen sie das Wissen um die Seligen von Dachau weiter. Die Mitglieder des Freundeskreises kommen aus ganz Deutschland und darüber hinaus sogar aus der ganzen Welt.
Wen möchten Sie für die Mitgliedschaft im Verein interessieren?
Neudert: Ich möchte alle Menschen ansprechen, die sich dafür begeistern lassen, unabhängig von Wohnort, Herkunft, Alter, Bildung oder Konfession. In unserem Land wird Menschen, die Opfer des Nationalsozialismus wurden, große Achtung entgegen gebracht. Es besteht großes Interesse daran, diese Persönlichkeiten besser kennen zu lernen. Die Beschäftigung mit diesen beeindruckenden Männern und Glaubenszeugen bereichert jeden. Es ist ein sehr sinnvolles Engagement für Menschen unabhängig von ihrer Religion, besonders weil über diese Männer in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist. Von ihrer Menschenfreundlichkeit und ihrem Einsatz für gefangene Kameraden können wir uns alle eine Scheibe abschneiden.
Schön ist auch die internationale Zusammenarbeit mit Menschen aus den Herkunftsländern der Seligen. Besonders viele Menschen mit polnischen Wurzeln interessieren sich für die Seligen. Schließlich waren 47 von ihren Polen. Auch aus anderen Ländern, wie Österreich, Italien und den Niederlanden gibt es Selige. So bekommt das Engagement eine sehr internationale Note. Mir ist es ein großes Anliegen, das dadurch auch die Versöhnung der ehemals verfeindeten Nationen gefördert wird. Aus den Erfahrungen und Briefen der gefangenen Geistlichen sprechen uns ihre Erfahrungen mit dem Glauben an, wertvolle spirituelle Impulse für uns heute. Mich erstaunt insbesondere, nicht nur von Ihren bitteren Erfahrungen und ihrem Ringen mit Gott zu lesen sondern auch von Freude, Hoffnung und Gottvertrauen. Nicht zuletzt kommt es zu vielen interessanten Begegnungen mit anderen Engagierten, wenn man sich für die Seligen von Dachau einsetzt.
Haben Sie schon konkrete Pläne, wie die Aktivitäten des Vereins aussehen sollen? Was sind seine Ziele?
Neudert: Die Ziele sind in der Satzung formuliert. Dazu gehört, das Wissen um die christlichen Märtyrer von Dachau. Deren Glaubenszeugnis soll verbreitet werden. Wir möchten uns für Versöhnung zwischen Konfessionen und Nationen, aus denen die Geistlichen und besonders die Seligen des KZ Dachau stammten kümmern. Viele Details der Biografien und der Ereignisse im KZ Dachau müssen noch erforscht werden. Vor allem in Polen, aber auch zum Beispiel in Italien und den Niederlanden sind Quellen vorhanden, die in deutsch noch nicht zugänglich sind.
Unser erstes Engagement als Verein wird die jährliche Feier des kirchlichen Gedenktages Selige von Dachau am 12.06. sein. Dieser Gedenktag wurde 2017 von der Erzdiözese München und Freising eingeführt und darf jetzt nicht vergessen werden. Ein Gottesdienst und anschließend die Möglichkeit zu Begegnung und Gespräch sind geplant, vielleicht auch weitere Veranstaltungen.
Ein besonders wichtiger Bereich wird die Öffentlichkeitsarbeit sein. Die bisherigen Aktivitäten sollen weitergehen und ausgebaut werden. Insbesondere gehört dazu das Organisieren von Gottesdiensten und Vorträgen. Auch der Internetauftritt (www.selige-kzdachau.de) soll fortgeführt werden.Die Homepage muss gepflegt und aktualisiert werden. Es gibt auch viele zusätzliche Ideen, die abhängig von personellen und finanziellen Ressourcen angestrebt werden sollen. So soll die Zusammenarbeit mit Schulen und Pfarreien gefördert werden. Möglicherweise können neue Medien wie Twitter und Instagram eine Rolle spielen. Auf Wikipedia könnten Informationen über die Seligen verbreitet werden. Auch eine weitere Zusammenarbeit mit Hochschulen und Studenten bei Themen für Arbeiten im Bereich Kirchengeschichte, Pastoraltheologie oder ganz neue Bereiche halte ich für sinnvoll. Ich träume von der Benennung von Straßen nach einzelnen Seligen von Dachau und Gedenktafeln an Orten der Erinnerung. Ich möchte aber auch Raum lassen für neue Ideen neuer, engagierter Mitglieder, die sich und ihre Fähigkeiten einbringen können. Gerade auf diesen Input bin ich gespannt.
Wie könnten sich Vereinsmitglieder je nach ihren Interessen und Fähigkeiten einbringen und zum Aufbau des Vereins beitragen?
Neudert: Bei Gründung eines Vereins ist noch vieles offen. Die Organe des Vereins müssen besetzt werden. Mitglieder und Spender sollen geworben werden. Das Wissen um die Seligen soll auf jede mögliche und angemessene Art verbreitet werden. Aber es soll kein Drehen um den eigenen Bauchnabel werden.
Auch bei geistlichen Bezügen muss man ja an das rein Irdische denken. Deshalb die Frage: Wie soll sich die Arbeit des Vereins finanzieren?
Neudert: Geplant ist eine Finanzierung aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Ich gehe davon aus, dass der Vereins gemeinnützig wird. Dann sind die Mitgliedsbeiträge und Spenden auch steuerlich absetzbar.
Welche Bedeutung hat es Ihrer Ansicht nach für die Menschen heute, dass so viele Priester sich im KZ Dachau dem christlichen Glauben treu geblieben sind und etliche dafür auch ihr Leben geopfert haben?
Neudert: Viele Menschen beeindruckt das Glaubenszeugnis dieser Männer. In der extremen und unmenschlichen Situation des Lagers, in für uns unvorstellbarem Leid, Grausamkeiten, in Hunger und Krankheit fanden sie Halt und inneren Frieden im Glauben und Kraft in Gottes Nähe.
Diese Spiritualität könnte vielleicht auch unser Leben reicher machen. Wir sind materiell gut ausgestattet. Wir werden nicht in dieser Weise verfolgt und wir müssen nicht unter diesen Umständen leiden. Wir haben es heute in Deutschland leichter und können deshalb vom Beispiel dieser Männer lernen.
Die meisten Häftlinge im Priesterblock im KZ Dachau waren katholisch, aber auch Geistliche anderer Konfessionen waren dort inhaftiert. Können ihre Kameradschaft untereinander und der gegenseitige Respekt vor den Glaubensinhalten heute ein Vorbild für das Bestreben der Christen sein, wieder zur Einheit zu finden?
Neudert: Davon waren schon die Geistlichen damals überzeugt. Vor allem die Überlebenden der Pfarrerblöcke waren überzeugt, einen wichtigen ökumenischen Impuls setzen zu können. Ihre Berichte von gemeinsamem Gebet und Austausch sind bewegend. Im Freundeskreis Selige aus dem KZ Dachau waren von Anfang an Menschen verschiedener christlicher Kirchen und Denominationen zu Hause. Das Thema Märtyrer beeindruckt und bewegt alle.
Sie sind nicht in Dachau aufgewachsen. Was hat es für Sie bedeutet, in eine Stadt zu ziehen, deren Name ein Synonym für Schrecken und Gewaltherrschaft ist?
Neudert: Zuerst hatte ich einen ängstlich großen Respekt davor nach Dachau zu ziehen, obwohl mein Onkel selber Häftling in Dachau war und ich deshalb vom Lager wusste. Berichte von Beschimpfungen und Beschädigungen von Autos mit Dachauer Kennzeichen in früheren Jahren erschreckten mich. Der Gedanke, dass das Martyrium der jüdischen Opfer ein kostbares Erbe ist, bewegte mich aber. In Dachau angekommen erfuhr ich, dass im KZ Dachau nur nur jüdische Häftlinge waren, sondern hauptsächlich politische Häftlinge, wie mein Onkel. Von der sehr großen Zahl von christlichen Märtyrern unter den Häftlingen des KZ Dachau, wusste ich vorher nichts. Rom ist stolz auf die frühkirchlichen Märtyrer. Darauf ist die Kirche aufgebaut. Ich glaube, auch für Dachau kann es sehr viel bedeuten, dass Männer des Glaubens hier zu Heiligen wurden und unter der unmenschlichsten Grausamkeit innerlich wuchsen und im Glauben reiften bis hin zur Heiligkeit.
Dachau ist für mich nicht nur ein Lernort der Geschichte, sondern auch die Stadt der Seligen! Ich hoffe, dass auch die Kirche unserer Zeit an diesem kostbaren Erbe wachsen kann. Ich zitiere gerne Tertullian, für den das Blut der Märtyrer Samen für neue Christen war.
Werden Sie von Ortsfremden manchmal auf die Vergangenheit Dachaus angesprochen?
Neudert: Erstaunlicherweise eher selten. In Dachau werde ich gelegentlich nach dem Weg zur Gedenkstätte des KZ Dachau gefragt. Sonst traut man sich wohl eher weniger das Thema anzusprechen. Viele meinen, die Bürger Dachaus hätten sich durch zu wenig Unterstützung der Häftlinge schuldig gemacht. Das ist aber falsch. Unzählige Dachauer haben ihr Leben riskiert um die Häftlinge zu unterstützen. Die Dachauer haben keinen Grund, sich zu schämen.
Wird der Verein unter einem Patronat stehen?
Neudert: Alle 56 Seligen sind zur Ehre Gottes zur Ehre der Altäre erhoben und uns damit zu Vorbildern und Fürsprechern gegeben. Ich denke, wenn immer mehr Menschen von ihnen hören, werden auch immer mehr auf die Idee kommen, sie um ihre Fürsprache zu bitten. Ich denke, wir würden viele Wunder erleben. Diese Berichte zu sammeln möchte ich auch zu einer Aufgabe des Vereins machen.
Wie können sich Menschen, die Mitglied im Verein werden wollen, an sie wenden? Gibt es schon ein Datum und einen Ort für die Gründungsversammlung?
Neudert: Die Gründungssitzung wird am Abend des 29.11.2018 um 20.00 Uhr im Pfarrheim der Pfarrei Heilig Kreuz, Sudetenlandstraße 69 in Dachau sein. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen dabei zu sein und willkommen. Wer an diesem Abend nicht kommen kann, kann sich gerne schon unter der Email des Freundeskreises melden. (
Ich freue mich über jede Meldung!